Das Drehbuch ergibt keinen Sinn, die Dialoge sind hölzern und den Figuren kann man auch mit viel gutem Willen weder Tiefgang noch Persönlichkeit bescheinigen.
An manchen Tagen erinnert mich die deutsche Innenpolitik an den ARD-Fernsehfilm. An anderen Tagen vermischt sich der parteipolitische Kindergarten in meinem Kopf zu einem Gulasch aus "Dschungelcamp", "Lindenstraße" und "Tutti Frutti". Mit Friedrich Merz als Hugo Egon Balder.
Und das ist, was bisher geschah:
Als ich lese, dass der Bundeskanzler im Anschluss an seinen Besuch in Angola einen Eklat verursacht hat, gehe ich vom Schlimmsten aus. Ich durchsuche mehrere Nachrichtenseiten nach dem Wort "schnackseln" und atme tief aus, als ich feststelle, dass Friedrich Merz nur das deutsche Brot vermisst.
Wider besseres Wissen schaue ich mir danach das einstündige (!) Youtube-Interview mit Dieter Bohlen an, das gerade in aller Munde ist. Der "Pop-Titan" referiert darin ausschweifend über die Arbeit der Bundesregierung (schlecht), die gegenwärtige Wirtschaftslage (super schlecht) und die Abgrenzung zur AfD (unnötig). Das Video hat auf das menschliche Gehirn ungefähr denselben Einfluss wie der Genuss von zwei Flaschen Wodka Gorbatschow.
Wer mir das nachmachen und im Anschluss an dieses "Klartext-Interview" dieselbe Litanei nur in anderer Stimmlage hören möchte, kann sich das neueste, dreistündige (!) Interview mit Oliver Pocher reinziehen. Es trägt den zurückhaltenden Titel "Früher war ich lustig – Heute bin ich Nazi". Wobei, so meine bescheidene Meinung, der erste Teil der Überschrift ein dickes Fragezeichen verdient.
Überall das Gleiche. Rechte Gedanken. Brandmauer-Ende. "Heute bin ich Nazi".
Familienunternehmer gegen die Brandmauer
Auch Marie-Christine Ostermann, ihres Zeichens wohlhabende Unternehmerin sowie Vorsitzende des Lobby-Vereins "Die Familienunternehmer", möchte endlich einen Schlussstrich ziehen. Lange genug habe man die AfD ausgegrenzt. Das gehe so nicht mehr weiter. Man müsse auch mit "Andersdenkenden diskutieren". "Demokratie", so heißt es auf der Webseite ihres Verbandes, lebe "vom Streit um die besten Inhalte". Deshalb werde man fortan mit "einzelnen AfD-Fachpolitikern auf bundespolitischer Ebene ins Gespräch kommen".
Der Begriff "Fachpolitiker" klingt in diesem Zusammenhang herrlich unverdächtig. Man denkt dabei an "Facharzt", "Fachabteilung" oder "Fachgeschäft". Nicht daran, dass die AfD in Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt vom Verfassungsschutz als "gesichert rechtsextremistische Bestrebung" eingestuft wird. Oder dass die Bundespartei als "rechtsextremistischer Verdachtsfall" gilt, über deren Status als "gesichert rechtsextremistische Bestrebung" zurzeit vor Gericht gestritten wird. Oder dass die AfD selbst den anderen rechten Parteien im Europaparlament zu extremistisch war und deshalb aus der gemeinsamen Fraktion ausgeschlossen wurde.
Von alledem liest man auf der Seite der "Familienunternehmer" nichts. Vielmehr, meint Ostermann, habe sich "Empörung allein" als "politische Strategie erschöpft". "Das Überbieten mit immer heftigeren Antifa-Parolen" habe nichts gebracht.
Joa. Geht so.
Man braucht nicht allzu viel Fantasie, um die vermeintlichen "Antifa-Parolen" mit den Einschätzungen des Verfassungsschutzes übereinanderzubringen. Desselben Verfassungsschutzes, der im Nachgang des NSU-Debakels den sagenumwobenen Hans-Georg Maaßen an die Spitze gespült hat, um ausgerechnet mit ihm den Rechtsextremismus zu bekämpfen. Wer just diesen Verfassungsschutz in die Nähe einer linksautonom-queerfeministischen Lastenrad-Antifa rückt, hat wahlweise nicht mehr alle Tassen im Schrank oder widmet aus unerfindlichen Gründen seine gesamte politische und wirtschaftliche Kraft der Verharmlosung des Rechtsextremismus in Deutschland.
