"Miss World"-Wahl Ochsentour durch Polen

Geweckt wird um sechs, es folgen Gymnastik-Übungen, dann geht's in Stöckelschuhen übers Warschauer Kopfsteinpflaster. Die Finalistinnen zur "Miss World" sind nicht zum Spaß in Polen, jede will die Krone erobern.

Lächeln, immer nur lächeln - und bloß nie die Choreografie vergessen. Für die 106 Bewerberinnen um den Titel der "Miss World" wird der Endspurt vor dem großen Finale am Samstagabend in Warschau zum Dauerstress. Fernsehzuschauer in rund 200 Ländern weltweit werden live mitverfolgen, welche der Schönheitsköniginnen mit der Krone der Allerschönsten gekürt wird. Deshalb üben die Finalistinnen aus aller Welt seit Tagen, sich von ihrer besten Seite zu zeigen.

Um sechs Uhr sei Wecken angesagt, dann gehe es an die Arbeit und zu den Proben für das große Finale, berichtete die Zeitung "Zycie Warszawy" über das strenge Reglement. Ausflüge in die Umgebung von Warschau wurden gestrichen - die jungen Frauen im Alter von 17 bis 25 Jahren müssen stattdessen für den großen Auftritt im Kulturpalast der polnischen Hauptstadt üben und sich mit Gymnastik fit halten.

Lech Walesa sonnte sich im Glanz der Schönen

Nur für einige repräsentative Termine gibt es Ausgang. Die Schönheiten müssen auf ihren hohen Absätzen mit dem Kopfsteinpflaster der Warschauer Altstadt zurechtkommen und laufen an vielen begeisterten Hobbyfotografen vorbei, die sich den dauerlächelnden Kandidatinnen dann ganz nahe fühlen können. Angesichts des Gedränges nehmen manche allerdings nur eine Parfümwolke wahr.

Über den ausgefallenen Besuch des Geburtsorts von Frédéric Chopin im 50 Kilometer von Warschau entfernten Zelawoza Wola dürften die jungen Frauen nicht allzu traurig sein - schließlich liegt bereits eine dreiwöchige Reise durch Polen hinter ihnen. Zu den Sponsoren des Wettbewerbs gehört das polnische Tourismusamt, das sich von der Anwesenheit der Schönheitsköniginnen einen Werbeeffekt versprach. Der Tross der Schönen zog nach Krakau, in die Hohe Tatra und an die Ostseeküste, wo die jungen Damen bei kühler Witterung froren und sich Ex-Arbeiterheld Lech Walesa im Glanz so konzentrierter Schönheit sonnen konnte.

Das deftig polnische Buffet wurde verschmäht

Im masurischen Jaski begeisterten die Bewerberinnen die Grundschulkinder des Ortes in der Nähe der russischen Grenze, die noch kurz zuvor englische Vokabeln wie "you are so beautiful" gelernt hatten, um die Besucherinnen auch gebührend loben zu können. Das Büfett mit deftigen regionalen Spezialitäten verschmähten die "Miss World"-Kandidatinnen aber. "Die halten alle Diät und haben noch nicht einmal etwas probiert", bedauerte ein Dorfbewohner.

Aber da waren die Schönheiten schon wieder weg, samt der Fahrzeuge, die ihre Schminkutensilien und Kleiderkoffer transportieren, sowie samt der Leibwächter, die die jungen Frauen vor allzu begeisterten Fans schützen sollen. Mitleid erhielten die jungen Frauen, als sie eine Behinderten-Werkstatt besichtigten: Seinen Schützlingen habe der Besuch der "sehr natürlichen" jungen Frauen zwar Freude gemacht, sagte Pater Tadeusz Izakowicz anschließend. Doch ihr Aussehen machte den Behinderten Sorgen: "Sie wollten wissen, warum die Mädchen alle so mager seien und ob ihnen etwas fehle."

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Eva Krafczyk/DPA

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