Christel ist eine Frau, wie man sie sich fürs Fernsehen wünscht. Die vierfache Mutter, die lange als Sekretärin arbeitete, beschließt mit immerhin 48, ihrem Leben noch einmal eine radikale Wende zu geben: Sie wird Prostituierte - und das aus freien Stücken. Weil sie den Sex liebt und mit den starken Medikamenten, die sie gegen Depressionen nehmen musste, ihre Libido allzu lange unterdrückt hatte. Jetzt geht sie einem erfüllten Berufsleben nach, das sie glücklich macht und für das sie sich nicht verstecken möchte. Dass Saara Aila Waasner die mutige Frau gefunden und zum Auftritt in ihrem Dokumentarfilm "#Link;http://www.royalponyfilm.com/DE/Projekte/Frauenzimmer/;Frauenzimmer - Lust kennt kein Alter#" (2010) überreden konnte, ist ein Glücksfall. Das ZDF wiederholt nun Waasners preisgekrönten Diplomfilm in einer gekürzten Fassung.
Im Freundeskreis hatte Saara Aila Waasner erfahren, dass eine Patentante sich freiwillig zum Schritt in die Prostitution entschlossen hatte - und das mit über 60 Jahren! Sofort wurde die Jungfilmerin hellhörig und begann zu recherchieren, ob es ähnliche Fälle von selbstbestimmter Sexarbeit in Deutschland gibt.
Vom ersten Kontakt bis hin zum Interview vor der Kamera war es ein langer Weg, bei dem die Filmemacherin nach und nach das Vertrauen ihrer "Frauenzimmer" gewinnen musste. Rund 80 Profi-Prostituierte hatte sie angerufen, sich mit 30 deutschlandweit getroffen - drei schafften es in den ursprünglichen Film. Auf den ist man beim koproduzierenden ZDF stolz. Weil er so anders ist als die üblichen reißerischen Privat-TV-Sensationsberichte.
Ein Film übers Älterwerden
In der gekürzten Version, die das Zweite nun zeigt, konzentriert sich das Geschehen auf Christel (59) und die gelernte Rentenberaterin und Hypothekenfinanzierungsexpertin Karolina (64), die heute als Domina arbeitet. Hinter beiden Frauen liegen ganz unterschiedliche Lebensgeschichten. Jede hat sich aus einem anderen Grund für den Beruf der Prostituierten entschieden und finanziert sich damit eine vielleicht überraschend bürgerliche Existenz.
Weil sie mit den Berlinerinnen aus dem Film ganz unverblümt auf Augenhöhe reden wollte, verbot es sich für Saara Aila Waasner von selbst, ihre Gesprächspartner etwa mittels schwarzer Balken im Gesicht unkenntlich zu machen. "Das hätte das Thema in eine kriminelle Richtung gedrängt", sagt sie im Rückblick. "Ich interessiere mich aber nicht für die Sensation." Ihre Produzentin Caroline Daube, die den brisanten Stoff mitentwickelt hatte, pflichtet ihr bei. "Es ist kein Film über Prostituierte", sagt sie, "sondern einer über das Älterwerden. Es geht um Frauen, die '68 verpasst und sich später erst befreit haben".
Auch der neue Dokumentarfilm von Saara Aila Waasner entstand aus ihrem Interesse für ungewöhnliche Biografien: In "Das Kreuz mit der Liebe" (2012) porträtiert sie drei römisch-katholische Priester, die sich zu Liebe und Partnerschaft bekannten und nun ihrer Berufung nicht mehr nachgehen dürfen.