Herr Stein, Sie beginnen Ihr Buch mit einer Szene aus "Deutschland sucht den Superstar". Wieso stellen Sie diese Sendung so in den Vordergrund?
Damit Sie weiterlesen.
Es hat also nichts damit zu tun, dass Sie "DSDS" als Höhepunkt Ihrer Karriere betrachten?
Nein. Wie immer im Leben muss man irgendwo einen Anfang finden. Der eigentliche Anfang im Buch ist die Situation beim Schwimmunterricht. Ich wollte gewinnen. Das Gefühl gewinnen zu wollen haben wir dann als Transportmittel für "DSDS" benutzt. Auf diese Weise wollten wir Spannung aufbauen. Außerdem wollten wir damit den Rahmen dessen abgreifen, was im Buch passiert.
Sie beschreiben in Ihrem Buch "Gesagt, getan" die Karrieren vieler Stars, die Sie auf den Weg gebracht haben. Was war das für ein Gefühl, als Sie auf einmal selbst im Rampenlicht standen und von einem Tag auf den anderen berühmt waren?
Es ist ein Unterschied zu wissen, was passieren kann, als zu spüren, was wirklich passiert. Plötzlich kommen Menschen auf einen zu und wollen Musik machen, Mädchen kommen aus einem Coffeshop gesprungen und fangen an zu singen, Leute winken Ihnen zu. Teilweise gibt es natürlich auch andere Reaktionen. Zum Beispiel auf dem Oktoberfest: Da waren Leute der Meinung, dass Daniel Küblböck nicht weiterkommen darf. Da musste ich durch die Küche flüchten, weil sie mich verprügeln wollten.
Sie schreiben, dass gerade durch "DSDS" junge Künstler in eine Schublade gesteckt werden, aus der sie später nur schwer wieder herauskommen. Ist es nicht problematisch mit einem Format auf den Markt zu gehen, bei dem Künstler ihre Individualität nicht ausleben können?
Sie brauchen sich ja nicht zu bewerben. Wenn sich jemand über sechs Monate hinweg feiern lässt, wählen lässt, andere Leute Geld ausgeben lässt, und dann sagt "Das will ich eigentlich gar nicht machen", dann ist das meiner Meinung nach dem Fan gegenüber sehr unfair. Dass die erste Platte durch die Systematiken der Sendung vorgegeben ist, weiß ich vorher. Wenn mir das nicht passt, darf ich nicht mitmachen. Das muss ich mir vorher überlegen oder ich muss durchhalten.
Nun waren ja die Stars, die "DSDS" hervorgebracht hat, alle relativ kurzlebig.
Es gibt Ausnahmen. Mark Medlock ist heute noch erfolgreich. Der hat genau das gemacht, was ich gesagt habe. Der hat erkannt, wofür er steht und was seine Fans von ihm erwarten. Wenn er irgendwann einen soliden Sockel unter sich hat, dann kann er auch experimentieren. Aber solange die Fans ihm die Treue halten, sollte er seine Linie beibehalten. Mark Medlock ist für mich das beste Beispiel, dass junge Leute auch dauerhaft erfolgreich sein können.
Ist "Dran bleiben" Ihre Devise?
Ja! Nehmen sie Künstler wie "Rosenstolz", wie "Die Toten Hosen", wie "Wir sind Helden", Peter Maffay, Herbert Grönemeyer, Xavier Naidoo - die haben alle fünf, sechs oder zehn Jahre gebraucht, bis sie erfolgreich geworden sind. Warum sollte jemand, nur weil er einmal bei einer Fernsehsendung mitgemacht hat, automatisch dauerhaft Erfolg haben? Das muss erst einmal mit Arbeit unterfüttert werden.
Sie sind ein paar Mal mit Dieter Bohlen aneinander geraten. Wo ist Ihrer Meinung nach die Grenze des guten Geschmacks erreicht?
Ich denke, dass sich unsere Zeit und damit auch unsere Sprache unglaublich verändert haben. Sicherlich sind Grenzen da. Aber ich glaube, dass diese noch lange nicht erreicht worden sind. Mit "Du singst wie ein Dildo" ist mit einem Satz alles gesagt. Ich glaube, dass so eine Sprachform durchaus den heutigen Begebenheiten entspricht. Natürlich gibt es Plattitüden, wo man kurz zusammenzuckt. Aber "DSDS" ist eine Unterhaltungssendung. Die muss spontan sein, die muss schnell sein. Da muss man sich schon etwas einfallen lassen, um prägnant zu sein.
