Meinung Ein Pflichtjahr für Senioren könnte den Rentenstreit schnell beenden

Alte Familienfotos auf einem Haufen
Alte Familienfotos: Es braucht ein Signal der Solidarität von den Boomern
© Yevgen Timashov / Plainpicture
Die ganze Rentendebatte verläuft aktuell für die ältere Generation, die Boomer, völlig schmerzfrei. Dabei müssten sie den jungen Leuten etwas anbieten.

Noch immer ist der Konflikt in der Koalition über die Haltelinie bei der Rente nicht gelöst. Auch heute Abend wird es im Koalitionsausschuss darum gehen, den jungen Abgeordneten der Union etwas anzubieten, damit sie der verlängerten Haltelinie und damit Mehrkosten von rund 11 bis 15 Milliarden Euro pro Jahr zustimmen.

Dabei geht es nur vordergründig ums Geld. Es geht auch um ein Signal, dass den jungen Generationen nicht nur immer mehr Lasten aufgebürdet werden. Mehr Lohnnebenkosten, mehr Steuern. Und dann auch noch die Wehrpflicht, die gerade zurückkommt.

Ein Pflichtjahr für Rentner wäre solidarisch

Ein soziales Pflichtjahr für Rentner wäre so ein Signal. DIW-Chef Marcel Fratzscher hat das im Sommer vorgeschlagen, viel Haue bezogen – und dann war die Debatte schon wieder vorbei. Zu Unrecht. Wenn jetzt die Boomer in Rente gehen, sollten sie nicht nur auf ihre Lebensleistung verweisen, sondern auch über die finanzielle Zumutung nachdenken, die sie bei den Jüngeren auslösen. Der Generationenvertrag, auf dem das Rentensystem beruht, ist nämlich längst aus dem Gleichgewicht geraten.

In den 1990ern waren es noch vier Arbeitnehmer, die einen Rentner finanzieren mussten. Aktuell sind es drei, Mitte der 2030er Jahre werden es nach den bisherigen Schätzungen nur noch 2,4 sein. Deshalb bringt der Generationenvertrag für die junge Generation besondere Härten mit. Eigentlich sollte sich das System selbst tragen, aber der Staat muss bereits erhebliche Summen zuschießen, aktuell gut 120 Milliarden Euro, bis 2040 schon mehr als 200 Milliarden. Und die Rentenbeiträge in den Lohnnebenkosten werden, wenn alles so bleibt wie geplant, auch weiter steigen. Dazu kommen Geschenke an die Rentner wie die abschlagsfreie Frührente oder jetzt künftig die Aktivrente. (Über die sich die Junge Union komischerweise nicht beklagt.)

Nicht nur die Kosten für Rente, auch für Pflege steigen stark

Und das ist nicht das einzige Kostenrisiko: Auch die Pflegekosten steigen seit Jahren dramatisch. Rund 3000 Euro kostet der Eigenanteil für einen Platz im Pflegeheim. Schon heute schießt der Staat jedem dritten Senior im Altenheim eine Art Grundsicherung dazu, damit das funktioniert. Kein Wunder, dass sich die Jungen fragen, wer das eigentlich alles bezahlen soll.

Es braucht also ein Signal der Solidarität von den Boomern. Nur was könnte das sein? Das Rentenniveau lässt sich nicht beliebig senken. Das wäre auch nicht im Interesse der jungen Generation, die auch irgendwann mal Rentner sind. Nein: Die Boomer müssen länger arbeiten, also bis ins höhere Alter. Es ist unverständlich, dass das Rentenalter ab 2031 nicht weiter steigen soll. Man hätte es längst an die steigende Lebenserwartung koppeln müssen, was ja auch nur gerecht wäre. Die kommende Rentnergeneration ist so rüstig wie keine zuvor.

Pflichtjahr könnte auch dem Schulsystem helfen

Und ja: Die Rentner müssen sich mehr in der Pflege ihrer Generation engagieren. Auch könnten die Boomer wertvolle Beiträge im Bildungssystem leisten. Denn Staatsgelder, die künftig in die Rente gehen, fehlen in den anderen Etats. Schon jetzt mangelt es in den Schulen an den Mitteln, Schülern mit Migrationshintergrund und solchen aus bildungsfernen Schichten eine faire Chance zu ermöglichen. Das ist nicht nur schreiend ungerecht, es mangelt dadurch später auch an den Fachkräften, die unsere Gesellschaft – und das Rentensystem – dringend brauchen.

morgenstern

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Das Pflichtjahr müsste nicht gleich mit einem Zwang beginnen, und es wäre sicher auch kein Vollzeitjob. Es wäre schon hilfreich, wenn ein Prozess in Gang käme, der klärt, wo Rentner mit welchen Fertigkeiten sich überhaupt nützlich einbringen können, der Nachfrage und Angebot zusammenbringt.

Viele Rentner würden sich sicher gerne engagieren, viele tun es ja jetzt schon – ehrenamtlich. Der Einstieg in so eine Pflicht wäre ein Zeichen der Solidarität an die junge Generation. Und es würde helfen, bei der Debatte über die Rentenreform aus den Schützengräben herauszukommen.

Denn der Eindruck drängt sich auf: Der Streit tobt in Wahrheit gar nicht so sehr zwischen den Generationen, sondern eher zwischen denen, die bereit sind, etwas für die Gemeinschaft zu tun, und denen, die vor allem an sich selbst denken.

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