Ukraine-Krieg
Excalibur-Granaten, deutsche Panzer und Raumgewinne: stern-Experte erklärt Waffensysteme und Kriegsgeschehen
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Hendrik Holdmann (stern) Die lange von der Ukraine angekündigte Offensive im Süden des Landes bei Cherson hat begonnen. Was genau passiert da? Und ist es überhaupt eine echte Offensive?
Gernot Kramper (stern) Die Ukraine ist in diesem Frontabschnitt an mehreren Abschnitten offensiv geworden. Das heißt, sie sind praktisch aus ihren Positionen herausgekommen und haben die Russen zurückgedrängt. Das ist also offensiv, eine offensive Operation. Die Ukraine nennt es auch eine Offensive. Das ist es in der Tat nicht, wenn man genau ist. Es sind praktisch taktische und regional begrenzte Gegenstöße. Für eine echte Offensive müssten diese Operationen die Kraft haben, die gesamte Front der Russen in dieser Gegend auszuhebeln oder wegzudrücken. Und das haben sie nicht. Es sind regional begrenzte Gegenstücke, die aber zu Geländegewinnen geführt haben. Das heißt, es ist eine Frage der Terminologie. Man kann also offensiv tätig sein. Aber für den Terminus Großoffensive, sage ich jetzt mal, reicht es eben nicht. Dafür sind die eingesetzten Kräfte dann doch zu klein.
Hendrik Holdmann (stern) Wie bewertest du, was da gerade passiert?
Gernot Kramper (stern) Es zeigt ja, dass die Ukraine überhaupt offensiv werden kann. Man hat also, wenn auch in kleinerem Maßstab als vielleicht angekündigt, neue Truppen, frische Truppen aus dem Westen des Landes herangeführt. Es gibt neues Gerät. Es sind die T72-Panzer aus Polen gesichtet worden, es sind Mannschaftstransporter und Schützenpanzer aus dem Westen gesehen worden. Das heißt, man hat immer noch Reserven, die man zumindest zu regional begrenzten Vorstößen hat zusammenziehen können. Das ist ja schon mal so ganz positiv. Das muss man auch klar so sagen, weil das ist ja ein Ermüdungskrieg und derjenige, der das machen kann, kratzt irgendwo diese Truppen noch zusammen und setzt sie in Bewegung. Dazu auch weiterhin sehr positiv für die Ukraine: Es sind ihnen Geländegewinne gelungen, insbesondere in der Gegend um Cherson, obwohl die Russen ja sehr wohl gewusst haben, dass diese Offensive kommen kann. Und dennoch haben sie sie nicht gewissermaßen schon im Ansatz abwürgen können oder stoppen können. Das ist also auch weiter positiv. Positiv könnte man auch sagen: Die Ukrainer sind in die Bewegung gekommen, obwohl sie ja nur sehr begrenzte Luftwaffe einsetzen können. Das heißt aber auch, dass die russische Luftwaffe in diesem Gebiet massiv behindert sein muss, weil das kann sich ja jeder ansehen. Das ist also etwas anders als im Donbass. Im Donbass ist das eine Gegend die ist so ein bisschen hügelig, aber vor allen Dingen ist die absolut zersiedelt. Das ist so wie bei uns das Ruhrgebiet, städtebaulich ganz schrecklich. Aber überall sind so kleine Siedlungen und Gebäude und auch schwere Fabriken, während hier diese Gegend ist eher, das ist eher eine Steppe, das ist von Senken, das ist sehr flach. Da gibt es natürlich auch Dörfer oder Städtchen und es gibt auch Wälder. Aber im Großen und Ganzen ist das offenes Gelände und ein offenes Gelände offensiv zu werden ohne eigene Luftwaffe, ist eigentlich nicht möglich. Aber wenn die russische Luftwaffe sehr stark behindert wird, ist es offenbar doch möglich gewesen. Das war jetzt der positive Teil. Man muss aber auch sagen: Die Ukrainer sind nur an ein oder zwei Stellen tiefer ins russische Gebiet eingedrungen. An anderen Stellen sind sie deutlich gestoppt worden und zum Teil auch wieder zurückgedrängt worden. Und in diesen beiden tieferen Stellen sieht es zumindest im Moment nicht so aus, als würden sie den Vorstoß wirklich ausnutzen können. Also man kann sich jetzt daran berauschen, dass sie da praktisch mit Ihren Truppen wie mit einem Finger in die russische Front reingedrückt haben. Aber es sind bis jetzt keine echten Kesselbildungen gelungen. Wobei man auch sagen muss, bei der ganzen Begrenztheit dieser Operation sind die Kessel dann eben auch entsprechend klein, da Kessel man dann 400 Soldaten ein. Das ist jetzt nicht Stalingrad 3.0 oder so etwas. Das ist Ihnen nicht gelungen. Und Sie stecken da fest. Jetzt muss man sehen: Gelingt es Ihnen, diese Offensive weiter zu nähren? Und wenn Ihnen das nicht gelingt, dann wird es den Russen gelingen, sie wieder zurückzudrängen. Das ist aber im Moment durchaus offen.
