Der Umgang des Verbands der "Familienunternehmer" mit der AfD sorgt für entschiedenen Widerspruch prominenter Unternehmen. Erste Verbandsmitglieder haben ihren Austritt angekündigt, andere distanzieren sich demonstrativ. Wieder andere verhalten sich zunächst abwartend oder tragen den Kurswechsel mit – ein erster Überblick.
Worum geht es?
Es geht um die sogenannte Brandmauer zur AfD, also den Grundsatz, Vertreter der rechtsextremen Partei nicht zu eigenen Veranstaltungen einzuladen oder sonstwie den Kontakt zu suchen. Die Verbandsspitze der Familienunternehmer hat vor einigen Monaten beschlossen, dieses Kontaktverbot aufzuheben. Sichtbar wurde das bei einer Veranstaltung im Oktober, auf der auch ein AfD-Vertreter zu Gast war. Viele Mitglieder des Verbands haben offenbar erst durch die aktuellen Ereignisse von dem Kurswechsel erfahren.
Wer sind die Familienunternehmer?
Der Verband "Die Familienunternehmer" ist eine Lobbyorganisation, in der nach eigenen Angaben rund 6500 Familienunternehmen aus ganz Deutschland vertreten sind. Die Spanne reicht vom Handwerksbetrieb über den Mittelständler bis zum börsennotierten Konzern, in dem die Eigentümerfamilie nur noch über eine Minderheit der Anteile verfügt. Mitglied werden können Unternehmerinnen und Unternehmer mit mindestens zehn Mitarbeitenden und mehr als einer Million Euro Jahresumsatz. Daneben gibt es noch den Tochterverband "Die jungen Unternehmer" für alle unter 40 Jahre.
Wie begründet der Verband den AfD-Kurswechsel?
Der Verband erklärt, es sei wichtig, auch mit Andersdenkenden zu diskutieren, deren Positionen man nicht teile. "Die Hoffnung, man könne ein Viertel der bundesdeutschen Wähler durch moralische Ausgrenzung zur Umkehr bewegen, ist nicht aufgegangen", sagt Verbandschefin Marie-Christine Ostermann. "Jetzt hilft nur noch die Auseinandersetzung mit den Inhalten der AfD, jenseits von schlichten Kategorisierungen in 'gut' und 'böse'." Sie betont aber auch: "Wir Familienunternehmer wollen keine Regierung mit AfD-Beteiligung."
Wie reagieren die Unternehmen?
Die Entscheidung des Verbands, das Verhältnis zur rechtsextremen AfD zu normalisieren, stößt auf Widerspruch in der Unternehmerschaft. Als erstes prominentes Mitglied kündigte die Drogeriemarktkette Rossmann den Austritt bei den "Familienunternehmern" an. "Wir unterstützen die Haltung des Verbandes nicht und haben die Mitgliedschaft gekündigt", erklärte das Unternehmen in einem Statement.
Rossmann-Konkurrent dm sorgte mit ambivalenten Aussagen zum Thema für Aufsehen. Anfang der Woche erklärte dm-Chef Christoph Werner in der "Süddeutschen Zeitung", es sei in Ordnung, Parlamentarier aller im Bundestag vertretenen Parteien zu einem Parlamentarischen Abend einzuladen, wie es der Verband getan hatte. Am Freitag ergänzte er: "Wir haben unseren Austritt bereits vor vielen Monaten erklärt und sind daher nicht mehr Teil der internen Meinungsbildung."
Der Thermomix-Hersteller Vorwerk kündigte an, seine seit längerer Zeit ruhende Mitgliedschaft auch formal zu kündigen. Das Unternehmen distanziere sich von den Aussagen des Verbands zur AfD. Zur Begründung heißt es: "Für uns ist klar: Die AfD steht in ihrem Auftreten und Teilen ihres politischen Handelns in wesentlichen Punkten nicht im Einklang mit demokratischen Grundwerten und rechtsstaatlichen Prinzipien."
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Getränkehersteller Fritz-Kola kündigt ebenfalls seine Mitgliedschaft: "Die Entscheidung der Verbandsführung, die bisherige Distanz gegenüber der AfD aufzugeben, steht nicht im Einklang mit den Grundsätzen, die Fritz-Kola als Unternehmen vertritt", erklärt das Hamburger Unternehmen NTV. "Eine offene, demokratische Gesellschaft bildet für uns die Grundlage wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Handelns."
Der Unternehmer und ehemalige FDP- und SPD-Politiker Harald Christ ist diesen Schritt schon vor einigen Wochen gegangen. Er habe schon seit Längerem von Verbandsmitgliedern gehört, man solle sich stärker der AfD öffnen, erklärte Christ dem Portal "The Pioneer". Das sei einer der Gründe gewesen, bei den Familienunternehmern auszutreten.
Der westfälische Nahrungsmittelkonzern Dr. Oetker wiederum sah sich veranlasst, im Zuge der aktuellen Debatte klarzustellen, dass das Unternehmen gar kein Mitglied bei den Familienunternehmern ist. Dr. Oetker gebe keine parteipolitischen Statements ab, setzte sich aber "für eine offene, freie und demokratische Gesellschaft" ein und trete "jeglichen extremistischen und totalitären Strömungen entschieden entgegen".
Auch die Deutsche Bank distanziert sich von den Familienunternehmern und hat einen Vertrag für eine Veranstaltung in den Räumlichkeiten der Bank gekündigt. Das Geldhaus kann zwar qua Definition nicht Mitglied bei den Familienunternehmern sein, wird aber vom Verband auf der Homepage prominent als "Partner" geführt.
Weitere prominente Mitglieder der Familienunternehmer überdenken nun ihre Mitgliedschaft. Kaffeeriese Melitta, der erst Ende Oktober ein großes Familienunternehmerforum ausgerichtet hatte, erklärte dem "Handelsblatt", man habe vom veränderten Umgang der Verbandsführung erst aus den Medien erfahren. "Wir sind darüber sehr überrascht und lehnen den Beschluss ab", erklärte Melitta.
Wie sich die zahlreichen kleineren Mitglieder des Verbands in der AfD-Frage positionieren, bleibt vorerst offen. Ein Beispiel liefert die Essener Werbeagentur TAS Emotional Marketing. Gründer und Chef Thomas Siepmann schrieb in Richtung der Verbandschefin auf Linkedin: "Liebe Frau Ostermann, Sie können gerne mit der AfD sprechen, aber nicht mehr mit uns. Wir treten aus."