Konfrontation Wenn Hunde sich streiten - wie verhalte ich mich richtig?

Von Jesko Wilke
Wenn Hunde sich streiten - wie verhalte ich mich richtig?
Wenn Hunde in einen Streit geraten, wollen die Besitzer sie oft aus der Situation heraus ziehen. Besonders dann, wenn nur einer der Hunde angeleint ist, kann das gefährlich sein.
© Lordn / iStock / Getty Images
Taucht unvermittelt ein fremder Hund auf, kommt nicht nur der eigene Vierbeiner in Aufregung. Auch wir denken: Was machen, wenn der Fremdling nicht nur spielen, sondern auch raufen will? Zum Glück gibt es ein paar Regeln, wie man sich dann richtig verhält.

Ihr Hund läuft angeleint neben Ihnen durch den Park, da taucht ein fremder Artgenosse auf. Groß, aufdringlich, bedrohlich. Von seinem Besitzer keine Spur. Sie beobachten, wie sich beide Hunde steif machen, wie sich ihr Nackenfell sträubt und beide knurren. Für viele Halter sind solche Begegnungen ein emotionaler Notfall mit entsprechenden Begleiterscheinungen: Stress, Ohnmacht, Angst.

Jetzt bloß keine Panik

Entscheidend ist nicht, wie sich die Hunde jetzt verhalten, sondern was der Mensch in so einer Situation tut, sagt Martin Rütter. Der Hundepsychologe rät dazu, vor allem Ruhe zu bewahren: „In den meisten Fällen laufen solche Begegnungen völlig harmlos ab, vorausgesetzt die Besitzer behalten die Nerven.“ Völlig falsch wäre es, sich schreiend und wild gestikulierend zwischen die Hunde zu stürzen. Dann könnte ein bis dahin völlig harmloses gegenseitiges Abchecken tatsächlich zur handfesten Beißerei ausarten. Rütters Tipp: Den eigenen Hund von der Leine lassen (oder Leine einfach fallen lassen) und sich ein paar Schritte entfernen. „So erreichen Sie zwei Dinge: Zum einen geben Sie Ihrem eigenen Hund die nötige Bewegungsfreiheit, um sich dem fremden Tier gegenüber angemessen zu verhalten. Zum anderen entlasten Sie ihn von der Aufgabe, Sie zu beschützen“, erläutert Rütter.

Mit einem Mal sich selbst überlassen, käme es bei ausreichend sozialisierten Hunden nur in seltenen Fällen zu Beschädigungskämpfen zwischen Kontrahenten. Das passiert eigentlich nur, wenn es um wichtige Ressourcen wie ein läufiges Weibchen oder Futter geht. Viel gefährlicher wird es, wenn beide Hunde angeleint sind.

Bleiben Sie nicht stehen

Wenn man den Ursachen schwerwiegender Beißvorfälle zwischen Vierbeinern auf den Grund geht, so haben die Halter oftmals die Situation bei Begegnungen mit angeleinten Hunden falsch eingeschätzt, meint Martin Rütter. „Es wird einfach zu lange zugeschaut. Wenn beide Hunde sich versteifen, die Nackenhaare aufstellen und der eine dem anderen die Schnauze auf den Rücken drückt, wird es höchste Zeit sich zu entfernen.“ Rütters Tipp: Führen Sie beide Tiere in entgegengesetzte Richtungen auseinander. Tun Sie es ruhig und bestimmt, ohne Hektik, aber ohne zu zögern. Zügig wegzugehen, sagt Martin Rütter, ist auch die richtige Maßnahme, wenn Sie beim Gassigehen von einem frei laufenden Hund verfolgt werden. Er wird noch ein paar Schritte hinterher kommen, früher oder später aber stehen bleiben oder sich entfernen. Natürlich kann man so ein Tier einschüchtern und vertreiben, mit Worten und drohender Körpersprache, jedoch sollte man sich seiner Sache dann hundertprozentig sicher sein. „Das muss so entschieden und eindeutig geschehen, dass der fremde Hund die Intervention wirklich ernst nimmt. Sonst kann das nach hinten losgehen. Wer damit keine Erfahrung hat, sollte das lieber lassen“, warnt Martin Rütter.

