Kühn kuckt - die TV-Kolumne Der dürfte nie vergeh'n

Heute spielt das Erste mal wieder Museum. Käsewürfel auf den Tisch, Weinchen eingeschenkt, Schrankwand auf für "Mainz bleibt Mainz, wie es singt und lacht". Immer gern beschlafen von stern-Redakteur Alexander Kühn.

Die Pressestelle des Bayerischen Fernsehens verschickte in dieser Woche eine Liste der zehn erfolgreichsten Sendungen seit 1991.
Platz eins: Fastnacht in Franken 2006
Platz zwei: Fastnacht in Franken 2007
Platz drei: Fastnacht in Franken 2004
Platz vier: Fastnacht in Franken 2005
Platz sechs: Fastnacht in Franken 2000
Platz sieben: Fastnacht in Franken 2002
Platz acht: Fastnacht in Franken 2001
Platz zehn: Fastnacht in Franken 2003

Wir danken den Franken. Schicken ein kurzes Alaaf nach Köln und Düsseldorf. Die wahre Bastion des televisionären Pappnasentums jedoch ist, helau aber auch, die Hauptstadt von Rheinland-Pfalz. An diesem Freitag präsentiert uns das ehrwürdige ZDF die Gebärmutter aller Luftschlangen, die lustische Fernsehsitzung aus dem bonbonfarbenen Kurfürstlichen Schloss, "Mainz bleibt Mainz wie es singt und lacht". Eine Sendung, die seit gefühlten fünfhundert Jahren das Rahmenprogramm liefert für gemütliche Käsewürfel-Wurstschnittchen-Weinschorle-Abende.

Die Historie geht ja so: Am 17. Januar 1955 war Premiere für die Fernsehfastnacht, damals noch unter dem Titel "Mainz, wie es singt und lacht". Und zwar im Ersten. Das damals noch nicht Erstes hieß, weil es kein Zweites gab. MCV (Mainzer Carneval Verein) und MCC (Mainzer Carneval Club) waren die tragenden Vereine. 1964 zog das ZDF nach, frisch gegründet und immerhin in Mainz ansässig, da musste man doch Flagge zeigen - mit der ebenfalls recht närrischen Sitzung "Mainz bleibt Mainz". Bis 1972, Sie sind jetzt hoffentlich noch im Film, gab es also zwei konkurrierende Sitzungen: "Mainz bleibt Mainz" und "Mainz, wie es singt und lacht". So, wie man das von Prinzenhochzeiten oder Königsbegräbnissen kennt, über die ARD und ZDF in der Vergangenheit gern getrennt voneinander berichteten, man weiß ja sonst nicht wohin mit den Gebühren. Seit 1973, und damit wieder zur Fassenacht, übertragen die beiden öffentlich-rechtlichen Sender die Gemeinschaftssitzung von Mainzer Carneval Verein (MCV), Mainzer Carneval Club (MCC), Karneval-Club Kastel (KCK) und Gonsenheimer Carneval Verein (GCV) im jährlichen Wechsel. Also in einem Jahr das Erste, im folgenden das Zweite. Alles klar?

Senioren mit roten Nasen sitzen vorm Schoppen

Fans neigen ja zur verkürzten Wiedergabe der Titel ihrer Lieblingssendung. "DSDS". Oder "Guze", für "Gute Zeiten, schlechte Zeiten". Der Freund der gepflegten närrischen Stunden sagt: "Am Freitag schauen wir Mainz." Eingeweihte wissen Bescheid. Die Sendung, das ist das Rührende, sieht immer noch aus wie 1955. Nur in Farbe. Ein schöner Beweis dafür, dass Fernsehen früher auch nicht mehr Niveau hatte. Da sitzen ein paar hundert Senioren mit wilden Hütchen und roten Nasen vor ihrem Schoppen. Narhalla-Marsch! Auch Ministerpräsident Kurt Beck mischt sich bei der Gelegenheit gern unters Volk, ebenso Dieter Thomas Heck. Narhalla-Marsch! Der Bote vom Bundestag scherzt politisch, Narhallamarsch. Der Sitzungspräsident fragt, ob mer'n eroilasse solle. Naaaaaarhalla-Marsch! Und dann kommt der Til Eulenspiegel und redet keck daher. Am Ende purzeln Luftballons von der kurfürstlichen Decke, und die Mainzer Hofsänger jubilieren "So ein Tag, so wunderschön wie heute, so ein Tag, der dürfte nie vergeh'n".

Noch wunderschöner ist: Die Mainzer singen und narhallamarschieren stets so ausdauernd, dass man zwischendurch getrost einschlummern darf, und wenn man nach Mitternacht aufwacht, wird immer noch geschunkelt.

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