Hendrik Holdmann (stern) Etwas überraschend gibt es jetzt Berichte, dass die Ukraine eine weitere Offensive oder Offensiv-Aktionen gestartet hat – und zwar im Norden. In Balaklija bei Charkow sollen ukrainische Truppen schnelle Geländegewinne verzeichnen. Auf Twitter spricht zum Beispiel der Militärexperte Neil Hauer vom größten Durchbruch seit der ersten Kriegswochen. Was ist darüber bekannt?
Gernot Kramper (stern) Also da kann man Hauer recht geben. Aber der Mann ist natürlich immer sehr euphorisch, was die Ukraine angeht. Es ist in der Tat so, dass die Truppen ungefähr 20 Kilometer weit vorgerückt sind. Sie haben eine wichtige Autobahn oder Nationalstraße, wie immer man das jetzt nennen will, unterbrochen, wichtige Versorgungslinien, haben mehrere Städte eingenommen, wobei man aber auch sagen muss, das sind wirklich Städtchen. Also so, das sind keine Großstädte, sondern das sind so Gegenden, die hatten vorher mal 6000 Einwohner. Das ist alles sehr flach, das sind einzelne Häuser. Und dann gibt es eine Schule und Verwaltungsgebäude und vielleicht noch eine Turnhalle und eine Fabrik. Das darf man sich jetzt also nicht wie Essen oder so was vorstellen. Aber immerhin, dass es ihnen gelungen ist, unter 20 Kilometer weit vorgerückt. Und nach meiner Einschätzung ist diese Offensive auch weit geglückter als die im Süden. Im Süden hat die Ukraine meines Dafürhalten massive Verluste auf diesem Vormarsch erlitten und die Russen haben das ganze Internet mit Bildern von zusammengeschossen ukrainischen Soldaten, Konvois und Panzern geflutet. Das hat man vorher so nicht gesehen. Also der Gewinn im Süden ist auch mit massiven Verlusten erkauft worden. Hier im Norden sind die Ukrainer offenkundig auch russische Truppen der zweiten Reihe, da gibt es dann Spezialeinheiten, aber übersetzt ist ja mit Nationalgarde getroffen, und die haben sie sind auch ausgedünnt, die haben sie nicht aufhalten können und deshalb sind sie da sehr schnell vorangekommen. Das ist eigentlich offenbar auch eine Überraschung für die Russen gewesen. Aber eigentlich ist es erstaunlich, dass es jemand überrascht, weil das ist klassische Lehre, dass Offensiven oder Vorstöße zeitlich versetzt gemacht werden. Also du greifst an einem Punkt A tief im Süden an und lässt dir dabei Zeit und denkt der Gegner: Oh wow, da müssen wir ihn jetzt stoppen, schiebt da mehr Reserven hin und versucht da, das zu stoppen. Und der eigentliche Stoß findet dann ganz woanders statt, jetzt hier im Norden, und der dann entblößt ist. Das sind aber ehrlich gesagt so Tricks, die gab es schon immer im ersten und zweiten Weltkrieg auch. Also die dürfte auch jeder russische Stabsoffizier im Stabsoffizier für Dummies Handbuch wirklich so nachlesen können. Ist also ein bisschen überraschend, aber offenbar muss es den Ukrainern ja gelungen sein, die Bereitstellung an Truppen vor den Russen geheim zu halten. Wobei man sagen muss, es ist dadurch, dass die Menge an Truppen, die eingesetzt wird, ja auch wirklich sehr begrenzt ist, eben keine Großoffensive ist, ist das natürlich leichter. Es ist ja nicht so, dass da jetzt eine ganze Panzerarmee zusammenkonzentriert werden. Sondern sowohl im Süden wie auch im Norden sind das so Operationen, die sich auf der Ebene einer verstärkten Brigade, wenn man jetzt mal so NATO Normgrößen nimmt. Die Truppen in den aktuellen Kriegen sind ja immer