Hunden mehr zutrauen

Dr. Dorit Urd Feddersen-Petersen setzt auf eine gute Sozialisation, wenn es um die Konfliktprävention zwischen Vierbeinern geht. „Ein gut sozialisierter Hund weiß sich selbst zu helfen. Durch seine Erfahrungen aus zurückliegenden Hundebegegnungen ist er in der Lage, sich und andere einzuschätzen. Er geht weder verängstigt noch mit übersteigertem Selbstbewusstsein in eine Begegnung. Wenn er dann noch gut erzogen ist und auf seinen Besitzer hört, wenn der ihn abruft, kann gar nichts schief gehen.“ Die Kieler Verhaltensforscherin betrachtet eine solche Interaktion sogar als vertrauensbildende Maßnahme zwischen Mensch und Tier: „Das Abrufen aus einer kritischen Situation ist ja auch eine Entlastung für meinen Hund, denn ich nehme ihm die Entscheidung ab. Er weiß jetzt: Frauchen oder Herrchen hat das im Griff und will, dass ich diese Auseinandersetzung beende. Außerdem interessiert es sich nicht dafür, wie mein Konflikt ausgeht, ob ich gewinne oder verliere.“ Hier käme es natürlich auf eine gute Koordination zwischen den Haltern an, denn idealerweise würde der andere Besitzer seinen Hund im gleichen Moment auch zu sich rufen, erläutert die Verhaltensforscherin. Für den Fall, dass der eigene Hund ängstlich reagiert, wenn ein aufdringlicher Freigänger die Verfolgung aufnimmt, rät Feddersen-Petersen dazu, fest mit dem Fuß aufzustampfen und mit lauter, tiefer Stimme „Aus!“ oder „Schluss!“ zu rufen, um den Fremdling in die Schranken zu weisen.

Aufreiten unterbinden

Aufreiten ist nicht nur sexuell motiviert, sondern passiert auch zwischen Rüden oder Hündinnen, erklärt Martin Rütter. Es handelt sich um eine ritualisierte Dominanzgeste im hündischen Ausdrucksrepertoire. Für ein paar Sekunden sollte man das ruhig zulassen, jedoch nicht länger. Dann besteht nämlich die Gefahr, dass der oder die „Berammelte“ aus Frustaggression zuschnappt und den Aufsitzenden verletzt. Rütters Tipp: Den aufgerittenen Hund anleinen und zügig weggehen.

Trennung einleiten

Und wenn es wider Erwarten doch zur ernsthaften Beißerei kommt? Dann sollte man beherzt zugreifen, allerdings mit Sinn und Verstand. Aber Vorsicht: Einer der häufigsten Anlässe, bei denen Menschen Bissverletzungen erleiden, ist das Trennen raufender Hunde. Die folgende Anleitung ist ausschließlich dann zu empfehlen, wenn auch der Halter des anderen Hundes zu einer koordinierten Aktion bereit ist und beide das hohe Risiko einer Bissverletzung in Kauf nehmen.  

Pfefferspray als Lösung?

Mancher Hundebesitzer führt, griffbereit in seiner Manteltasche versteckt, eine kleine Geheimwaffe mit sich. Was ist von den sogenannten Anti-Hunde-Abwehrsprays zu halten? Martin Rütter hält überhaupt nichts von der chemischen Keule. Zum Einen könne man die Hunde mit diesen Pfeffersprays ernsthaft verletzen, insbesondere wenn das Reizgas in die Augen gelangt. Zum anderen führe das nur zu einem Wettrüsten unter Hundebesitzern. „Wenn Halter nur darauf warten, dass ein unangeleinter Hund auf den eigenen losgeht, damit sie ihre C-Waffe zum Einsatz bringen können – nein danke! Außerdem wissen die meisten Leute gar nicht, wie man damit umgeht, und schädigen womöglich sich und andere.“ Da ist ihm der Trick mit dem Regenschirm schon wesentlich sympathischer: „Wenn Sie direkt vor einem aggressiven Hund einen Automatikschirm aufschießen lassen, erreichen Sie eine wunderbare Abschreckungswirkung ganz ohne Chemie. Sie werden sehen, das beeindruckt die Tiere ganz gewaltig.“

Todesfälle sind selten

„Es gibt keine Statistik darüber, wie häufig es zwischen Vierbeinern zu Konflikten mit tödlichem Ausgang kommt“, beklagt die Kieler Kynologin Feddersen-Petersen. Sie ist jedoch häufig als Gutachterin beauftragt, wenn es in Zivilprozessen um die Folgen von Beißereien geht. Während ihrer langjährigen Praxis vor Gericht hat sie nur von einem einzigen Fall gehört, bei dem ein Hund zu Tode gekommen ist. „Es ging um zwei Rüden, die sich schon über Jahre hinweg, nur durch einen Gartenzaun voneinander getrennt, angegiftet hatten. Eines Tages stand die Pforte offen. Da hat sich der Größere sofort auf den Kleineren gestürzt und kurzen Prozess gemacht. Offenbar hatte sich mit den Jahren eine gewaltige Aggression aufgestaut“. 

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