Regeln für Streamingdienste Filmförderung: Wolfram Weimer warnt vor Netflix-Gesetz

Kulturstaatsminister Wolfram Weimer
Kulturstaatsminister Wolfram Weimer: Wie lässt sich die deutsche Filmbranche retten?
© IMAGO/Christoph Hardt
Müssen Streamer wie Netflix bald in Deutschland investieren? Kulturstaatsminister Wolfram Weimer hofft auf Milliarden für die deutsche Filmbranche – warnt aber vor einem Gesetz.

Die Koalition hat sich vorgenommen, die Filmförderung neu aufzustellen und dafür Streaming-Dienste wie Netflix und Disney+ zu Investitionen in Deutschland zu verpflichten. Noch ist keine Regelung gefunden. Kommt da noch was?
Ja, da kommen gleich zwei große Sachen. Zum einen verdoppeln wir die Filmförderung des Bundes auf 250 Millionen Euro. Das macht den Deutschen Filmförderfonds und den German Motion Picture Fund stark und mit der erfolgten Erhöhung auf 30 Prozent Förderintensität auch international wettbewerbsfähig. Zusammen mit weiteren Mitteln der jurybasierten kulturellen Filmförderung stellt der Bund künftig rund 310 Millionen Euro allein für die Produktion bereit. Zum anderen werden wir die Privatinvestitionen in den deutschen Film massiv ankurbeln und so einen verlässlichen wirtschaftlichen Rahmen für die nächsten Jahre sichern. 

Das ist doch nicht mehr als eine Hoffnung.
Stimmt nicht. Wir wollen, dass die Sender und Streaming-Plattformen deutlich mehr in Deutschland investieren. Unsere umfangreichen Verhandlungen mit den großen Streaming-Plattformen sind erfolgreich abgeschlossen. Netflix, Amazon, Disney & Co, aber auch ARD, ZDF, RTL und ProSiebenSat.1 stehen bereit, sich für die kommenden fünf Jahren zu Gesamtinvestitionen in Höhe von mehr als 15 Milliarden Euro freiwillig zu verpflichten. Das gibt dem deutschen Produktionsmarkt die dringend benötigte Planungssicherheit und Perspektive. 

Sie wollen eine freiwillige Selbstverpflichtung, die SPD drängt auf ein Gesetz. Sie trauen sich nicht, den Streamern klare Vorhaben zu machen?
Die Streamer wissen ganz genau was erwartet wird. Wir sind uns mit der SPD im Ziel völlig einig, möglichst große Investitionen nach Deutschland zu locken. Ein Gesetz, das Zwangsinvestitionen einfordert, hätte vier Probleme.

Und zwar?
Erstens wäre das ein erheblicher Bürokratieausbau und Kosten für die Sender. Zweitens birgt das Gesetz ein hohes Risiko der Rechtsunsicherheit. Es würde einen massiven Markteingriff bedeuten, gegen den mehrere wichtige Akteure bereits Klage angekündigt haben. Auch die ARD hat jüngst in der Bundestagsanhörung die Rechtsrisiken deutlich formuliert und gewarnt, dass der Staat hier unverhältnismäßig in die grundgesetzlich geschützte Rundfunkfreiheit eingreifen würde. Drittens würde das Gesetz Investitionen in Deutschland nicht absichern, weil das europarechtlich nicht erlaubt ist. Wir würden damit also Netflix & Co. zu Investitionen zwingen, die sie auch in Ungarn oder Spanien erbringen könnten. Viertens würde ein Zwangsinvestitionsgesetz den Handelskonflikt mit den USA deutlich verschärfen. Die amerikanische Regierung hat das bereits deutlich gemacht.    

In anderen europäischen Ländern gibt es längst Gesetze, in Frankreich oder Spanien zum Beispiel.
Ja, einige europäische Länder versuchen das mit sehr unterschiedlichem Erfolg. In der Regel liegen die Zwangsinvestitionssätze zwischen einem und - wie in Spanien - fünf Prozent, in Frankreich hingegen sehr viel höher. Die mit Abstand höchsten Streamerinvestitionen in Europa werden in Großbritannien und Spanien getätigt. Das hat aber gerade nichts mit Zwängen, sondern mit attraktiven Markt- und Förderbedingungen zu tun. 

Und genau die würden sich doch auch mit einer freiwilligen Selbstverpflichtung hierzulande kaum verbessern.
Aber natürlich. Für Deutschland kommen wir mit den nun eingeholten Zusagen allein für den Streaming-Bereich auf eine Summe, die etwa einer gesetzlichen Investitionsquote von 12 Prozent entspricht. Dabei handelt es sich um Mindestsummen, die auch deutlich höher liegen können, insbesondere wenn die Umsätze der Unternehmen steigen. Die darüber hinaus zugesagten Investitionen der Sender ins lineare Programm, die nicht von einer gesetzlichen Verpflichtung betroffen wären, kommen noch hinzu. Der große Vorteil liegt darin, dass das Geld sofort fließen kann. Ein Gesetz würde noch Monate dauern, bis es da ist und wirken kann - und bei den sicheren Klagen auch hohe Investitionsunsicherheit auslösen.