Die Musikindustrie ist in einer schlechten Lage. Was könnte man Ihrer Meinung nach ändern, damit die Erlöse der Musikindustrie wieder steigen?
Wenn die Zeitschriftenverlage endlich begreifen, dass das Netz ihnen die Arbeitsplätze wegnimmt, weil vieles kostenlos im Internet platziert wird, spätestens dann wird man darauf hinweisen müssen, dass kreative Leistung im Netz Geld kosten muss. Dieses Bewusstsein wird sich irgendwann herausbilden, weil jeder versteht, dass geistiges Eigentum nicht umsonst vermarktet werden darf. Da spreche ich für Buchautoren, Journalisten, Musiker und viele andere. Es wird einen Aufschrei geben und der wird dazu führen, dass Downloads in Zukunft bezahlt werden müssen. Dann hat auch die Musikindustrie wieder eine große Chance.
Sie haben sich und Ihr Privatleben bisher relativ weit aus den Medien zurückgehalten. Wieso treten Sie mit Ihrem Buch auf einmal doch an die Öffentlichkeit?
Es war ja bekannt, dass meine Frau verstorben ist. Danach haben mich viele Leute gefragt, wie ich damit umgegangen bin. Das Buch heißt ja "Gesagt, getan". Ich versuche darin, anderen Leuten zu helfen, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. Vielleicht schaffe ich es, den einen oder anderen dazu zu bringen, bewusster mit schweren Diagnosen umzugehen. Vielleicht schaffe ich es, Menschen bewusster zu machen, dass sie ihre Freunde und Verwandte nicht vernachlässigen sollen.
Wie haben Sie den Tod Ihrer Frau verkraftet?
Ich habe an erster Linie an meine 18 Jahre alte Tochter gedacht, die viel mehr darunter gelitten hat. Das war für mich der eigentliche Grund, zu entscheiden, wie ich mein Leben weiterführen will. Ich bin damals mit meiner Tochter Alana nach Dubai in Urlaub geflogen. Dort haben wir uns noch eine Woche lang gegenseitig betrauert, aber dann gesagt "Nun müssen wir nach vorne schauen, unser Leben in die Hand nehmen und neu anfangen".
Inwiefern hat die Erfahrung mit der Krebserkrankung Ihrer Frau Ihre Einstellung zum Thema Sterbehilfe verändert?
Ich finde, dass man dieses Thema offensiv diskutieren muss. Ich habe festgestellt, dass der Tod eine große Erleichterung sein kann, die auf der Miene des Toten zu erkennen ist. Schwierig ist nur die Frage nach dem Zeitpunkt. Aber wenn wir den Menschen das Recht auf Leben geben, müssen wir ihnen dann nicht auch das Recht auf den Tod geben? Dieser Frage müssen wir uns stellen.
Ihre Frau hat sie auch um Hilfe gebeten. Warum haben Sie ihren Wunsch nicht befolgt?
Aus moralischen Gründen. Sie hätte sich nicht mehr selber auf die Terrasse schieben können. Ich hätte den aktiven Teil begleiten müssen. Und sich den Vorwurf zu machen, man hätte selber dazu beigetragen, darf man nicht auf die leichte Schulter nehmen. Deswegen ist es die Entscheidung des Individuums. Jeder muss die Entscheidung für sich treffen und auch das Steuer allein in der Hand halten. Alles andere ist Beihilfe zum Mord.
Während Ihrer Zeit bei "DSDS" wurde Ihnen die Bezeichnung "Onkel Stein" zugeschrieben. Sogar auf dem Buchrücken taucht diese Bezeichnung auf. Wieso machen Sie sich den Namen so zu Eigen?
Eigentlich haben wir diesen Namen so weit wie möglich zurückgedrängt. Aber er ist real existent und manche Leute können mit dem Begriff mehr anfangen als mit "Thomas Stein". Deshalb hat der Verlag vorgeschlagen, den Begriff ein paar Mal zu verwenden. Ich will auch nicht so tun, als ob ich die Bezeichnung ignorieren würde. Es ist nun einmal passiert, es tut nicht weh.
Haben Sie selbst Angst vorm Sterben?
Das schwankt je nach Stimmungslage. Wenn ich daran denke, wie es meiner Frau zum Schluss ging, dann schon. Wenn ich aber daran denke, dass mein Vater einen Witz erzählt hat und tot umgefallen ist, dann ist das allemal besser als eine Leidensstrecke zu durchleben.