so, dass die etwas hochtrabende Namen für deutlich kleinere Truppen benutzen. Und auch die ukrainischen Truppen sind ja abgenutzt. Es sind also begrenzte Mengen und Truppen. Es gelang offenbar, das zu verbergen, und sie sind weit vorangekommen. Das ist in der Tat außerordentlich spannende Entwicklung. Aber im Süden und Norden wie auch im Süden gilt natürlich Das sind Anfangserfolge. Damit ein wirklicher Erfolg daraus wird, müssen diese Erfolge vergrößert werden, und man muss in die Tiefe weiter vorgestoßen werden. Und das ist nur möglich, wenn eine Offensive – man sagt: "Die muss genährt werden". Das heißt, nach der ersten Welle muss eine zweite, dann müssen immer neue, frische Truppen nachgeschoben werden, sonst ist das in der Regel eigentlich nicht möglich. Und man kann nur hoffen, dass den Ukrainern das gelingt. Weil wenn ihnen das nicht gelingt, wenn es nicht gelingt, diese Vorstöße zu vertiefen oder oder zu verstärken, wird es den Russen früher oder später gelingen, sie auszuknipsen oder zurückzudrängen. Und dann ist das natürlich alles umsonst gewesen. Also dafür, dass man dann, was weiß ich, drei Wochen irgendwo ein Dorf oder so ein Städtchen erobert hat, dann wieder die ukrainische Fahne weht. Das ist ja für die PR vielleicht ganz nützlich, aber das bringt ja nichts. Diese minimalen Eroberungen bringen für die jeweilige Seite nur etwas, wenn es dauerhaft gelingt, sie zu halten.
Hendrik Holdmann (stern) Die Ukraine-Strategie, darüber haben wir auch schon einige Male gesprochen, vor allem Fluss-Übergänge und Munitionsdepots im Hinterland zu zerstören, scheint Wirkung zu zeigen. Wie könnte Putin darauf reagieren? Wie könnte Moskau jetzt seine Taktik anpassen?
Gernot Kramper (stern) Das ist unglaublich schwierig, weil die Ukraine profitiert davon, dass sie vom Westen oder von den USA, um jetzt mal die Sache beim Namen zu nennen; im Wesentlichen sind es ja die USA, sehr präzise Waffen großer Reichweite haben und Fluss-Übergänge, Brücken und Depots haben auch den Vorteil, dass es ja keine beweglichen Ziele sind, sondern die sind auch Depots im Wesentlichen im statischen Rahmen. Das heißt, die können aufgeklärt werden. Die können mit Satellitenaufnahmen aufgeklärt werden. Da helfen die Amerikaner den Ukrainern ja auch ganz offenkundig. Aber die können natürlich auch durch Partisanen, Sympathisanten oder so etwas weitergeleitet werden. Der Fluss-Übergang ist eben auch noch nächste Woche da und dann können die sehr gezielt in Angriff genommen werden und das unterbricht die Nachschublinien der Russen. Umgekehrt habe ich aber natürlich auch gesagt, in der Ukraine gibt es dummerweise eine Menge Flüsse und die Russen zerstören natürlich die Nachschublinien der Ukraine auch und die haben damit auch zu kämpfen. Aber die Zeiten, dass die Russen praktisch, die Infrastruktur so 20, 30 Kilometer hinter der Front mehr oder minder wie in Friedenszeiten benutzen können, sind eben vorbei und da ist eben schwer darauf zu reagieren. Die Russen werden sicherlich den einen oder anderen Raketenwerfer inzwischen auch zerstört haben. Also da gibt es ja widersprüchliche Meldungen. Das lässt sich auch nicht so überprüfen. Aber die Amerikaner schieben ja kontinuierlich nach. Insofern ist da nicht zu erwarten, dass eine wahnsinnige Wende kommt. Und die Wende könnte kommen durch diese Drohnen-Importe, von denen wir gehört haben.
