TV-Kritik "Anne Will" Comeback ohne den Hauptdarsteller

  • von Christoph Forsthoff
Ein einziges langes Interview - und schon ist die Republik in Aufruhr, Karl-Theodor zu Guttenberg in aller Munde. Von wegen "Vorerst gescheitert": Der Ex-Minister steht wieder im Blickpunkt, und auch Anne Will spekulierte mit ihren Gästen über die Ambitionen des Freiherrn.

"Allein, dass diese Sendung stattfindet, zeigt, dass das Comeback gelungen ist." Treffender als in diesen Worten von Nobert Bolz hätte keine Antwort lauten können auf die im Titel der Talkrunde formulierte rhetorische Frage - und der Medienwissenschaftler war es denn auch, der an diesem Abend am differenziertesten analysierte und dem Thema und der Sendung weit mehr Perspektiven eröffnete als die Plagiatsfrage zur Doktorarbeit.

"Guttenbergs Comeback - vorerst gescheitert?": Nein, allein die Aufmerksamkeit der Medien für das frisch veröffentlichte Interview-Buch des Freiherrn zeugt von einer erfolgreichen Rückkehr des Ex-Ministers ins Rampenlicht. Während stern-Chefredaktionsmitglied Hans-Ulrich Jörges selbiges allerdings kategorisch verteufelte - "an diesem Buch ist alles falsch" - und damit die Ansicht vieler Kollegen vertrat, widersprach Bolz und bekundete, den Buchtitel "Vorerst gescheitert" sogar "sehr intelligent" zu finden. "Er muss ein Bußritual vorführen", so der Berliner Professor - und führte als Beispiel Ex-Bischöfin Margot Käßmann an, die damit nach ihrer seinerzeitigen Alkoholfahrt "unglaubliche Medienerfolge" gelandet habe. Dass Karl-Theodor zu Guttenberg mit seinem Interview jetzt kein vergleichbar positives Medienecho erzielt habe, läge auch daran, dass "die Sünden der Linken" von den Medien nicht so heftig be- und verurteilt würden wie "die Sünden der Rechten".

Keine Botschaft außer seiner Eitelkeit

Deutliche Medienkritik - dabei waren es doch eben die Medien gewesen, die den Guttenberg-Hype vor zwei Jahren überhaupt erst möglich gemacht hatten, wie Michael Spreng einräumte. "Natürlich verkauft man eine Zeitung mit Guttenberg besser als mit Volker Kauder", stellte der Ex-Chefredakteur der "Bild am Sonntag" fest. "Dieser Guttenberg war unser Werk."

Und auch hier beeindruckte wieder die nüchterne Betrachtung des Wissenschaftlers: Einen Menschen erst "hochschreiben" und dann wieder "runterreißen", das sei typisch für die Medien, stellte Bolz fest - zumal Journalisten natürlich solch eine Fallhöhe wunderbar für Effekte zu nutzen wüssten. Während die Gastgeberin Anne Will sich hier zurückhielt und sich klug auf ihre Moderatorenrolle beschränkte, widersprach Jörges heftig - noch heftiger indes attackierte er den CSU-Politiker als einen Mann, der "völlig den Bodenkontakt verloren" habe, "vollkommen gespalten" sei und "keine Botschaft außer der Eitelkeit" habe.

Stimme des Volkes als vehemente KT-Verteidigerin

Und an diesem Punkt, Chapeau Anne Will, gelang es tatsächlich einmal, die oft zitierte "Stimme des Volkes" in solch eine Diskussion einzubringen - und zwar nicht in Form kleiner Einspielfilmchen, sondern in der Person der Bäckereiverkäuferin Monika Müller aus Guttenbergs Heimatgemeinde. Und die 67-Jährige verteidigte "den KT" mit einer solchen Vehemenz gegen den Plagiatsvorwurf - "Jeder weiß, dass er nicht betrügerische Absichten hat; er hat g'schlampert, hat Tag und Nacht gearbeitet im Schloss: Der ist ein ganz ehrlicher Mensch" - dass selbst ein kritischer Beobachter ins Grübeln kommen konnte. Und wieder war es Bolz, der hier einen intelligenten Weiterdreh fand, als er nämlich die Gedanken von Zeit-Chefredakteur und Guttenberg-Gesprächspartner Giovanni di Lorenzo aufnahm: "Wir müssen unterscheiden zwischen der akademischen Schuld und dem Zoon Politicon Guttenberg, der nach sehr vielen Jahren endlich mal wieder für viele Leute einen positiven Begriff von Politik verkörpert hat."

Fabulieren über neue konservative Partei

Dennoch sieht der 58-Jährige für den gefallenen Politiker keine Zukunft in der CSU: "Es gibt an der Spitze sehr viele Leute, die im Traum nicht daran denken, ihn hochkommen zu lassen" sagte er und warf vielmehr die Frage nach einer Parteineugründung durch Guttenberg auf. Während sich nämlich links der SPD mittlerweile drei neue Parteien gebildet hätten und die CDU sich "sozialdemokratisiert" habe, gäbe es "ein Vakuum im konservativen Bereich". Eine "Lücke im Parteiensystem", die auch Spreng konstatierte: Eine neugegründete konservative Partei mit einer charismatischen Führungspersönlichkeit könne hier 10 bis 15 Prozent der Wählerstimmen auf sich vereinigen, prophezeite der Medien- und Kommunikationsberater.

Aber vielleicht behält ja am Ende doch Michael Glos recht: Der glaubt nämlich nicht nur, dass sein Parteifreund in der CSU bleibt, sondern bekundete auch seine Sympathie für Guttenbergs Kritik an den verkrusteten Strukturen der großen Parteien. Und ansonsten hielt der Ex-Wirtschaftsminister es mit der Bibel: "Im Himmel ist mehr Freude über einen Sünder, der Buße tut, als über 99 Gerechte." Gut möglich, dass dies auch auf Erden gilt.

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