TikTok-Star Sänger Sombr schockt mit Sex-Anspielungen vor jugendlichen Fans

TikTok-Star Sombr schockt mit Sex-Anspielungen vor jugendlichen Fans
Tiktok-Star Sombr auf den MTV Video Music Awards 2025
© Gilbert Flores / Getty Images
Der Musiker Sombr ist aktuell auf Tour und sorgt mit sexuellen Witzen und Gesten für Kontroversen. Viele ältere Fans sind besorgt, da sein Publikum vor allem aus Minderjährigen besteht.

"Bellt für mich", ruft Sombr ins Mikrofon, und Hunderte Jugendliche gehorchen. Dann flüstert der Musiker leise: "Brave Mädchen und Jungs." Die Menge kreischt. Der 20-Jährige grinst, greift sich an den Schritt und nennt sich "Daddy". Eine Szene, die für die jungen Fans normal scheint, aber auf Tiktok für Gegenwind sorgt.

Erst kam Tiktok, dann die Charts

Sombrs Karriere steht exemplarisch für den Aufstieg eines Gen-Z-Künstlers im digitalen Zeitalter. Bevor der 20-jährige New Yorker sein Debütalbum "I Barely Know Her" veröffentlichte, gingen seine Singles "12:12" und "Undressed" bereits auf Tiktok viral. Auf der Plattform erreicht er innerhalb kurzer Zeit über vier Millionen Abonnenten, indem er regelmäßig Kurzvideos teilt und mit seinen Fans interagiert. In vielen seiner Videos blickt er direkt in die Frontkamera und sagt etwas scheinbar Absurdes: Witze, die für Außenstehende kaum Sinn ergeben, für seine Fans jedoch Teil eines gemeinsamen digitalen Codes sind. Nischige Insider-Anspielungen, die nur jene verstehen, die unzählige Stunden auf Tiktok verbringen. Genau das macht ihn zu einer Figur, die vielen Jugendlichen vertraut wirkt und für Erwachsene zugleich schwer zu entschlüsseln ist.

Wer allerdings nur Sombrs Musik hört, ohne vorher seine sozialen Netzwerke zu sehen, könnte auf eine ganz andere Zielgruppe schließen. Seine Songs handeln von Liebeskummer, Sex und emotionalem Verlangen. Sein Stil deutet auf Reife, hin und sein Auftreten ist ernst: weiße Hemden, schwarze Anzüge, streng inszenierte Fotos. Musikalisch bewegt er sich zwischen Indie-Rock und radiofreundlichen Pop-Melodien.

Wie stark sich Sombrs Musik und sein Auftreten voneinander unterscheiden, sah die Tiktok-Creatorin Megan bei einem seiner Konzerte in Washington D.C. Sie entdeckte ihn über Streamingdienste, mochte seine Musik, kaufte Tickets und ging davon aus, ein Publikum in ihrem Alter zu treffen. Stattdessen stand sie in einer Halle voller euphorischer Teenager. Auf der Bühne erlebte sie einen Künstler, der nicht nur Musik spielte, sondern eine ganze Online-Persona zum Leben erweckte, mit Witzen, die direkt aus Tiktok entsprungen schienen: sexualisiert, voller Insider und Teil einer Jugendkultur, die sie nicht verstand. Immer wieder forderte er das Publikum auf, für ihn zu bellen – ein Trend, der auf Tiktok als Zeichen devoter Zuneigung gilt. Nachdem die Fans gehorcht hatten, lobte er sie und griff sich mehrfach provokant an den Schritt. Später platzierte er sein Mikrofon zwischen den Beinen, um eine eindeutige Geste anzudeuten, und sprach über Oralverkehr. Megan verließ das Konzert vorzeitig und berichtete später in einem neunminütigen Tiktok-Video von ihrer Erfahrung. Darin zeigte sie sich überrascht vom sehr jungen Publikum und irritiert von Sombrs Humor, den sie angesichts der vielen Teenager im Raum als unpassend empfand.

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Gegenwehr mit Folgen

Die Reaktionen ließen nicht lange auf sich warten. Sombr verteidigte sich in einem Tiktok-Video mit dem Argument, er sei selbst erst 20 Jahre alt. Für Megan hätte also klar sein müssen, dass auch sein Publikum entsprechend jung ist. 

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Doch genau dieser Satz löste eine neue Welle der Kritik aus: "Wenn du weißt, dass dein Publikum so jung ist, warum machst du dann sexuelle Witze?" Auf TikTok häuften sich Kommentare und Meinungsbeiträge, in denen Sombr als "problematisch" bezeichnet wurde. Viele Nutzer äußerten Sorgen, ob seine Konzerte für Jugendliche überhaupt sicher seien. Denn Sombr belässt es nicht bei anzüglichen Witzen. Er hat eine wiederkehrende Routine, bei der er junge Fans auf die Bühne holt, sie über ihre vergangene Beziehung ausfragt und sie dazu auffordert, ihre toxischen Ex-Partner anzurufen.