Hendrik Holdmann (stern) Jetzt gibt es Berichte, dass die USA Excalibur-Granaten liefern möchte. Soweit ich informiert bin, ist das die präziseste Artillerie-Munition, die die NATO zur Verfügung hat. Was bedeutet das für den Krieg?
Gernot Kramper (stern) Also wenn ich das richtig sehe, sind diese Granaten bereits in der Ukraine. Es gibt jedenfalls Bilder, die das zeigen. Man kann diese Bilder ja auch immer doktern, aber im Großen und Ganzen würde ich davon ausgehen, dass sie zumindest in kleinen Teilen schon da sind. Der wesentliche Punkt bei den Excalibur-Granaten ist das, dass sie die Reichweite der Artillerie so ungeheuer steigern. Das heißt eine normale Granate, die fliegt praktisch aus dem Rohr, weil sie von der drei Ladung herausgedrückt wird. Und da ist aus technischen Gründen irgendwann mal Schluss, was man so erreichen kann und oder vernünftigerweise erreichen sollte. Die Excalibur-Granate ist eben eine reichweiten-gesteigerte Granate und man kann sagen, das ist eine Mischung zwischen einer Granate und einer kleinen Rakete. Da die, die jetzt in ihrer Laufbahn ist, hat sie praktisch noch so ein Nachbrenner und deshalb fliegt sie weiter als die Kanone sie raus pusten würde. Man hat also eine sehr viel höhere Reichweite, die nicht so bei 50, 60 Kilometern, dass sie effektiv einsetzbar ist. Und dazu schlägt sie auch noch sehr präzise oder relativ präzise ins Ziel ein. Und da so ein Überfall der Artillerie ja nicht so funktioniert, dass du auf das Ziel nur eine Granate abwirfst, sondern sagen wir mal, das sind vier Haubitzen und die schießen jeweils drei Mal hintereinander, dann fällt das alles auch zugleich runter. Wenn das richtig eingestellt ist, dann sind das zwölf Granaten. Damit ist dann das Ziel schon ziemlich sicher vernichtet. Das heißt, die hat keine Präzision von 20 Zentimetern, wie man sich das manchmal bei James Bond vorstellt. Aber auf dem offenen Feld oder auf für Panzer ist das definitiv eine Bedrohung. Aber der eigentliche Punkt ist nicht die Super-Präzision, sondern dass sie so weit kommen und nicht unpräziser werden. Würde ich mal formulieren. Und 50, 60 Kilometer das ist schon sehr ordentlich.
Hendrik Holdmann (stern) Scholz will weiter keine Leopard-2-Panzer an die Ukraine liefern. Warum eigentlich nicht?
