Alle lieben Hape Kerkeling - und jetzt, wo wir lesen können, was der Mann für eine traumatische Kindheit hatte, mögen wir ihn um so mehr. Warum auch nicht? Kerkeling ist witzig, sympathisch und ein genialer Entertainer. Genauer formuliert müsste es allerdings heißen: Er war ein genialer Entertainer.
Denn, das was ihn einst auszeichnete - das Anarchische, Unerschrockene, Tabu-Brechende - das ist in den letzten Jahren zunehmend in den Hintergrund getreten.
Mit Horst Schlämmer, diesem genialen Proll, hat er noch mal so richtig schön hingelangt, aber seit einigen Jahren gefällt sich Kerkeling in der Rolle des Entertainers ohne jeden ironischen Bruch. Er moderierte die Tanz-Show "Let's Dance", vergurkte die ZDF-History-Reihe "Unterwegs in der Weltgeschichte", sang als Uschi Blum nicht sehr lustige Lieder, sprach den Schneemann Olaf im Disney-Film "Die Eiskönigin" und veröffentliche im Mai die sonderbare, komplett spaßfreie Schlager CD "Ich lasse mir das Singen nicht verbieten". Das will ja auch keiner; es soll jeder nach einer Facon selig werden.
Hape sollte sich auf seine Kerntugenden besinnen
Aber als großer Fan dieses Ausnahmekünstlers darf man daran erinnern, wie großartig der Mann sein kann, wenn er sich auf seine Kerntugenden besinnt. Seine TV-Reihe "Total Normal" gehört zum Besten und Wildesten, was das deutsche Fernsehen bisher zustande gebracht hat: Hape als Königin Beatrix im Schloss Bellevue. Hape stürmte die Bundespressekonferenz ("Wo bleibt die Mark?"). Er überfiel die Bambi-Verleihung, drückte jedem Promi eigene Bambis in die Hand und trieb Nina Ruge fast in den Wahnsinn, weil er stänig ihr Interview mit Steven Spielberg störte.
Kerkeling verteilte in Zügen Mitropa-Kaffeemaschinen und -Duschhauben, imitierte Eros Ramazzotti kongenial als Porno Fernet Branca und verfiel auf offener Bühne dem Wahnsinn. Und dann natürlich der Alltime-Höhepunkt: Kerkeling als Tenor Pjotr Stianek, der die frei erfundene, expressionistische Oper "Der Wolf und das Lamm" inmitten eines saturierten und schließlich herrlich verunsicherten Publikums zum Besten gab. Sein ekstatischer Ausruf "Hurz" ist heute die kürzestmöglich Form der Kritik an künstlerischen Darbietungen, die man nicht versteht oder schlichtweg albern findet. Das alles verdanken wir Hape Kerkeling. Der uns aber solche Höhepunkte seit Jahren nicht mehr liefert.
Olli Dittrich macht es besser
Nun könnt man sagen: Auch Hape darf älter werden und sich weiterentwickeln. Man kann nicht immer der junge Wilde bleiben. Mag sein. Aber ein weiterer Top-Komiker zeigt uns, wie man auch in reiferen Jahren ein Großer bleiben kann. Olli Dittrich, acht Jahre älter als Kerkeling, hat mit seinem "Frühstücksfernsehen" im letzten Jahr eine präzise, sehr gelungene Parodie auf das geliefert, was uns allmorgendlich im TV geboten wird.
Dittrich singt keine Schlager oder moderiert keine Tanz-Shows wie Hape Kerkeling, sondern werkelt bereits mit der ihm eigenen Akribie an neuen Projekten. Wie man hört, wird er sich wieder an einem typischen TV-Format abarbeiten. Man darf sich schon jetzt darauf freuen.