Manuel Cortez führt offenbar ein eher deprimierendes Leben. Nur so ist diese Szene zu erklären: Manuel trägt einen weißen Anzug und den dazu passenden Hut. Mit einer schnellen Bewegung fasst er sich in den Schritt, dann macht er einige Tanzschritte übers Parkett. Er springt, hüpft, geht – und schließlich verharrt er in einer Pose. Der Tanz ist zu Ende, aber Manuel läuft erst jetzt zu ganz großer Form auf. Er schnauft, schwitzt, schaut mit irren Augen durch die Gegend und keucht dann: "Das war grad einer der unglaublichsten Momente meines Lebens". Schade für ihn, dass er diesen Moment ausgerechnet in der TV-Tanzshow "Let's Dance" erleben muss. Denn nicht nur, dass das traurige Rückschlüsse auf sein restliches Leben zulässt. Dazu wird sein Gefühlsausbruch von RTL noch gnadenlos ausgeschlachtet – schließlich passt er perfekt in die Dramaturgie des Abends.
Es ist Viertelfinale bei "Let's Dance", die siebte Sendung der Staffel, oder anders gesagt: zum siebten Mal das Gleiche. Denn das Problem bei der Show ist ja, dass sich die einzelnen Ausgaben nicht voneinander unterscheiden. Gut, es ist immer ein Z-Promi weniger dabei. Aber da man deren Gesichter vorher ohnehin selten bis nie gesehen hatte, fällt das nicht weiter auf. Zugegeben: Die übrig gebliebenen Kandidaten werden von Woche zu Woche ein wenig besser. Aber ob nun der Arm ganz oder nur fast ganz durchgestreckt ist – das ist für den Laien-Zuschauer eigentlich egal. RTL weiß das. Und greift zum letzten, zum grausamsten, zum schlimmsten aller Mittel: Emotionen! Das klingt erstmal harmlos und nett. Ist es aber nicht. Denn RTL will nicht einfach nur ein paar Gefühle. RTL will das ganz große Drama. Und so wird an diesem Abend an allen Ecken und Enden gefühlt, geschmachtet, geheult. Fast wie bei Rosamunde Pilcher, nur eben mit einer Discokugel an der Decke.
Heulkrampf als Stilmittel
Die ganze Sendung ist auf möglichst viele Heulkrämpfe ausgelegt. Zusätzlich zu einem normalen Tanz müssen die Kandidaten nämlich auch noch einen Freestyle zum Thema "Magic Moment" hinlegen. Also: eine Choreographie, die vom magischsten (= rührseligsten, kitschigsten) Moment ihres Lebens erzählt. Leider haben alle vier Rest-Kandidaten auch wirklich etwas, das sie unbedingt mit der Welt teilen und tänzerisch darstellen müssen. Soap-Star Sila Sahin erinnert sich an schwere Zeiten ohne Geld und in einer kleinen Wohnung. Simone Ballack musste früher kellnern, um über die Runden zu kommen. Manuel Cortez litt unter der Trennung seiner Eltern. Und Ex-"Bachelor" Paul Janke hat Mutter und Vater früh verloren. Alles schlimme Sachen, keine Frage. Aber warum muss man sie in einer Fernsehshow der ganzen Welt mitteilen? Gut, wegen der Quote, weil Druck auf die Tränendrüse und viel Gefühl immer ziehen. Aber hat die Sendung und haben die Kandidaten das wirklich nötig?
Leider ja. Alle machen eifrig mit und verhalten sich genau so, wie RTL es sich nicht schöner wünschen könnte. Manuel Cortez lobt nicht nur mit brüchiger Stimme den besten Moment seines Lebens, sondern bricht auch in Tränen aus. Die anderen heulen zwar nicht, aber schauen sehr ernst und tragen mit dramatischer Stimme ihre bitteren Schicksale vor, unterlegt von trauriger Musik, natürlich. Oft zoomt die Kamera ran, es gibt Zeitlupen und Schwarz-Weiss-Bilder und schluchzende oder wenigstens mitleidende Verwandte im Publikum (außer bei Simone Ballack, sie fliegt später raus). Das sind alles so viel gewollte, forcierte Gefühle, dass es kaum auszuhalten ist.
Beatrice Egli setzt noch einen drauf
Apropos kaum auszuhalten: Um den kitschigen Abend komplett zu machen, tritt die diesjährige DSDS-Gewinnerin Beatrice Egli auf. Das Mädchen lächelt wie festbetoniert und singt einen Schlagertitel, in dem es vor Herz und Schmerz nur so wimmelt. Es ist eher schrecklich als schön. Aber damit reiht sich Beatrices Auftritt ja nahtlos in den Rest der Sendung ein. Denn insgesamt löst das "Let's dance"-Viertelfinale eigentlich nur eins aus: Fremdscham – die dann aber wenigstens mit extra viel Gefühl!