Gernot Kramper (stern) Also es gibt für jeden dieser einzelnen Rüstungsgüter immer eine unglaubliche Menge an Begründungen. Also beim Leopard zwei ist es natürlich, dass die Bundeswehr selber nicht so viele Leopard zwei hat. Wir haben so schlapp 300 Stück und wenn wir davon wirklich Kriegseinsatz fähig sind, das dürften natürlich noch mal deutlich weniger sein. Und dann sind wir hier in den NATO-Verbänden eingebunden. Da tut man sich schwer. Es ist auch nicht so leicht, welche aus dem Bestand schnell aufzurüsten. Aber man muss sagen, dieser Krieg dauert jetzt ja mittlerweile ein halbes Jahr. Und wenn man da früher entschieden hätte, dürfte schon der eine oder andere Panzer fertig sein.Es gibt auch einen Grund, warum man den Leopard eins nicht liefern sollte oder ob der Mader nicht eigentlich eine alte Mühle ist, die vor allen Dingen die, die außer Dienst gestellt worden sind. Aber bei uns gibt es immer nur Gründe, warum man etwas nicht machen kann. Und die Ukraine braucht diese Waffen dringend, und zwar auch Waffen zweiter und dritter güte. Also es ist so, dass Truppen der Ukraine laufen zu Fuß über offene Felder. Und das geht natürlich nur solange gut, solange überhaupt gar kein Gegner da ist. Oder sie benutzen Schulbusse oder was weiß ich Sprinter, irgendwelche Kombis. Und das sind alles Waffen, die von einem Maschinengewehr so durchsiebt worden ist. Wer da den Magen für hat, kann sich das gerne auch auf Twitter gibt es das auch, aber natürlich vor allen Dingen auf anderen Kanälen ansehen. Die Truppen werden da drin einfach so zusammengeschossen und die werden natürlich mit dem alten Mader, der auch sonst auf dem Stand der 70er Jahre ist und nicht super modernisiert worden ist, durchaus besser bedient zum Transport oder mit dem Dingo oder dem Fuchs oder was wir alles haben. Und man müsste meiner Ansicht nach wirklich auch die Reste auskehren, die man irgendwie hat. Die Sachen fahrfähig machen. Und ja klar, der Leopard eins hat zum Beispiel keine echte Panzerung, aber es ist trotzdem immer noch eine fahrbare Kanone und. Es kann ja nicht die Argumentation sein, dass man sagt, ob das was technisch up to date ist, das können wir nicht liefern, und das andere ist uns zu schlecht. Das ist ja überhaupt gar keine Position. Ich denke, wir müssen da deutlich mehr tun, weil dieses Nichtstun führt dazu, dass die Ukraine ungeheuere Verluste hat und dieser Krieg auch endlos weitergeht. Und die Russen sind sich ja im Übrigen auch nicht zu schade, ihren Soldaten lieber Uralt-Gerät zu geben, als ihnen zu sagen: Ach, wir spritzen Schulbusse.
Hendrik Holdmann (stern) Was macht den Leopard-2-Panzer denn so attraktiv auf dem Schlachtfeld?
Gernot Kramper (stern) Der Leopard zwei Panzer gilt als einer der besten Panzer der Welt. So Bums. Der hat auch Probleme. Das hat man ja im Irak gesehen, weil er auch Schwachstellen hat. Die Leopard zwei, die wir zur Verfügung stellen können, haben allesamt kein aktives Schutzsystem, also ein System, was praktisch nicht, das nicht durch Panzerung versucht, eine angreifende Rakete abzuwehren, sondern diese angreifende Rakete im Anflug praktisch irgendwie abzuschießen. Und das haben ganz wenige Panzer in der Bundeswehr und die wir exportieren oder weggeben könnten, hätten das vermutlich auch nicht. Unsere Panzer hätten in der Ukraine ähnliches Problem sehen wie die russischen Panzern. Der Leopard zwei hat das Magazin nicht, hat das Magazin der Munition nicht so wie die Russen-Panzer in einem in einem Karussell unter dem Turm, dass manche Treffer sofort zu Explosionen führen. Aber auch der Leopard zwei hat die Munition nicht in einem extra Schutzraum, von dem die Besatzung wiederum in einer anderen Schutzgrenze getrennt ist. Klar kann man sagen, der Leopard zwei kann ein paar Volltreffer überleben. Vor allen Dingen würde er in aller Regel wahrscheinlich nicht so spektakulär explodieren. Aber man muss sagen, damit die Männer in dem Panzer sterben, ist es nicht nötig, dass der Turm 500 Meter durch die Luft fliegt. Das ist das sieht so ganz gut oder spektakulär aus. Aber diese Treffer führen dazu, dass so ein Einbruch ist, dass in der Tat so eine Art Strahl in dem Panzer ist und da die Temperatur ungeheuer ansteigt und sich alles Mögliche entzündet. Und das ist so oder so fatal, auch wenn der Panzer hinterher vielleicht heiler aussieht als ein T 72. Also im Prinzip ist es aber, muss man klar sagen, die Ukraine hat einfach ja keine Panzer mehr. Die sind ja auch froh, wenn sie die T72 aus Polen bekommen. Und wenn sie die T72 aus Polen gerne nehmen, dann werden sie auch für einen nicht modernisierten Leopard zwei A4 oder fünf oder was wir da noch zusammenkratzen kann, dankbar sein. Also so, man muss im Moment halt sehen, was man hat, weil man die Ukraine nicht darauf vertrösten kann, zu sagen:0 Ah ja, jetzt entwickeln wir hier ganz tolle Sachen und in vier Jahren sind die fertig. Das ist ja alles Quatsch.
