Talk in Berlin "Sondervermögen ist ein Strohfeuer": Die wichtigsten Aussagen aus der STERN STUNDE mit Karl-Theodor zu Guttenberg und Claudia Major

Ex-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg, Sicherheitsexpertin Claudia Major, Chefredakteur Gregor Peter Schmitz
Ex-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (M.) und Sicherheitsexpertin Claudia Major sind in der zweiten Ausgabe der STERN STUNDE bei stern-Chefredakteur Gregor Peter Schmitz zu Gast
© Patrick Junker / stern
Die Welt ist im Umbruch, Kriege und Krisen bestimmen die internationale Politik. Ex-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg und Sicherheitsexpertin Claudia Major diskutieren in der STERN STUNDE darüber, wie Deutschland und Europa mit den Herausforderungen der Zeit umgehen können. Die wichtigsten Aussagen im Überblick.

"Wir sind in einer Phase, wo wir wissen, das Alte ist weg, aber wir wissen noch nicht so richtig, was das Neue ist, was kommt", sagt Claudia Major in der STERN STUNDE, zu der stern-Chefredakteur Gregor Peter Schmitz neben der Sicherheitsexpertin auch Ex-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg nach Berlin eingeladen hat. Mit "Die Welt im Umbruch" ist der Abend überschrieben. Und nach dem Gespräch bleibt die Erkenntnis: Dieser Umbruch hat gerade erst begonnen – und er ist noch lange nicht vorbei. 

Russlands Krieg gegen die Ukraine, der eskalierte Konflikt im Nahen Osten, die Vereinigte Staaten möglicherweise vor einem Trump-Comeback und mittendrin ein Deutschland und ein Europa, die nach ihrer Rolle suchen. Die beiden Gäste erklären, wie sich alte Gewissheiten auflösen – und wie wir uns darauf einstellen können, politisch, gesellschaftlich und auch militärisch. Und doch: Die eine Antwort auf die Fragen der Zeit gibt es nicht. Die wichtigsten Aussagen der beiden Gäste im Überblick:

Das sagen Karl-Theodor zu Guttenberg und Claudia Major über ...

  • ... das Sondervermögen für die Bundeswehr

Eine "Welt im Umbruch" hat auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) attestiert, er sprach nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine von einer "Zeitenwende" – und reagierte mit dem Sondervermögen von 100 Milliarden Euro für die Ertüchtigung der Bundeswehr in der neuen weltpolitischen Lage. Karl-Theodor zu Guttenberg, CSU-Verteidigungsminister von 2009 bis 2011, denkt an seine Amtszeit zurück und sagt: "Verdammt noch mal, die hätte ich gerne gehabt." Sicherheitsexpertin Claudia Major glaubt jedoch nicht, dass der Betrag ausreiche, um die Bundeswehr dauerhaft verteidigungsfähig zu machen. Das Sondervermögen sei ein "Strohfeuer", meint die Forschungsgruppenleiterin für Sicherheitspolitik der Stiftung Wissenschaft und Politik. Wenn die 100 Milliarden Euro ausgegeben seien, "dann fallen wir zurück auf unsere viel zu niedrigen Verteidigungsausgaben. Langfristige, verlässliche Verteidigungsplanung sieht anders aus." 

Zu Guttenberg sieht in der "Zeitenwende"-Rede des Bundeskanzlers vor allem ein Signal an die Gesellschaft. "Ich glauben, wir haben insoweit etwas erreicht, dass eine Sensibilität in unserem Land entstanden ist, dass Sicherheit kein Selbstläufer ist." Dies sei ein großer Unterschied zu seiner Amtszeit, meint Zu Guttenberg. "Auch die Wahrnehmung der Truppe ist eine bessere geworden."

Hier sehen Sie die ganze Sendung mit Claudia Major und Karl-Theodor zu Guttenberg
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"Die Welt im Umbruch": Sehen Sie hier den Talk mit Karl-Theodor zu Guttenberg und Sicherheitsexpertin Claudia Major
  • ... die von Verteidigungsminister Boris Pistorius geforderte "Kriegstüchtigkeit" Deutschlands.

Angesichts der "Welt im Umbruch" forderte Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius jüngst, dass die Bundeswehr "kriegstüchtig" werden müsse. Die Wortwahl ließ bei vielen hierzulande die Alarmglocken schrillen. Claudia Major kann dem Begriff dagegen einiges abgewinnen, macht sie in der STERN STUNDE deutlich. Die Debatte sei "sehr wichtig". "Wenn Deutschland oder ein Nato-Staat angegriffen werden würde, erwarten wir von der Bundeswehr und den Streitkräften der Nato-Partner, dass sie verteidigungsfähig sind. Aber wenn sie sich verteidigen, wären sie in einem Krieg – und dann müssen sie natürlich auch kriegstüchtig sein." Letztlich gehe es darum, "siegfähig" zu sein. Zu Guttenberg macht in der Debatte um den Begriff der "Kriegstüchtigkeit" eine "unsägliche Neigung der semantischen Einlullung in unserem Land aus". "Ich fand das gut, was Pistorius gemacht hat. Ich finde ihn überhaupt einen Glücksfall momentan innerhalb dieser Regierung", lobt er seinen Nachfolger. Pistorius erreiche damit Bevölkerung und Truppe gleichermaßen.

  • ... die weitere Entwicklung im Krieg Russlands gegen die Ukraine.

In dem seit mehr als anderthalb Jahre laufenden Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine sieht Sicherheitsexpertin Major den Aggressor im Vorteil – auch weil der Westen seine einst einheitliche Linie immer mehr verlasse, Putin dagegen sein Land immer mehr auf den Krieg ausrichte. Er stelle den Krieg zunehmend als einen Kampf des Westens gegen Russland dar. Die Zeit spiele Putin in die Karten. "Russland hat bislang völlig klar gemacht, dass sie nicht verhandeln oder Kompromisse wollen, sondern dass sie gewinnen wollen. Die Erwartung, die Russland momentan an Verhandlungen stellt, ist, dass die vier besetzten Gebiete (...) als russisch anerkannt werden." Dies ist nach Ansicht Majors keine seriöse Grundlage für Verhandlungen. Ihr ernüchterndes Fazit: 2024 werde für die Ukraine sowohl politisch als auch militärisch schwierig. "Deswegen muss Russland auch gar nicht verhandeln und kann einfach nur zugucken."

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  • ... eine mögliche Wiederwahl Donald Trumps zum US-Präsidenten.

"Der wichtigste Faktor für das Sicherheitsgefühl der Ukraine und am Ende des Tage auch für uns" seien die USA, stellt Zu Guttenberg fest – und auch dort droht ein "Umbruch", nämlich die Wiederwahl Donald Trumps zum Präsidenten im kommenden Jahr. "Wir sind im Grunde in einer Situation, in der Putin fast abwarten kann." Auf eine zweite Trump-Amtszeit sieht der frühere Verteidigungsminister Deutschland und Europa zurzeit schlecht vorbereitet. Claudia Major glaubt, dass "Trump II viel organisierter anlaufen wird als Trump I". Ein möglicher Machtwechsel in den Vereinigten Staaten werde personell und inhaltlich "viel besser vorbereitet". Sie betont: "Wenn es zu einem Trump II kommen sollte, betrifft es ja nicht nur die Hilfe für die Ukrainer, sondern es betrifft auch die europäische Sicherheit. Denn wir sind ja auch nicht in der Lage, uns selber zu verteidigen. (...) Dafür müssen wir viel besser planen."

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