Meinung Wolfram Weimer: Jetzt ist es auch die Affäre des Kanzlers

Wolfram Weimer und Friedrich Merz
Kulturstaatsminister Wolfram Weimer (parteilos) am Rednerpult im Bundestag. Kanzler Friedrich Merz (CDU) hört ihm von der Regierungsbank aus zu
© Clemens Bilan / EPA
"Alle Vorwürfe falsch": Mit der vollständigen Absolution von Wolfram Weimer macht Bundeskanzler Friedrich Merz die Tegernsee-Connection zu seinem persönlichen Problem.

Da saß also Friedrich Merz in Südafrika vor den Kameras. Wenige Stunden zuvor hatte der deutsche Kanzler dem brasilianischen Präsidenten beim G20-Gipfel in Johannesburg erklären müssen, dass seine abfälligen Bemerkungen über dessen Land nicht abfällig gemeint waren. Oder so.

Nun gab der Kanzler der ARD ein Interview zur ungewissen Weltlage, aber auch zu den prekären Dingen, die ihn daheim in Berlin bedrängen. Zum Beispiel die Affäre um Wolfram Weimar, den Kulturstaatsminister in der Regierungszentrale. 

Oh, sorry, vertippt. Aus Kanzlersicht gibt es natürlich gar keine Affäre! Nicht im Ansatz! Und basta!

"Die Vorwürfe, die gegen Wolfram Weimer erhoben worden sind, haben sich alle als falsch erwiesen", dekretierte der Bundeskanzler in harschem Ton und setzte dazu ein besonders trotziges Gesicht auf. "Dass er nun von ganz links und von ganz rechts unter Feuer genommen wird, das bestätigt mich eher in meiner Einschätzung, dass er gute Arbeit macht."

Merz hat sich im Ton vergriffen

Oje. Damit hatte der Kanzler seinem Staatsminister nicht nur die vollständige Absolution erteilt. Er hatte wieder einmal das getan, was er so oft tut, egal, ob er sich über Brasilien oder das sogenannte Stadtbild äußert: Er hatte sich mindestens im Ton vergriffen.

Ein unnötiger Merz-Fehler, mal wieder. Es ist eben das eine, sich formal hinter den eigenen Minister zu stellen. Und es ist das andere, einen für alle sichtbaren Interessenkonflikt zu ignorieren und berechtigte Kritik als extreme Kampagne zu diffamieren. 

Damit macht der Kanzler die Affäre Weimer – denn ja, es ist eine – endgültig zu seinem eigenen Problem. Und er erhöht sein persönliches Risiko beträchtlich. 

Strafanzeigen werden geprüft

Denn nach dem einstigen AfD-Politiker Marcus Pretzell hat nun auch ein aktueller AfD-Bundestagsabgeordneter im Namen seiner Fraktion Strafanzeige gestellt. Bisher lägen sogar vier Strafanzeigen "in diesem Zusammenhang" vor, bestätigte die Berliner Generalstaatsanwaltschaft am Montag dem stern.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Falls die Behörde nach der Prüfung, die zurzeit läuft, offizielle Ermittlungen einleiten sollte, hätte der Kanzler ein echtes Problem. Zwar gilt bis zu einem rechtskräftigen Urteil die Unschuldsvermutung. Doch allein die Bestätigung eines Anfangsverdachts dürfte sich politisch fatal auswirken – für Weimer, aber auch für Merz.

Die Opposition betrachtet die neuen Sprüche des Kanzlers als Geschenk. Schon jetzt durfte über eine Tegernsee-Connection gemutmaßt werden: mit dem dortigen Firmensitz der Weimer Media Group, dem Ferienhaus des Kanzlers und dem jährlichen Ludwig-Erhard-Gipfel, auf dem Weimer-Freund Merz Dauergast war. Doch jetzt, da es der Regierungschef offenkundig als normal betrachtet, dass das Unternehmen seines Staatsministers "Einfluss auf politische Entscheidungsträger" vermarktete, ist die ungute Verbindung für jeden sichtbar.

Wolfram Weimer und seine Anteile

Der missliche Eindruck verfestigt sich auch dadurch, dass Merz in der ARD wie der Rechtsanwalt seines Staatsministers redete. Weimer sei kein Geschäftsführer mehr, sagte der Kanzler. Er habe jetzt auch "seine Anteile an der Firma komplett abgegeben", was er, na klar, "nicht hätte tun müssen". 

Nun ja. Geschäftsführerin ist Weimers Ehefrau, der 50 Prozent der Weimer Media Group gehören. Die andere Hälfte der Anteile, die bisher der Staatsminister hielt, hat er an einen Treuhänder übertragen – natürlich erst, nachdem seine Mitinhaberschaft herausgekommen war.

Es kann sein, dass die Berliner Staatsanwälte in ein paar Wochen oder Monaten die rechtliche Einschätzung des Juristen Merz teilen werden. Doch der Politiker Merz muss andere, höhere Maßstäbe an sein Personal anlegen. Er selbst jedenfalls wird daran gemessen.

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