Die lustigste Szene dieses "Tatorts" kommt gleich am Anfang. Während der Vorspann läuft wird der Bildschirm von einer Pobacke bedeckt. Darüber erscheint dann der Schriftzug: Til Schweiger. Und während die Kamera langsam in die Totale geht, sehen wir, wem diese Pobacke gehört: Es ist der von Schweiger gespielte Nick Tschiller, der sich mit der Staatsanwältin Hanna Lennerz (Edita Malovcic) im Bett vergnügt und ihr gerade Handschellen anlegt, als nacheinander seine Ex-Frau Isabella (Stefanie Stappenbeck) und dann seine Tochter hereinplatzen. Tschiller geht aus dem Zimmer, und lässt die angekettete Staatsanwältin zurück.
Mehr gibt's in diesem Film nicht zu lachen. Schon in der nächsten Szene entgeht der Kommissar knapp einem Sprengstoffanschlag. Drahtzieher ist der Clan-Boss Firat Astan, der mit seinem querschnittgelähmten Bruder Ismal im Gefängnis sitzt und an Tschiller Rache üben will. Doch der lässt sich nicht einschüchtern und bläst jetzt erst recht zum Angriff gegen den Astan-Clan. Es geht hier Schlag auf Schlag, ständig fliegt irgendwas in die Luft, wird geballert, gedroht - als Zuschauer kommt man kaum zum Luftholen. Das alles ist in kinoreifer Qualität gefilmt. Mehr kann man von einem Sonntagabendkrimi kaum erwarten.
Blutiger Bandenkrieg
Für seinen Kampf gegen die organisierte Kriminalität holt sich Tschiller den Kollegen Enno Kromer (Ralph Herforth) ins Team, einen verbitterten Drogenfahnder. Kromer ist durch die jahrelange erfolglose Arbeit desillusioniert. Während er mit seiner Familie in einer spärlichen Stadtwohnung hauste, musste er mit ansehen, wie die Drogenbosse immer reicher wurden, immer fettere Immobilien kauften. Jetzt möchte er auch mal ein Stück vom Kuchen abbekommen - und paktiert mit dem Astan-Clan.
Dazu liefert er den in Hamburg mächtigen Bürsüm-Clan ans Messer, dessen Führungsriege nach und nach von den Astans liquidiert wird. So kommen schnell 19 Leichen zusammen. Kromers Motiv: ein bisschen Geld, vor allem aber Rache. Kromer ist voller Hass - und mit Tschiller an seiner Seite scheint er den schwarzen Ritter für seinen Feldzug gefunden zu haben. Über den Dächern Hamburgs predigt der Cop seine Weltsicht: Erst möchte er mit den Kurden aufräumen, mit Russen und dann mit den Albanern. Die Rockergangs will er sich vorknöpfen, natürlich Nazis und schlussendlich müssen die Päderasten ausgerottet werden.
Halbwegs versöhnliche Aussage
Eine der stärksten Szenen dieses Films: Als Zuschauer ist man selbst angewidert vom kriminellen Treiben der Drogen-Clans und kurzzeitig geneigt, Tschiller in seiner Hybris zuzustimmen. Oder ist es gar Schweiger Einstellung? In einem Talkshowauftritt hat der Schauspieler 2011 haarsträubende Einblicke in seine Gedankenwelt gegeben. Zum Glück gibt es noch seinen Kollegen Yalcin Gümer (Fahri Yardim), der wie schon im ersten Teil so etwas wie Schweigers bessere Hälfte verkörpert. Er vertritt den konsequent rechtsstaatlichen Weg der Verbrechensbekämpfung. Und der - so die halbwegs versöhnliche Aussage dieses Films, führt zumindest zu Zwischenergebnissen. Am Ende gibt es ein paar üble Burschen weniger, Tschiller überlebt, steht aber unter Polizeischutz - und seinen Kampf gegen den Astan-Clan wird weitergehen.
Einziger Schwachpunkt dieses rasanten Thrillers sind die Familienszenen. Immer wenn Lenny auftaucht, die von Schweigers Tochter Luna gewohnt talentfrei gespielt wird, sackt die Spannungskurve ab. Das war offenbar der Preis, den der NDR für Schweigers Mitwirken zahlen musste: Wenn der Schauspieler kommt, bringt er seine Familie mit. Darin ist er vielleicht dem Kurden-Clan gar nicht so unähnlich, den er im "Tatort" erbittert bekämpft. Blut, das zeigt auch dieser Film, ist eben doch dicker als Wasser.
Die ARD zeigt diese "Tatort"-Folge am 30.12. um 21.45 Uhr als Wiederholung.