Von allem einmal abgesehen: In welchem Paralleluniversum wird die AfD grundlos und über Gebühr ausgegrenzt? Regelmäßig tauchen AfD-Politiker im öffentlich-rechtlichen Fernsehen auf und dürfen ihren Sermon in deutschen Talkshows von sich geben. In den Jahren 2018, 2019, 2020, 2021, 2022, 2023, 2024 und 2025 hat der MDR den AfD-Landesvorsitzenden Björn Höcke zum Sommerinterview eingeladen. Aus freien Stücken. Und ohne jede Not.
Die Kollegen von der "Welt" haben zum Anfang dieses Jahres gar einen Wahlaufruf für die AfD in ihrer Zeitung veröffentlicht. Der parlamentarische Geschäftsführer der AfD ist bei "Welt TV" genauso häufig zu sehen wie seine Kollegen aus anderen Parteien. Ausgerechnet zum Jahrestag der Befreiung des KZs Buchenwald in Thüringen lädt die "Welt"-Redaktion den Rechtsextremisten Björn Höcke neben seinem CDU-Konkurrenten Mario Voigt zum TV-Duell ein.
Man stelle sich vor, Islamisten würden behandelt wie die AfD
Die AfD sitzt unbehelligt in nahezu allen Landtagen, im Bundestag und im Europaparlament. In der CDU diskutiert man offen einen Bruch der Regierungskoalition und eine Zusammenarbeit mit dieser Partei. Ausgrenzung und Diskriminierung sehen anders aus. Angesichts der vielfach offen antidemokratischen Bestrebungen innerhalb der AfD ist der Widerstand gegen diesen parlamentarischen Arm des Rechtsextremismus noch einigermaßen verhalten.
Man stelle sich nur für einen kurzen Moment vor, Islamisten würden in Deutschland genauso behandelt, genauso besprochen und genauso verharmlost wie Rechtsextreme. Probieren Sie es doch einfach mal aus. Alle folgenden Sätze sollten Ihnen bekannt sein: "Diese Brandmauer zu den Islamisten – auch auf Bundesebene –, die von den meisten Verbänden bislang aufrechterhalten wurde, hat nichts gebracht." Oder: "Die Dämonisierung der Islamisten ist gescheitert." Oder: "Man muss die Sorgen und Nöte der Islamisten ernst nehmen!"
Dass wir uns im Zusammenhang mit Rechtsextremen an diese Sätze gewöhnt haben, ist nichts weniger als eine gesamtgesellschaftliche Bankrotterklärung. Wer mit Rechtsextremen reden und sie inhaltlich stellen will, müsste das konsequenterweise auch mit Islamisten tun. Wer hingegen Islamisten verfolgen, verhaften und verbieten will, müsste das spiegelbildlich gegenüber Rechtsextremen genauso fordern.
Zu meinen Lieblingstexten im Internet gehört ein Artikel des Magazins "Vice" aus dem Jahr 2019. Behandelt wird dort die Frage, warum auf "X" (damals Twitter) rechtsextreme Tweets nicht genauso verfolgt und gelöscht werden wie Tweets von Islamisten. Die Antwort ist höchst erheiternd: Weil sich die Äußerungen von Konservativen und Rechtsextremen kaum voneinander unterscheiden würden, käme der Algorithmus ständig durcheinander und würde reihenweise Tweets konservativer Politiker löschen. Und das wiederum wolle man der republikanischen Partei nicht zumuten.
Deshalb konzentriert man sich einerseits auf die Löschung islamistischer Tweets, auch wenn man dabei unbescholtene Muslime in Mithaftung nimmt, und lässt andererseits rechtsextreme Tweets stehen, um konservative Politiker nicht zu verärgern.
Irgendwie kommt mir das bekannt vor.
Die AfD wird mitnichten ausgegrenzt. Wer sie an die eigene Organisation heranführt, tut dies nicht, um die demokratische Kultur in diesem Land zu bewahren, sondern vielmehr, um die demokratischen Institutionen aus den Angeln zu heben und die demokratische Ordnung zu destabilisieren. Diese Verlogenheit im Umgang mit Rechtsextremen währt viel zu lange. Es wird Zeit, dass wir dem endlich ein Ende bereiten. Ein erster Schritt wäre, diesem Opfergetue deutlich zu widersprechen.