Krieg in der Ukraine: stern-Militärexperte Gernot Kramper erklärt, wie realistisch die Pläne der Ukraine sind, die russische Schwarzmeerflotte zu versenken. Weiter schätzt er das aktuelle Kriegsgeschehen im Land ein.
Ukraine-Krieg "Es ist kein Badesee": stern-Experte ordnet Pläne zur Versenkung der russischen Schwarzmeerflotte ein

Ukraine: stern-Experte ordnet Pläne zur Versenkung der russischen Schwarzmeerflotte ein
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Gernot Kramper (stern) Das ist der spannendste Moment, den wir von jetzt bis Ende August erwarten dürfen. Und dagegen ist die Frage, ob der Bachmut fällt oder so, doch noch zweitrangig. Aber normalerweise wäre das ja viel klüger, eine Offensive nicht in allen Details anzukündigen und damit der Gegner schon mal zwei, drei Monate Zeit hat, sich wirklich darauf einzustellen. Das ist ja ein sehr gefährliches Spiel mit den Geheimdienstdaten, weil man muss ja auch sagen, der Westen, insbesondere den Amerikanern, gebricht es an Feinden auf diesem Globus nicht. Dieses Spiel kann man ja auch umgekehrt machen.
Hendrik Holdmann (stern) Russlands Außenminister Lawrow hat verkündet, dass man über den Donbass hinaus jetzt auch noch weitere Ziele ins Visier nimmt. Was könnten diese nächsten Ziele sein?
Gernot Kramper (stern) Also zuerst muss man mal sagen, dass das natürlich nichts Neues ist. Die Bescheidung auf dem Donbass ist ja geschehen, nachdem diese Großoffensive um Kiew und Charkow gescheitert sind, man sich auf den Donbass konzentriert hat. Und das war immer klar, dass das ein erster Schritt für Russland ist. Wenn Sie da Erfolg haben, werden Sie versuchen, weitere Gebiete in der Ukraine zu erobern. Genau genommen den kompletten Süden, die Oblasten, von den sie schon Teile haben um Cherson herum und auf Dauer sicherlich auch Odessa als Hauptkriegsziel. Die Äußerung von Lawrow bedeutet jetzt aber ein bisschen etwas Anderes. Das bedeutet, dass die Gebiete, aus denen die Mehrfachfaketenwerfer der USA heraus operieren, verstärkt von den Russen unter Feuer genommen werden. Das heißt, diese Raketenwerfer haben ja eine relativ hohe Reichweite, vielleicht kriegen sie sogar noch Munition mit noch größerer Reichweite. Das heißt, die müssen sich im unmittelbaren Frontgebiet untergestellt, versteckt oder irgendwie verborgen werden, sondern die sind ein ganzes Stück weit weg von der Frontlinie. Und man muss erwarten, das sind primäre Ziele für die Russen und die werden massiv angegriffen. Oder die Russen werden versuchen herauszubekommen, wo diese Raketenwerfer sind, wo sie abends und nachts abgestellt werden. Und das wird nach der Natur der Sache auch zu zivilen Opfern führen, weil diese Raketenwerfer werden ja nicht in der Kaserne, wo dann obendrauf steht: Oh hier geheimes Lager oder so untergestellt, sondern die werden in irgendeinem Lager für Landmaschinen, was man so findet, versteckt. Und weil die sich ununterbrochen bewegen müssen und ununterbrochen versteckt werden müssen, kann ich mir nicht vorstellen, dass das nur in rein militärischen Installationen stattfindet.
Hendrik Holdmann (stern) Die Ukraine hat Gegenoffensiven angekündigt, unter anderem auf die wichtige Stadt Cherson. Welche Taktik steckt dahinter?
