Er war ein fantastischer Fußballer, ein Ausnahmesportler. Als er den goldenen Pokal 1990 in den Händen hielt, lag ihm Deutschland zu Füßen. Für die ganze Generation der Nach-74er war er es, der einen Traum hatte wahr werden lassen. Er hatte als Kapitän die Fußball-Nationalmannschaft zum Weltmeistertitel geführt. Das kurz vor der Wiedervereinigung stehende Deutschland taumelte im Fußballglück. Und selbst als zwei Welt- und drei Europameisterschaften später, im Jahr 2000, nur noch ein Schatten des dann schon 39 Jahre alten Weltklassespielers auf dem Platz stand, überwog die Dankbarkeit. Auch bei denen, die ihn nicht mochten. Fünf Weltmeisterschaften und 150 Spiele im deutschen Trikot hatte er absolviert. Rekord! Doch inzwischen ist aus ihm der Boris Becker des Fußballs geworden.
Lothar Matthäus beherrscht noch immer die Schlagzeilen. Allerdings mehr mit seinem Privatleben als mit beruflichen Erfolgen. Ebenso wie bei Becker war schon früh sehr viel über seine Frauen zu lesen. Schließlich war der fesche Raumausstatter aus Erlangen ein Frauentyp, hatte einen lukrativen Beruf, Geld und Erfolg. Vier Mal stand er vor dem Traualtar. Und je älter er wurde, desto jünger wurden die Damen an seiner Seite. Mit Liliana ist er seit 2009 verheiratet. Die vierte Frau Matthäus, die 26 Jahre jüngere Ukrainerin Liliana, scheint aus der einstigen Lichtgestalt des deutschen Fußballs jetzt einen kompletten Deppen zu machen. Doch in Wahrheit übernimmt er das selbst.
"Hier knutscht Frau Matthäus ihre Ehe kaputt", titelte die "Bild"-Zeitung am Dienstag. Nur einen Tag später meldet sich der "gehörnte Matthäus" im gleichen Blatt zu Wort. "Hier sieht Lothar die Fotos seiner untreuen Ehefrau", lautet die Schlagzeile diesmal. Und der Held von damals, er posiert für die Kameras und lässt sich ablichten, während er die Bilder seiner treulosen Ehefrau durchblättert. Er diktiert dem anwesenden Reporter Sätze wie diesen: "Auf dem Fußballfeld habe ich immer gekämpft. Aber dieses Spiel habe ich verloren." Lothar Matthäus meint damit seine Ehe. Jetzt spielt er mit seiner Ehre.
Warum arbeitet Matthäus an seiner Selbstdemontage mit?
Denn anders als Boris Becker scheint Matthäus keine Grenze zu kennen, wenn es um sein Ansehen und um seine Selbstachtung geht. Würde man es nicht besser wissen, könnte man glatt auf die Idee kommen, die ganze Nummer sei inszeniert. Die hübsche Frau Matthäus räkelt sich auf einer Yacht vor Sardinien mit einem fremden Mann. Gestochen scharfe Bilder tauchen nur wenig später in der "Bild"-Zeitung auf, und Matthäus, der schon immer ein gutes Verhältnis zu Deutschlands größtem Boulevardblatt pflegte, gibt den perfekten, gehörnten Ehemann. Das ist der Stoff, aus dem Sommerloch-Geschichten geschrieben werden. Fortsetzung garantiert!
Aber warum macht er das? Wieso stellt sich ein 49-jähriger Mann vor eine Kamera und vollzieht einen Seelenstriptease? Was treibt ihn dazu, aller Welt vorzuführen, wie es angesichts des vorgetragenen Ehebruchs in ihm aussieht? Vielleicht hat er falsche Berater, die noch immer glauben, jede Schlagzeile sei eine gute Schlagzeile. Vielleicht ist er naiv, denkt, mit dem zelebrierten Eheelend Mitleid zu erzeugen. Vielleicht ist er windigen Reportern auf den Leim gegangen, die ihn zu der ein oder anderen Antwort gedrängt haben. Vielleicht bekommt er Geld dafür oder vielleicht war ihm einfach nur langweilig. Denn die bittere Wahrheit ist: Lothar Matthäus hat derzeit keinen Job.
Lothar aus dem deutschen Fernsehen verbannt
Noch vor wenigen Wochen hatte er fast täglich 80 Millionen Zuschauer. Für den arabischen Sender Al Dschasira kommentierte er während der Fußball-Weltmeisterschaft die Spiele aus Südafrika. Auf die ganz eigene Lothar-Art: mit vielen "Äh's" und seinem fränkisch rollenden "R". Das jedoch bekamen die arabischen Zuschauer zum Glück kaum zu hören: Matthäus sprach auf Deutsch und wurde von einem Dolmetscher übersetzt. Die Erklärung dafür hört sich aus seinem Mund dann so an: "Ja, äh, es ist, äh, so, dass, äh, natürlich, äh, mein Arabisch nicht so weit ist, dass, äh, es für, für eine Kommentatorentätigkeit langt."
Vielleicht sind es solche Sätze, weswegen er aus dem deutschen Fernsehen mittlerweile verbannt wurde. War er bei der EM 2004 noch für das ZDF im Einsatz, scheint den Mainzern heute ein brummiger Oliver Kahn und eine hilflos wirkende Moderatorin allemal lieber zu sein als Besserwisser Matthäus. Ungefragt erklärt der gerne mal, warum die englische Nationalmannschaft unter seiner Leitung nicht gegen Deutschland verloren hätte und warum Ballack gut daran täte, als Kapitän der deutschen Nationalmannschaft zurückzutreten. Hören will das niemand. Und das Traurige daran ist: Die vielen richtigen Dinge, die er über Fußball sagt, gehen in seiner Selbstüberschätzung unter.
Selbst Zweitligavereine winken ab
Wenn er Ballack rät zurückzutreten, weil er aus eigener Erfahrung sagen könne, dass er der Nationalelf viel zu lange angehört habe, blitzt sogar eine Spur Selbsterkenntnis bei Matthäus auf. Doch diese lichten Momente sind selten. Scheinbar ohne nachzudenken, bringt er sich für jeden vakanten Trainerposten in Deutschland ins Gespräch. "Warum fragt mich keiner", ist dann in den Zeitungen zu lesen, oder: "Matthäus steht bereit." Inzwischen winken selbst Zweitligavereine dankend ab. Matthäus bleibt nur das Ausland. Und auch dort klappte es nicht immer, wie es soll: Trauriger Höhepunkt war 2006 sein Engagement beim Clube Atlético Paranaense in Brasilien. Knapp zwei Monate war er dort Trainer und kündigte dann während eines Heimaturlaubs in Deutschland per SMS. Eine Art der Vertragsauflösung, die man bis dato nur von abgehalfterten B-Promis wie Nadja Abdel Farrag kannte.
Die Melange aus Dampfgeplauder und Selbstüberschätzung, sie ist inzwischen zur totalen Würdelosigkeit verkommen. Man sehnt sich nach dem Lothar Matthäus, der Sätze wie "Jetzt nur nicht den Sand in den Kopf stecken" sagt oder von sich in der dritten Person daherredet ("Ein Lothar Matthäus lässt sich von seinem Körper nicht besiegen"). "I look not back, I look in front", hatte er einst in seiner Zeit bei den New York Metrostars gesagt. Doch vielleicht würde es ihm gar nicht schaden, einmal zurückzublicken, aus Fehlern zu lernen und wieder der Lothar Matthäus zu sein, der er mal war: Kein gescheiterter Lebemann, sondern ein Fußballidol.