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Es gibt jedoch auch Gegenstimmen. Der Popkultur-Journalist Zachary Hourihane, auch bekannt als "Swiftologist", gab der Debatte eine neue Richtung und betonte: "Sombrs Konzert ist ein sicherer Ort für Jugendliche. Dort erleben sie Euphorie, erste Schwärmereien und Gemeinschaft." Er erinnert an frühere Künstler wie Justin Bieber oder One Direction, die von Erwachsenen belächelt wurden, aber für ihre junge Fangemeinde höchst relevant waren.

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Musikalische Lücke tut sich auf

Doch möglicherweise liegt das eigentliche Problem nicht allein bei Sombr, sondern an der heutigen Popstruktur. Denn seine Musik lässt kaum erkennen, dass es sich um Teenie-Pop handelt. 

Sombr während eines Auftritts auf den MTV Video Music Awards 2025
Sombr während eines Auftritts auf den MTV Video Music Awards 2025
© Arturo Holmes / Getty Images

Anders als früher bei Stars wie Bieber oder One Direction, deren Alben klar auf Jugendliche zielten, scheint heute kaum noch jemand diesen Markt zu bedienen. Plattenfirmen setzen entweder auf kindliche Verspieltheit oder auf ausgewachsene Popstars – der Raum dazwischen bleibt leer.

One Direction in London 2011
One Direction in London 2011
© Fred Duval / Getty Images

Jugendliche, die zu alt für Kindermedien sind, aber noch nicht vom Erwachsenen-Marketing angesprochen werden, greifen dann zu Künstlern wie Sombr, die eine Mischung bieten: erwachsen klingend, aber mit einem Hauch von Jugendlichkeit. Ein ähnliches Beispiel ist Sabrina Carpenter – ehemals Disney-Star, doch heute sind ihre Live-Shows und Songtexte längst sexualisiert. Dennoch stehen häufig Minderjährige in den ersten Reihen ihrer Konzerte, und Eltern wundern sich später über Inhalte, die sie nicht erwartet haben.

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Sexualität ist ein Teil der Popkultur, doch wenn ein Künstler weiß, dass sein Publikum sehr jung ist, trägt er Verantwortung. Denn Jugendliche können Grenzen noch nicht so reflektieren wie Erwachsene. Wenn die Popkultur diese Übergangsphase zwischen Kindheit und Erwachsensein nicht mehr strukturiert bedient, entsteht ein Vakuum. Der Fall Sombr zeigt auf, dass es hierbei nicht um das Verhalten eines einzelnen Künstlers geht, sondern um den Umstand, dass es kaum noch Musik gibt, die explizit für Jugendliche gemacht ist.

Deswegen werden Jugendstars nicht mehr gefördert

Einer der Gründe für fehlende Teen-Stars ist, dass Plattenfirmen junge Künstler nicht mehr gezielt aufbauen können – über Fernsehen, Radio oder Serienformate, mit klarer Zielgruppe und langfristigem Plan. Heute ist das Publikum auf Social Media zersplittert. Plattformen wie Tiktok machen Songs in Sekundenschnelle viral, aber sie fördern keine Musiker, die wachsen dürfen. Viele der jungen Talente, die auf Social Media entdeckt werden, haben nie live gespielt oder im Studio gestanden. Sie werden über Nacht berühmt, aber selten auf eine Karriere vorbereitet. Für Labels ist es günstiger, auf viele kleine virale Phänomene zu setzen, statt auf einen Teen-Star, der Jahre benötigt, um zu reifen.

Hinzu kommt, dass Jugend-Pop als riskant gilt. Teenager wachsen schnell aus Zielgruppen heraus, und Erfolg bei ihnen wird in der Musikbranche als vorübergehender Hype abgewertet. Wenn die Popkultur Jugendlichen heute keine eigenen Räume mehr bietet, suchen sie sich ihre Identifikationsfiguren dort, wo sie sich verstanden fühlen: auf Tiktok.

Ein sicherer Raum für Jugendliche

Die Kontroverse um Sombr macht deutlich, dass wieder ein Markt für Künstler entstehen muss, die sich Jugendlichen verpflichtet fühlen. Denn anders als Popkritiker Zachary Hourihane es beschreibt, ist ein sicheres Umfeld für Teenager nicht eines, in dem ein 20-Jähriger "good girl" oder "good boy" ins Mikro flüstert und sein junges Publikum zum Bellen bringt. Es ist ein Ort, an dem sie ihren Idolen zujubeln, die Lieder mitsingen und eine gute Zeit haben – frei von sexualisierten Gesten oder intimen Anspielungen.

Verwendete Quellen: billboard.com, pitchfork.com

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