Stell dir vor, es ist GNTM und Heidi langt hin: Wer es sich am Donnerstag um 20.15 Uhr auf der Couch gemütlich gemacht hatte, um sich aus Gewohnheit/Lästerlust/Masochismus den Start der 18. Staffel anzuschauen, musste mehrfach die Augen zusammenkneifen, denn gleich zu Beginn richtet die viel gescholtene Klum das Wort an ihre Kritiker. Die begleiten den Modelwettbewerb seit dem TV-Start 2006, zuletzt waren sie wieder lauter geworden (YouTuber Rezo, Ex-Teilnehmerinnen). Klum konstatiert: "Ich musste mir viel anhören, vor allem im vergangenen Jahr."
Etwa der Vorwurf, dass bei GNTM nur normschöne Bewerberinnen eine Chance hätten. Die 49-Jährige erinnert daran, dass sie selbst früher für ihren Körper kritisiert wurde. Es habe damals nur Einheitsgrößen gegeben für Models: "Wer nicht in eine Größe 34 passte, konnte nachhause gehen – so wie ich viele Male." Alte Fernseh-Interviews werden eingeblendet- Heidi Klum bei Piers Morgan. Heidi Klum bei Alfred Biolek. Im Fokus: Klums weibliche Formen. Zu weiblich für das damalige Ideal. Klum hält die eigene Betroffenheit wie ein Schutzschild hoch gegen die berechtigte Kritik, dass sie junge Frauen mit ihren negativen Kommentaren verletzt: "Ich weiß, wie es ist Negativkommentaren ausgesetzt zu sein", erklärt sie. Doch diese Zeit sei vorbei. Sie nehme "Diversity" ernst. Wirklich.
Klum: "Es werden keine Schuhe angesägt"
Und nein, GNTM sei auch nicht gescripted: "Alles ist echt!" Echt Reality nämlich und da gelten, wie wir spätestens seit dem Auftritt von Gigi Birofio im "Dschungelcamp" wissen, ganz eigene Regeln: Mach alles, nur keine Show! "Alles, was die Models sagen ist einzig und allein ihre Entscheidung", sagt Heidi Klum. GNTM sei schlicht eine "Karriere-Plattform" – wie die Meeedchen sie nutzen oder auch nicht, sei deren Bier. Apropos Flüssigkeiten: Dass vor Modenschauen den Nachwuchs-Models die Füße mit Öl eingerieben worden seien, stimme nicht, genau so wenig wie das Gerücht, dass die Catwalks oder anderes manipuliert würden: "Es werden keine Schuhe angesägt", sagt Heidi Klum und man braucht fast genau so lange wie sie für ihre Rede, nämlich beinahe 15 Minuten, um dieses Bild wieder aus dem Kopf zu kriegen.
Klum verweist auch auf den Jugendschutz, der jede Sendung vor Ausstrahlung sichtet. Es stimme zwar, dass die Kandidatinnen ihre Handys abgeben müssen beim Dreh, aber auch das sei nur sinnvoll: "Sie sollen sich konzentrieren und auch keine Inhalte vorher spoilern." Versöhnlich ruft sie ihren Kritikern zu:"Die Sendung hat sich weiterentwickelt und ich habe mich auch weiterentwickelt." Suchen werde sie aber auch in diesem Jahr wieder nach einem "Model mit dem gewissen Etwas".
GNTM 2023: Das sind die Kandidatinnen der neuen Staffel

Vier fliegen direkt aus GNTM
Unter den insgesamt 29 Kandidatinnen finden sich auf den ersten Blick aber wieder mehr potentielle Reality-TV-Teilnehmerinnen als Topmodels. Allen voran die in Österreich lebende Elsa, die sich auf einer Skala von eins bis zehn "als elf" bezeichnet, lässig zu ihren aufgespritzten Lippen und ihrer Shoppingsucht steht und allein dadurch in Erinnerung bleibt, dass sie kaum Englisch versteht. Wobei: "English for Runways" hat ja auch was. Die Kritik von Gastjurorin Winnie Harlow an ihrem ersten Catwalk in L.A. münzt Elsa kurzerhand als Lobhudelei um: "Sie hat gesagt, dass ich ein Feuer in mir habe und ein Model bin", freut sich die 18-Jährige. Harlow hatte tatsächlich das fehlende Feuer in ihrem Auftritt bemängelt.
Auch auffällig: Katherine aus Flensburg, die in sehr enger Beziehung zu Gott steht: "Ich bete jeden Tag", so die 20-Jährige. Zoey (25) kann man weder damit noch mit der Filmkulisse in L.A. beeindrucken, vor dem Catwalk zeigt sie sich fast zu Tode gelangweilt. Als Einzige ist sie sich darüber klar, dass Mädchen, die stolpern und hinfallen, einen Nachteil haben können. "Das ist dann echt kein guter Walk", erklärt sie ihren positive Durchhalteparolen ausgebenden Kolleginnen. Heidi, Harlow und Designer Peter Dundas ("Geht wie ein Junge! Nicht mit den Hüften wackeln, ich hasse das.") machen nach dem ersten Auftritt schon kurzen Prozess: Vier der 29 Kandidatinnen dürfen nicht in die Model-Villa ziehen. Unter ihnen auch Ana, die einen Popsänger zum Freund hat.
Da bleiben darf Emilia, die 1,94 Meter misst und anscheinend auch ein großes Herz hat: "Ich glaube, Heidi Klum hat eine schöne Seele", flötet die 19-Jährige. Kritikfähigkeit hin oder her, da muss die Modelmama gegensteuern: Sie solle die Schultern doch bitte nicht so hängen lassen, ermahnt die Klum ihr Fangirl mit gewohnt ruppigen Unterton: "Haltung, Haltung, Haltung!" forderte sie – und immer schön an die Einschaltquoten denken.