Glatze vor Gericht Mit Mitte 70 muss Mann keine Perücke tragen

Kurt H. hat seit 32 Jahren weder Wimpern, Brauen, Bart noch Haupthaar. Er braucht eine Perücke - allein schon als Sonnenschutz. Als die Kasse nicht mehr zahlte, zog er vor Gericht. Und war erstaunt.

Kurt H. ist verzweifelt. "Die Leute gucken und sagen: 'Da kommt der mit der Glatze.' Ich verkrafte das nervlich nicht", sagt der 76-Jährige aus Contwig in Rheinland-Pfalz. Seit 32 Jahren leidet er an vollständiger Haarlosigkeit - kein Bart, keine Wimpern, keine Augenbrauen. Bis 2011 hat die Krankenkasse über Jahrzehnte Zuschüsse für seine Perücken gezahlt. "Ich muss eine Perücke tragen, wenn ich rausgehe. Ich kann doch nicht immer Mütze tragen bei Sonne", sagt er. Doch 2011 lehnt die AOK Rheinland-Pfalz seinen Antrag ab. Zu Recht, wie am Mittwoch das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel entschieden hat.

Die Haarlosigkeit habe bei H. keine entstellende Wirkung, begründete der 3. Senat das Urteil. Dass der Betroffene das anders empfinde, sei nicht maßgeblich. Er sei traurig über das Urteil, sagte H. der Deutschen Presse-Agentur. Fotografieren lassen will er sich nicht.

Eine normale Glatze reicht nicht

Ist Glatze nun sexy oder müssen Männer da einfach durch? Geschmacksfrage. Grundsätzlich aber können Männer in bestimmten Fällen eine Perücke von der Krankenkasse bezahlt bekommen. Allerdings muss eine Krankheit vorliegen, und der unbehaarte Kopf muss eine entstellende Wirkung haben, wie das Bundessozialgericht entschied.

Eine "normale" Glatze wie bei vielen älteren Männern reicht da nicht. Und weil bei Männern viel öfter "die Stirn wächst" als bei Frauen, ist eine Glatze auch eher hinzunehmen. Bei Frauen ziehe ein Haarverlust Blicke auf sich und sei, wenn er entstellend wirke, "krankheitswertig", sodass eine Krankenkasse eine Perücke bezahlen könne, urteilten die höchsten deutschen Sozialrichter. Das könne auch für junge Männer gelten. Eine Ungleichbehandlung zwischen Jungen und Alten oder zwischen Männern und Frauen sehen die Bundesrichter darin nicht. Bei Kurt H. bestehe kein Anspruch, auch weil die Perücke nicht der Sicherung des Erfolgs der Krankheitsbehandlung diene.

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Timo Lindemann, DPA

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