Fragen & Antworten Jung, glatt, radikal: Die nächste Generation der AfD

Jean-Pascal Hohm soll die AfD-Jugend führen
Radikaler Profi: Jean-Pascal Hohm soll die AfD-Jugend führen
© Lilli Förter / DPA
Am Wochenende gründet die AfD ihre Jugendorganisation neu – die alte war ihr zu eigenständig geworden. Wie fügt sich das Manöver in den Machtplan von Alice Weidel?

Natürlich werden die beiden Parteivorsitzenden da sein. Obwohl ihnen kurzfristig das Hotel storniert wurde, reisen Alice Weidel und Tino Chrupalla eigens nach Gießen, um am Samstag die Gründung des neuen Jugendverbandes der AfD zu beaufsichtigen. Und klar: Auch der Rechtsextremist Björn Höcke kommt aus Thüringen vorbei. 

Der neue Verband steht in der Nachfolge der aufgelösten "Jungen Alternative" (JA) – allerdings mit einem wichtigen Unterschied. Er ist kein selbstständiger Verein, sondern wird integraler Teil der Partei. Ähnlich wie bei der Jungen Union der CDU oder den Jungsozialisten der SPD will die AfD so die Kontrolle über ihren Nachwuchs behalten.   

Dies bedeutet aber ausdrücklich nicht, dass die "Generation Deutschland" (GD) – wie der Verband nach jetzigem Stand heißen soll – weniger extrem als die JA sein wird. Eher lässt sich das Gegenteil vermuten. Allerdings hat das neue, sorgfältig kuratierte Führungspersonal verstanden, was seine Aufgabe ist: Der AfD mit an die Macht zu verhelfen – extrem, aber professionell. 

Entsprechend groß ist der Protest, der für das Wochenende in Gießen erwartet wird. Die wichtigsten Fragen und Antworten:

Wer wird die neue Organisation anführen?

Der Vorsitzende gilt ebenso als gesetzt wie fast alle anderen 14 Kandidaten für den Bundesvorstand: Jean-Pascal Hohm, 28, Landtagsabgeordneter im besonders extremen Landesverband Brandenburg. 

Die JA sei in Grabenkämpfen zerrieben worden, sagte er dem stern und RTL/ntv – und habe nie gewusst, ob sie "Partei-Nachwuchsorganisation oder aktivistische Vorfeldorganisation" sein wollte. Der neue Verband hingegen werde seinen "Kernauftrag" erfüllen: "Nachwuchsschmiede für die Mutterpartei sein." Dafür sei ein "enger Austausch" mit der Bundesspitze nötig. Eine Aussage, die Parteichefin Alice Weidel gefallen dürfte.

Gleichzeitig gibt sich Hohm, der Kontakte zur "Identitären Bewegung" und zu anderen rechtsextremen Organisationen hatte, ebenso radikal wie die JA. So plädiert er dafür, den "Bevölkerungsaustausch" zu beenden. Deshalb sei auch "Remigration" nötig: "Es ist ein Versprechen von uns, dass wir alle Menschen, die kein Recht haben, in Deutschland zu leben, wieder außer Landes bringen." 

Warum der Name "Generation Deutschland"?

Diskutiert wurden auch Namen wie "Junge Patrioten", "Patriotische Jugend" oder "Deutschland-Jugend". Doch offenkundig soll vermieden werden, dass die neue Organisation auch nur ansatzweise an die verflossene "Junge Alternative" erinnert. Wichtiger als der Name ist ohnehin, dass der Verband als "rechtlich unselbstständiger Teil" zur AfD gehören wird. Mitglied kann nur sein, wer auch der Partei angehört. Ausnahmen werden nur für Jungpolitiker unter 16 Jahren gemacht.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Für Diskussionen sorgt auch das Verbandslogo. Es kursierten mehrere Entwürfe, die einen Adler in scharfkantigem Design darstellten und teilweise an NS-Ästhetik erinnerten. Die Entscheidung darüber soll erst in Gießen fallen. 

