"Das machst du eigentlich erst am Himmelstor mit dem Heiligen Petrus", sagt Robbie Williams, in Unterhose und Unterhemd in seinem Bett sitzend. In der Netflix-Doku "Robbie Williams" blickt der Superstar in mehreren Folgen auf sein Leben zurück – buchstäblich.
"Robbie Williams": Superstar blickt auf sein Leben zurück
Während Williams an seinem Lieblingsort chillt – seinem Schlafgemach –, wird er mit Stunden an Archivmaterial konfrontiert. Er sieht, wie er mit 16 Jahren Mitglied von Take That wird, wie die Band erste Erfolge feiert und schnell zu einer der größten britischen Boybands aufsteigt. Williams wird noch einmal Zeuge vom Zwist innerhalb der Band, seiner Konkurrenz mit Frontsänger Gary Barlow und seinem letztendlichen Rauswurf beziehungsweise Austritt.
In den Neunzigerjahren gefilmte Sequenzen zeigen den Briten beim Versuch, trotz starker Alkoholabhängigkeit sein erstes Album aufzunehmen. Eine Kamera fängt ein, wie er in die Entzugsklinik bugsiert wird und weiterhin Witze reißt. Auch der spätere kometenhafte Aufstieg des Musikers wird bildlich rekapituliert.
Nahaufnahmen fangen jede Emotion ein
TV-Sendungen über Williams' Leben gibt es wohl unzählige. Was die Netflix-Doku jedoch so besonders macht ist die Art und Weise, wie Williams selbst filmisch eingefangen wird. Nicht nur die Tatsache, dass man es als Zuschauer in sein Bett schafft, erzeugt eine intime Stimmung. In Nahaufnahme sieht man sein Gesicht, seine Mimik, seine Fältchen. Wie sich sein Ausdruck verändert, wenn er die Aufnahmen von früher sieht. Traurigkeit, Bedauern und ganz selten auch Stolz sind dort abzulesen. Das Gesicht, das hier gezeigt wird, erzählt die Geschichte genauso eindeutig wie die einzigartigen Archivaufnahmen, die selbst Hardcore-Fans zu großen Teilen noch nicht kannten.
Ganz ähnlich wurde jüngst auch David Beckham mit seinem Leben konfrontiert. Auch in "Beckham" wird das stilistische Mittel der Nahaufnahme genutzt. Während im Hintergrund die Sounds von legendären Fußballspielen zu hören sind, zeigt die Doku ebenfalls das Gesicht ihres Helden. Ist bei Williams viel Scham und Schmerz zu erkennen, blickt Beckham mit etwas mehr Stolz und Rührung auf die größten aber auch schmerzhaftesten Stunden seiner Karriere zurück. In beiden Fällen sorgt die Kamera für Intimität.
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Anders als die Williams-Doku wirkt "Beckham" etwas produzierter, etwas glatter, mehr gelenkt von der PR-Maschine des Familienclans. Neben den Nahaufnahmen des ehemaligen Sportstars sind Interviews mit ehemaligen Mitspielern und Konkurrenten und auch seiner Ehefrau Victoria ein Teil des Filmes. So bekommt man einen guten Eindruck davon, wie Beckham tickt.
"Möchte ihm in die Augen sehen"
Williams hingegen ist weitgehend allein, wenn er zurückblickt. Es wirkt teilweise beklemmend, Zeuge davon zu sein, wie der Musiker die dunkelsten Stunden seines Lebens noch einmal durchleben muss. An manchen Stellen wünscht man sich ein paar mehr Stimmen und andere Blickwinkel auf das Geschehen, obgleich Williams natürlich in der Lage ist, eine ganze Doku lang alleine zu unterhalten. Er ist und bleibt der geborene Entertainer, doch auch als Comedian hätte er wohl eine erfolgreiche Karriere haben können.
"Wir haben ein erstes Interview geführt und Rob hat ein brillantes Interview gegeben, aber es war ein Interview, das ich schon einmal gehört hatte", erklärt Regisseur Joe Perlman dem Branchenblatt "Variety". "Wir dachten: Da ist noch so viel mehr. Wir haben das Filmmaterial gesehen, wir wissen, dass es das gibt; wie können wir ihn zwingen, zurückzublicken? Wie können wir ihn dazu zwingen, die Situation neu zu bewerten? Und so kamen wir auf die Idee, ihn sein Leben noch einmal erleben zu lassen", sagt Perlman.
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Er wollte kein traditionelles Doku-Format, in dem viele andere Menschen zu Wort kommen und ihre Einschätzung abgeben. "Ich möchte von Rob hören, ich möchte ihm in die Augen sehen, wenn er versucht, mich zu belügen, wenn er versucht, sich aus einer Frage herauszuwinden. Und ohne diese Intensität wird man nie mehr als die Floskeln bekommen", so Perlman.
Intensität zu schaffen ist Perlman ohne Zweifel gelungen. Ganz besonders die Intimität, die dank der Kamera erzeugt wird – sowohl in "Robbie Williams" als auch in "Beckham" – lässt auf mehr Filme dieser Art hoffen. Promis und Archivmaterial gäbe es genug.
Quelle: "Variety"
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