Weimer: "Deutschland kann auf Hollywood-Niveau mitspielen"

Sie nennen ihren Plan „Investitionsbooster“, listen aber in einem entsprechenden Papier vor allem ohnehin zugesagte Mittel von TV-Sendern auf. Was ist also wirklich neu?
Die Investitionen der Sender sind doch nicht von vornherein in Stein gemeißelt. Richtig ist, dass sich die deutschen Produktionsfirmen die letzten Jahrzehnte auf die sicheren Aufträge insbesondere der öffentlich-rechtlichen Sender verlassen konnten. Das bricht nun zunehmend weg. Es ist aber marktwirtschaftlich auch klar, dass private Unternehmen dies in den aktuellen Zeiten nicht einfach kompensieren können. Dass jetzt alle Sender in diesen schwierigen Zeiten sich ausdrücklich zum deutschen Produktionsstandort bekennen und auch klare Investitionssummen für die nächsten fünf Jahre benennen, kann daher kaum überbewertet werden. Ein Gesetz bietet diese Sicherheit nicht – denn gehen die Umsätze runter, würde auch die hieran gekoppelte Investitionsquote sinken. Im Rahmen der Selbstverpflichtung bekennen sich hingegen alle unabhängig von Umsatzschwankungen zu Mindestinvestitionen über einen langen Zeitraum und das ist schon ein starkes Zeichen.   

Eine Idee ist, nach einer Weile zu überprüfen, ob die Streamer sich an ihre Selbstverpflichtung auch wirklich gehalten haben. Wie soll das funktionieren, wenn alles nur freiwillig sein soll?
Das soll ausdrücklich Teil der Selbstverpflichtung sein. Die getätigten Umsätze sollen vertraulich zum Jahresende an die Filmförderungsanstalt gemeldet werden. Hierzu müssen sich die Akteure bereit erklären. Dort werden sie dann nach Investitionsbereiche aufgeschlüsselt, zum Beispiel wie viel Geld in die Produktion unabhängiger Produzentinnen und Produzenten in Deutschland ging, und mit den Selbstverpflichtungen abgeglichen. Dies funktioniert aus derselben Logik heraus wie die Selbstverpflichtung selbst. Wird nicht an einer effektiven und belastbaren Kontrolle mitgewirkt, kippt die Absprache und es kommt das Gesetz. Also: Einfache Spielregeln, die jeder versteht.      

Gegen große Digitalkonzerne wie Google oder Amazon wollen sie hart vorgehen, drohen mit einer Plattformabgabe. Bei den Streamern sind Sie vorsichtiger. Warum?
Im Falle der Plattformen haben wir monopolähnliche Strukturen, die den Wettbewerb bedrohen, auch den der Medienvielfalt. Bei den Streamern gibt es hingegen einen sehr lebhaften Wettbewerb. Dort wollen wir vor allem Investitionen auslösen, bei Google & Co. hingegen stellen sich grundsätzliche ordnungspolitische Fragen. Am Ende geht es hier auch darum, unser Mediensystem als Demokratiegarant zukunftsfest zu machen.  

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

Das Wichtigste aus der Bundespolitik auf einen Blick

Abonnieren Sie unseren kostenlosen Hauptstadt-Newsletter – und lesen Sie die wichtigsten Infos der Woche, von unseren Berliner Politik-Expertinnen und -Experten für Sie ausgewählt!

Schonen Sie aus Rücksicht auf Donald Trump das transatlantische Verhältnis?
Wir folgen in erster Linie unseren nationalen Interessen. Deutschland kann international auf Hollywood-Niveau mitspielen. Wir wollen die schwer leidende deutsche Filmwirtschaft schnell wieder auf die Beine bringen. Dazu ist der Doppelschlag von hoher Förderung und Milliardeninvestitionen ein guter Weg. Auf beiden Seiten des Atlantiks will man wirtschaftlich erfolgreich sein, da braucht es bitte kein erneutes handelspolitisches Armdrücken. 

Geht der Streit mit dem Koalitionspartner jetzt endlos weiter? Oder wann soll der Koalitionsbeschluss stehen?
Es gibt aus dem Parlament einen Kompromissvorschlag. Danach starten wir sofort mit den zugesagten Investitionsverpflichtungen, um den Markt auch sofort in Schwung zu bringen. Zur Mitte der Legislatur machen wir dann eine strenge Evaluierung, ob das wirklich so klappt wie versprochen und die prognostizierten Effekte eingetreten sind. Falls nicht, käme das Gesetz wieder auf die Tagesordnung. Damit würden wir in Stufen vorgehen und beide Parteien könnten ihre Positionen wahren. Ich bin für diesen Kompromiss zu haben und bin in guten Gesprächen mit der SPD. Wir werden gewiss in wenigen Wochen eine Lösung gefunden haben. Insgesamt stehen die Zeichen damit gut, dass wir dem deutschen Filmstandort nach Jahren der Krise einen starken Impuls geben und die vielen hochqualifizierten Arbeitsplätze in Deutschland erhalten können.

PRODUKTE & TIPPS

Kaufkosmos

Mehr zum Thema