Wer mehr als 20 Jahre lang bei Europas erfolgreichster Fernsehsendung den großen Zampano spielt, lässt sich die Show nicht so einfach stehlen. Und so markierte Thomas Gottschalk, 59, gleich zu Beginn der 183. Ausgabe von "Wetten, dass..?" in Freiburg sein Revier: Die neue Co-Moderatorin Michelle Hunziker stellt er als seine "Junior-Partnerin" vor und würgt ihr als erste Amtshandlung des Abends den Applaus ab. "Nun ist gut, wollen wir die junge Dame nicht gleich zu sehr verwöhnen", meint der Altstar und beantwortet auch die nächste Frage in eigener Regie: Wann baggert er sie zum ersten Mal an? "Geben Sie mir zwei Sekunden", röhrt der Platzhirsch und schmeißt sich der attraktiven Schweizerin schwungvoll an die Brust.
Hunziker zeigte sich von der verabredeten Tatsch-Attacke nicht überrascht. "Ich bin auch sehr physisch und fasse Leute auch an, wenn ich sie mag", returnierte die ehemalige "DSDS"-Moderatorin im kurzen silbernen Designer-Kleidchen. Und das ist natürlich ein ziemlich guter Grund, warum Hunziker nun die Chance auf das Filetstück der ZDF-Samstagabendunterhaltung bekommt. Sie soll den dümpelnden Quoten-Tanker "Wetten, dass..?" wieder auf Kurs bringen. Mit ihren 32 Jahren und der Leichtigkeit eines italienischen Telestars soll sie den Mief des Altherrenwitzes aus einer Show blasen, die gemeinsam mit ihrem Moderator alt geworden ist.
Keine leichte Aufgabe, zumal Gottschalk die angekündigte Arbeitsteilung reichlich eigenwillig interpretiert: Sie kümmert sich um die Wetten, er um den Talk und die Showeinlagen. Hunziker darf die Wettkandidaten bei den Proben begleiten, sie auch noch in den Saal führen, doch dann übernimmt Gottschalk das Kommando. Dass er die Wetten vorher nicht kennt, wie er behauptet, dürften ihm nicht mal fernsehlügenunerfahrene Zuschauer abkaufen. Die Junior-Partnerin degradiert er en passant zum Nummern-Girl: hie und da mal ein paar Kommentare, meist in radebrechendem Deutsch, dazu ein bisschen Bussi Bussi mit den Kandidaten. Sie erinnern sich: Die Dame ist sehr physisch.
Schweißgerüche in Gummistiefeln
Dabei hat Hunzikers Fröhlichkeit durchaus etwas Belebendes: Vor allem wenn sie etwas Spielraum bekommt, wie bei der neu konzipierten Publikumswette, bei der die Moderatoren jeweils als Wettpaten und damit Konkurrenten antreten. Das kleine Scharmützel zwischen Gottschalk und Hunziker, wessen Kandidat die meisten Dosen austrinken und schräg auf einen Tisch stellen konnte, hatte durchaus seinen Charme. Schön war auch das Entsetzen in Hunzikers Gesicht über einen Mann mit lustigem Schnauzbart, der gewettet hatte, vier von 23 getragen Gummistiefelpaaren anhand des Schweißgeruches der richtigen Frau zuordnen zu können. "Ich fall gleich ohnmächtig hier!", radebrechte sie, als der Kandidat eine ordentliche Prise aus dem Stiefel inhalierte. Und war wohl einfach nur froh, sich nicht gleich bei ihrer ersten Ekelwette übergeben zu müssen.
Neben den Showacts mit Nelly Furtado, Tokio Hotel und Whitney Houston war vor allem der Auftritt von Marga Spiegel sehenswert. Die heute 97-Jährige war während der Naziherrschaft von Bauern versteckt worden, nun wurde ihr Schicksal mit Veronica Ferres in der Hauptrolle verfilmt. Die alte Dame wusste mit Stil zu gefallen: "Ich versuche, jedem Menschen etwas Gutes abzugewinnen", meinte sie mit reichlich gequältem Lächeln über Oliver Pocher, der zuvor mit seiner Stand-up-Comedy gnadenlos baden gegangen war. Seine aufwendig herbeigeredeten Minimalpointen über Flugzeugentführungen und seine schwangere Freundin Sandy Meyer-Wölden quittierte das Publikum mit Schweigen.
Lang, langatmiger, Gottschalk
Sprachlos machte ebenfalls der Besuch von Wirtschaftsminister zu Guttenberg, oder "Carl-Theodor", um mit Gottschalk zu sprechen. Nach einer kräftigen Lobhudelei ("ein Politiker mit Glamour") erzählte der Moderator, dass er bereits im Alter von sechs Jahren "zu Füßen" von dessen Großvater auf Schloss Guttenberg gesessen habe und später gemeinsam mit dem Vater des Wirtschaftsministers den bayrischen Verdienstorden bekommen hatte. Gottschalk hatte bereits im Wahlkampf keinen Hehl aus seiner Parteipräferenz gemacht - doch dass er nun die Runde auf dem Sofa - u. a. Bully Herbig und den elfjährigen "Wickie"-Darsteller Jonas Hämmerle - auf den Sieg von zu Guttenberg im Wahlkreis Kulmbach - Gottschalks alte Heimat - anstoßen ließ ("Ich bin stolz auf dich") ist für jemanden, der beim öffentlich-rechtlichen Fernsehen in Lohn und Brot steht, eine grobe Unverschämtheit!
Alles in allem war es eine seltsame Ausgabe von "Wetten, dass..?". Mit drei Stunden viel zu lang und langatmig, obwohl doch nun alles anders werden sollte. Doch was nützen neue Regeln, eine hübsche Co-Moderatorin oder der eigene Youtube-Channel, solange das Format in der Selbstherrlichkeit seines Moderators erstarrt. Gottschalk wird künftig lernen müssen, ein wenig der Aufmerksamkeit abzugeben, soll die Personalie Hunziker zu mehr dienen als zu schnellen PR-Erfolgen in der Boulevardpresse. Immerhin - mit 11,29 Millionen Zuschauer knackte Gottschalk erstmals seit Jahresbeginn die Zehn-Millionen-Marke.