Hendrik Holdmann (stern) Wir gehen mit großen Schritten auf den Winter zu. Zunächst der Herbst, dann der Winter. Darüber wird schon viel diskutiert, was der Winter für den Krieg bedeutet. Was ist deine Einschätzung? Wie wird sich der Krieg in den nächsten Wochen und Monaten entwickeln?
Gernot Kramper (stern) Im Moment muss man klar sagen: Da gibt es ganz klar zwei Möglichkeiten. Gelingt es der Ukraine, diese Vorstöße sowohl im Süden, aber vor allem im Norden bei Charkow weiter zu vertiefen und weitere Kräfte zuzuführen und die Russen unter Bedrängnis zu haben. Dann muss man sagen, dann gehen die einigermaßen beruhigt in den Winter. Da muss Putin sich wirklich was einfallen lassen. Der ist nicht am Ende seiner Möglichkeiten. Er könnte ja auch die Mobilmachung erklären, was er bis jetzt ja aus politischen Gründen nicht möchte, aber was er natürlich sofort tun könnte. Aber das wäre eine große Beruhigung. Das heißt für die Invasoren tatsächlich zurückgedrängt werden. Sollte es Kiew aber nicht gelingen, diese Offensiven zu nähern, ist durchaus zu erwarten, dass vor Einbruch des Winters die Ukrainer wieder auf ihre Ausgangsstellung oder gar dahinter zurückgeworfen werden. Das wäre psychologisch natürlich sehr schlecht, weil man dann sagen muss, dass diese Anstrengung verpufft ist. Da kann man dann Propaganda oder PR-Videos drehen, wie man möchte. Wenn die Soldaten an ihren ausgebrannten Wracks wieder die Ausgangsstellung zurück gedrängt werden, wird das eine schwere Niederlage auch für Kiew, wie das andere eine schwere Niederlage für Putin wäre. Umgekehrt halte ich es aber jetzt –um was Positives zu sagen – den Kriegsverlauf im Moment nicht so mehr das ist es wird Russland nicht. Er wird nicht in der Lage sein, den Donbass zu erobern vor Einbruch des Winters. Die Ukrainer halten nach wie vor die letzte Städtekette. Die Russen kommen ja irgendwie voran, aber wirklich unmerklich ist es wirklich ganz, ganz, ganz langsam. Und es ist im Moment nicht zu sehen oder abzusehen, dass sie in der Lage wären, die Donbass Verteidigung oder die letzte Donbass Verteidigung Verteidigung der Ukraine zu durchbrechen. Und das ist ungeheuer wichtig, weil hinter dieser Städte-Linie kommt erst mal nichts. Das wäre sehr schwer für die Ukraine, falls sie da rausgeworfen werden, eine weitere vor den großen Flüssen, um eine weitere Verteidigungslinie aufzubauen. Das heißt, nach dem Fall von Lyssytschasnk und Sewerodonzek hat man ja eigentlich fast erwartet, dass die Russen in diese Linie einbrechen. Das ist ihnen nicht gelungen und im Moment sieht es auch nicht so aus, als würden sie das können, weil sie ja sicherlich vollauf damit beschäftigt sind, die Einbrüche, die die Ukraine gemacht hat, abzudichten und versuchen zurückzudrängen. Und wie schwer ihn das fällt, daran sieht man, wie abgekämpft die Truppen sind. Ich habe ja gesagt, dass es keine Großoffensive ist, in dem Sinne, dass da Armeen bewegt werden, sondern dass das praktisch noch verstärkte Brigaden sind in normaler Zählung. Und aber die Russen haben aber offenbar auch nicht mehr genug Material, um eine verstärkte Brigade mit zwei Divisionen zu kontern oder so etwas, sondern die Einheiten mögen ja heißen, wie sie wollen, aber sie sind offenbar sehr schwach und kann das nicht. Der Krieg kommt wirklich in eine Ermattung.