Warnung: Dieser Text enthält Spoiler für "House of the Dragon", inklusive der vierten Folge. Wer noch nicht alle Folgen gesehen hat und sich lieber überraschen lassen möchte, sollte hier aufhören zu lesen.
Was machte "Game of Thrones" so großartig? Zügellose Sexszenen, bombastische Schlachten und eine epische Geschichte, sagen die einen. Andere Fans schätzen dagegen die gerade in den ersten Staffeln raffinierten Dialoge, großartig gezeichnete Charaktere und völlig überraschende Handlungswendungen, die auch beim zweiten Schauen immer noch überzeugen. Und viele weitere Fans schätzen auch schlicht die sonst eher selten zu sehende Kombination aus beidem. Die Nachfolge-Serie "House of the Dragon" muss es nun allen Arten von Fans Recht machen. Und schaffte es in den ersten Folgen überraschend gut, diesen Spagat zu halten.
Dabei wollten die Macher die Serie durchaus anders angehen. Er plane eher ein shakespearsches Rankenstück als ein neues Helden-Epos, verriet Autor George R.R. Martin vor der Premiere. Und so wirken auch die ersten Folgen. Die meiste Spannung baut sich in Gesprächen weniger Figuren in noch begrenzteren Schauplätzen in und um Königsmund auf. Die unzähligen Handlungsstränge rund um den Globus, die "Game of Thrones" gerade in den letzten Staffeln ausmachten, beginnen sich erst mit der jüngsten Folge so langsam aufzubauen.
Dabei profitiert der Nachfolger auch vom großen Vorbild. Musste "Game of Thrones" uns die Länder um Westeros, ihre Geschichte und die großen Familien noch ausführlich vorstellen, kann die neue Serie dieses Wissen voraussetzen – und sich ganz auf die neuen Vertreter konzentrieren. Das große Bild muss nicht erst neu gezeichnet werden, es ist ja schon im Kopf der Zuschauer verankert.
Nicht in die Soap-Falle getappt
Stattdessen gibt es viel Klatsch,Tratsch und Intrigen am Königshof. Dass die Handlung trotzdem nicht zur Soap Opera verkommt, liegt an den weit überdurchschnittlich gut geschriebenen und auch gespielten Dialogen. Schon nach wenigen Folgen hat man das Gefühl, die zahlreichen und sehr unterschiedlichen Figuren zu kennen – nur, um dann doch von einer neuen, aber nicht weniger glaubwürdigen Seite überrascht zu werden. Hier lässt sich der wieder gewachsene Einfluss Martins in Drehbücher und Produktion deutlich spüren.
Dass auch die Fans der anderen Seite von "Game of Thrones" auf ihre Kosten kommen sollen, wirkt ab und zu aber eher wie ein Fremdkörper. Mit teils extrem brutalen Gewalt- und nicht weniger drastischen Sexszenen geizt auch "House of the Dragon" nicht. Teilweise wirken sie aber etwas unnötiger, als es beim Original der Fall war. Die Gefahr durch den gruseligen Krabbenspeiser und die daraus folgende Schlacht wurde etwa zwei Folgen lang groß aufgebaut, nur um dann durch seinen völlig unspektakulären Tod außerhalb der Zuschauersicht beendet zu werden. Auch manche Sexszene im Hintergrund wäre eigentlich nicht gebraucht worden.
Beides dürfte vor allem einen Zweck haben: Diejenigen Zuschauer an die Serie zu binden, die sich mit einem Ränkespiel um mittelalterliche Prinzessinnen sonst eher nicht vor den Fernseher hätten locken lassen. Und nun wegen der starken Handlung und der tollen Darsteller:innen nun trotzdem dran geblieben sind. Und das durchaus zurecht.

Auf die nächsten fünf!
In den noch kommenden fünf Folgen dieser Staffel dürfte es für diese Fans noch genug Futter geben. Mit dem Ende der jüngsten Folge sind die Grundsteine gelegt, um nun in den bereits in der Hauptserie angedeuteten Konflikt einzusteigen. Und den Krieg um Rhaenyras Thronfolge endgültig anzugehen.
Einen großen Abschied müssen die Fans wohl jetzt schon nehmen: Die beiden großartigen Darstellerinnen der jungen Freundinnen Rhaenyra Targaryen (Milly Alcock) und Alicent von Hohenturm (Emily Carey) haben wir in der fünften Folge vermutlich zum letzten Mal gesehen. Beide spielen laut der Branchen-Datenbank IMDB nur in jeweils fünf Folgen mit. Nach dem nächsten Zeitsprung werden dann Emma D’Arcy und Olivia Cooke die Rollen der in die Konkurrenz getriebenen besten Freundinnen übernehmen. Und den Krieg um den Thron hoffentlich ähnlich würdig weiterführen.