Schauspielagenten Die Schattenmänner der Stars

  • von Sylvie-Sophie Schindler
Wenn ein Schauspieler mit perfektem Gang über den roten Teppich schwebt, verdankt er diesen Auftritt meist seinem Agenten. Der ersetzt im Extremfall nicht nur die Familie, sondern auch den Friseur, Steuerberater und Psychologen.

Donnernder Applaus, jubelnde Kritiken, hysterischer Presserummel. Manchmal kommt der Erfolg eben doch über Nacht. Doch wer hat schon das Berühmtsein von Kindesbeinen an gelernt? Zu einem Profi gehört nicht nur der perfekte Gang über den roten Teppich und ein glamouröses Kameralächeln, sondern mittlerweile auch die richtige Agentur. Doch welche Agentur ist überhaupt die richtige? Und geht es denn wirklich nicht ohne?

Zum Beispiel Klaus Kelterborn von der Berliner Schauspielagentur Rehling. Die Mappen und Tapes auf seinem Schreibtisch stapeln sich, jede Woche schicken 20 Nachwuchsschauspieler ungefragt ihre Bewerbung. "99 Prozent sind talentfrei", sagt Kelterborn. Ein vergleichsweise mildes Urteil - man denke nur an die schonungslosen Schimpf-Tiraden eines Dieter Bohlen. Kelterborn macht sich lieber selbst auf die Suche, ist regelmäßig Gast an Schauspielschulen und beobachtet ob sich echte Begabungen entwickeln. "Dann greifen wir zu", sagt er.

Der Agent: Friseur, Steuerberater und Psychologe

Um echte Talente muss man sich raufen wie um Schnäppchen beim Sommerschlussverkauf. Das weiß auch Doris Mattes aus München, die in ihrer Agentur Publikumslieblinge wie Christine Neubauer und Michael Fitz unter Vertrag hat. Wer passe und wer nicht, entscheide Mattes "aus dem Bauch heraus". Anfänger bewerben sich mit ihren Unterlagen und sprechen teilweise vor. Neben Talent spiele auch eine Rolle, ob man einen guten Draht zueinander habe. "Wir sind nun mal enge Vertrauenspartner der Schauspieler", sagt Mattes. "Die wollen sich bei uns wie in einer Familie aufgehoben fühlen." Der Berliner Kollege Kelterborn drückt es so aus: "Wir sind Friseur, Steuerberater und Psychologe".

An den Honoraren sind die Agenturen zu maximal 14 Prozent inklusive Mehrwertsteuer beteiligt, in der Regel wird eine Abgabe von 11, 9 Prozent verlangt. Dafür darf der Schauspieler erwarten, dass er regelmäßig Jobs bekommt. Wer keine Gebühren zahlen möchte, muss bei der Zentralen Bühnen- und Filmvermittlung (ZBF) für Rollen vorsprechen. Voraussetzung ist eine abgeschlossene Schauspielausbildung. Die Fachvermittlungseinrichtung der Bundesagentur für Arbeit hat ihre Standorte in sieben großen Städten, unter anderem in Köln und Hamburg. Doch auch hier schaffen es nur 20 Prozent aller Bewerber in die begehrte Kartei. "Viele kommen mit der Vorstellung an, ein bisschen Soap spielen, das kann ich auch", sagt Werner Kleinfeld von der ZBF Berlin. "Aber wir müssen die Leute ja ernsthaft vermitteln können."

Die Agentin schrie: "Du machst, was ich dir sage"

Ist es denn nicht möglich sich auch ohne Agentur durchzuboxen? "Klar, man könnte sich auch alleine durchwurschteln. Inzwischen wüsste ich wie's funktioniert", sagt Newcomerin Rosalie Thomass, die für ihre Rolle in dem Dominik-Graf-Film "Er sollte tot" unter anderem 2007 mit dem Adolf-Grimme-Preis ausgezeichnet wurde. Ihre Agentin Patricia Kastner lernte sie wenige Monate vor ihrem großen Erfolg kennen. "Ich dachte zuerst: Was will ich denn mit einer Agentin", sagt Thomass. Doch ausgerechnet diese Agentin vermittelte ihr das entscheidende Casting. "So habe ich den nötigen Tritt bekommen. Sonst hätte ich mich da nie beworben."

Doch es kann auch anders gehen: Ein 27-jähriger Schauspieler aus Hamburg, der seinen Namen nicht im Internet lesen möchte, wurde von seiner Agentin regelrecht in Rollen gedrängt. "Meine Agentin wollte auf Teufel komm raus an mir verdienen." Ob ihm eine Rolle liegt oder nicht, darauf nahm sie keine Rücksicht. Es herrschte ein aggressiver Ton. Die Agentin schrie: "Du machst, was ich dir sage." Nach eineinhalb Jahren Tortur kündigte er - heute hält er sich als Barkeeper über Wasser. "Zu den guten Castings kommst du nur über Agenten, aber davon habe ich erstmal die Nase voll", sagt er.

Erster Check: No-Names oder bekannte Gesichter?

Wie erkennt man die schwarzen Schafe, die Ausbeuter der Branche? Aufschlussreich ist immer ein Blick in die Kartei der Agenturen. Sind dort bekannte Künstler gelistet? Oder sind es lauter No-Names? Je mehr bekannte Gesichter in einer Agentur sind, desto sicherer kann man sich sein, nicht als Karteileiche zu enden. Andererseits ist die Chance, in einer solchen Agentur unterzukommen, verschwindend gering. Die Agentur Scenario, die unter anderem Veronica Ferres und Hannelore Elsner vertritt, kann sich vor Anfragen kaum retten. Agentin Inga Pudenz sagt: "Immer mehr Schauspieler drängen auf den Markt, gleichzeitig gibt es immer weniger Angebote." Das Fernsehen produziere immer weniger Spielfilme und sende lieber Shows, Ratespiele und Reportagen.

Christiane Höhn, 23 Jahre alt, blondes Haar, zierliche Figur, hat bereits bei einem Casting am Broadway überzeugt. Ein Jahr lang tourte sie in der Musicalproduktion "Grease" durch Deutschland. Jetzt sucht sie eine Agentur, die zu ihr passt. "In Amerika wäre ich ohne Agentur schon längst weg vom Fenster", sagt sie. Auch in Deutschland wachse der Druck: "Ein Agent hebt dein Image enorm". Viele Produzenten würden sofort nach dem Agenten fragen, direkte Vertragsverhandlungen mit dem Schauspieler werden abgelehnt. "So betrachtet hat man gar keine andere Wahl", sagt Christiane Höhn. Andererseits drückt sich die ausgebildete Musicaldarstellerin auch gerne um Honorarverhandlungen. "Ich bin im Aushandeln von Gagen einfach zu unerfahren." Sie lacht. "Das soll ruhig die machen, die Erfahrung damit haben Wir wollen uns ja eigentlich mit unserem Job beschäftigen."

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