Was sagt die AfD-Spitze?

Alice Weidel gibt sich äußerst zufrieden. Ihr Parteivorstand habe "diesen Prozess initiiert", sagte sie dem stern und RTL/ntv. Es gehe darum, den Nachwuchs zu "reorganisieren, restrukturieren und deutlich besser zu integrieren". Der designierte GN-Chef Hohm habe sich "wunderbar entwickelt". Er sei "inhaltlich sehr stark" und "durchsetzungsstark". 

Für Weidel fügt sich die Gründung der GD in ihre Strategie, die AfD zu professionalisieren und dabei die Macht in der Partei noch stärker auf sich und den Bundesvorstand zu konzentrieren. Der Nachwuchs wird als Kampagnenmaschine bei den Landtagswahlen 2026 und natürlich im Superwahljahr 2029 gebraucht. Darüber hinaus müssen mit der wachsenden Macht immer neue Posten besetzt werden: Abgeordnete, Büromitarbeiter, Kommunalpolitiker – und, sollte die AfD an einer Regierung beteiligt sein oder sie gar alleine stellen, Mitarbeiter in den Ministerien.

Wie groß wird der Protest?

Die Gegendemonstrationen in Gießen dürften die Dimensionen der vergangenen AfD-Bundesparteitage in Essen und Riesa erreichen. Wie damals sind zahlreiche Blockaden geplant. Linksextremistische Gruppen haben zur Gewalt aufgerufen. Nachdem ein Hotel die von der AfD reservierten Zimmer storniert hatte, kündigten weitere Hotels an, aus Sicherheitsgründen überhaupt keine Gäste am Wochenende aufzunehmen. Auch Journalisten wurden Buchungen gekündigt.

Die Polizei plant einen Großeinsatz mit mehreren Tausend Beamten aus 14 Ländern. Hubschrauber, Drohnen, Wasserwerfer und eine Pferdestaffel sollen aufgefahren werden, insgesamt werde eine mittlere vierstellige Zahl an Polizeikräften vor Ort sein. Die Stadt Gießen hat einen Teil des Stadtgebietes für Versammlungen gesperrt. Dagegen war der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) vor Gericht gezogen – und hatte vorerst verloren.

Warum genau wurde die JA aufgelöst?

Das Bundesamt für Verfassungsschutz hatte die JA bereits 2019 als Verdachtsfall geführt und im April 2023 als "gesichert rechtsextrem" eingestuft. Das Verwaltungsgericht Köln bestätigte die Entscheidung im Februar 2024. Zwar stritt die AfD-Führung stets ab, dass sie sich davon beeindrucken ließe. Aber es war offensichtlich, dass sie selbst über einige Aktionen der JA (Eigenwerbung: "Jugend im Widerstand") nicht glücklich war. So sangen JA-Anhänger im September 2024 auf einer "Wahlparty" laut das Lied: "Wir schieben alle ab!" Auch hohe Parteifunktionäre, die den eigenen Nachwuchs bislang immer verteidigt hatten, waren irritiert und gingen auf Distanz. Der Vorfall wurde zum Sinnbild des Bruchs.

Vor allem aber: Die JA hatte sich 2013 als rechtlich eigenständiger Verein gegründet, mit eigener Satzung, eigenem Programm und eigener Mitgliedschaft. Nur etwa die Hälfte der JAler war gleichzeitig Mitglied der AfD. Auch wenn die AfD die JA ab 2015 als ihre offizielle Nachwuchsorganisation anerkannte, hatte die Partei kaum eine Möglichkeit, disziplinierend einzuwirken und die inneren Kämpfe im Verband einzudämmen. Deshalb wurde die JA im Januar 2025 kurz vor der Bundestagswahl trotz zahlreicher Proteste per Parteitagsbeschluss aus der Satzung getilgt. Die Zustimmung der Delegierten in Riesa fiel höher als erwartet aus. Kurz darauf löste die JA sich auf.

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