Gernot Kramper (stern) Das ist schwierig. Das muss man mit zwei Sachen teilen. Das eine ist ein politischer Moment, und das andere ist ein militärischer Moment. Der politische Moment ist das, dass die Ukraine braucht dringend Erfolge am Boden. Also der Rückzug oder das Zurückdrängen der Russen vor Kiew und Charkow war so ein Erfolg. Bloß im Falle von Charkow stehen die ja schon wieder vor den Vorstädten, das ist ja ein guter Teil des russischen Rückzugs oder des ukrainischen Vormarsches, ist ja bereits wieder verpufft. Also man braucht aus politischen Gründen unbedingt einen Erfolg für die eigenen Truppen, für die eigene Bevölkerung, aber auch für den Westen. Weil die Ukraine wird von uns unterstützt. Wenn sie eine Chance auf Sieg hat. Oder sagen wir mal so: In dem Moment, wo es aussah, als würden die Russen große Schwierigkeiten haben vor Kiew oder Charkow, da kam die Diskussion mit den schweren Waffen auf. Sehr viele Staaten im Westen sind so Hasenfüße. Die wollen sich gerne auf der Gewinnerseite sehen, aber die scheuen das Risiko, wenn sie auf der Verliererstraße sind. Dafür braucht man unbedingt diesen Erfolg. Dafür wird diese Offensive ja auch nonstop beschworen. Also eine Offensive ist ja so eine ganz gute Sache, sag ich mal, aber normalerweise wäre das ja viel klüger, eine Offensive nicht in allen Details anzukündigen und damit der Gegner schon mal zwei, drei Monate Zeit hat, sich wirklich drauf einzustellen. Dieses Reden über diese Offensive hat nur politische Dimensionen. Jetzt kommen wir zum militärischen Teil. Der Punkt ist das, dass die Ukrainer sich vor Cherson an die Stadt herangearbeitet haben, da auch mehrere von diesen Dörflein oder Städtchen erobert haben und sie versuchen, eine Ausgangsposition für einen Angriff auf die Stadt zu erobern. Die haben dort den Vorteil, dass die Russen den Großteil ihres Materials und vor allen Dingen ihrer Männer im Donbass konzentriert haben. Das heißt: Sie sind nicht in der Lage, eine durchgehende Frontlinie, vor allem nicht so tief gestaffelt mit mehreren Linien und Bunkern und alles auch besetzt aufzubauen, sondern das sind einzelne Feuerpunkte. Und dann gibt es zwischendurch auch mal wieder gar nichts. Das ist bei diesem Krieg nicht zu vermeiden, weil die Frontlinie insgesamt ist relativ lang. Also das sind ja nicht nur die Kilometer in der Luftlinie, sondern das sind ja auch Kringel. Das ist also relativ lang. Und dafür reichen die Truppen einfach nicht aus, um da praktisch so einen Verhau wie im Ersten Weltkrieg aufzubauen. Das reicht eben nicht. Und da sehen die Ukrainer offenbar eine Chance. Ihre Strategie wird sein, das ist ehrlich gesagt auch schon angekündigt und man kann das sehen, zu versuchen, die Versorgungslinien der Russen zu behindern, indem sie Brücken zerschießen, indem sie Eisenbahnlinien zerschießen und sie dort in eine prekärere Situation zu bringen. Jetzt ist es aber so, dass diese Offensive ja in der Tat noch gar nicht stattgefunden hat. Also so, das sind ja alles nur Geplänkel und Vorstöße. Offensive würde ja bedeuten, dass man große mobile Kräfte, sehr viel Feuerkraft hat, um an diese Stadt heranzukommen. Und diese Stadt verläuft ja an einem riesigen Fluss. Das ist wirklich ein richtig großer Fluss, der muss ja auch irgendwie überquert werden und überschlagen werden. Und insgesamt ist das nicht unbedingt zu erkennen, dass das ein leichtes Unterfangen wird. Das Attraktive daran ist, dass die wieder Befreiung von Cherson wäre eben ein Riesen PR-Vorteil. Aber wenn der Ukraine oder Kiew es gelingen würde, diese Stadt und diese Region einzunehmen, hätten sie die Möglichkeit, unmittelbar Richtung Krim zu drücken, wenn sie so stark sind. Und das würde wiederum die gesamte russische Position in der Ukraine – dann nicht zum Zusammenbrechen bringen – aber da müssen die Russen massiv umdenken, weil das dürfte nicht passieren, dass die Ukrainer das Kiew ja praktisch an dieser Stelle bis zum Meer wieder durchstoßen. Bloß damit das möglich ist, müsste man eine richtige Armee haben mit Panzerverbänden, allen drum und dran. Und jetzt kann man sich überlegen, gibt es die und wir wissen da nichts von? Oder auch die Russen zeigen keine Bilder davon? Oder existiert dieses in Anführungsstrichen Millionenheer und ein bisschen in der Phantasie und in der Propaganda? Das kann man im Moment nicht abschätzen, da will ich auch keinem das abnehmen. Das muss man so ein bisschen selber. Ich wäre persönlich skeptisch, dass da wirklich diese Mengen an Truppen mit modernem Gerät und ausgerüstet und ausgebildet zur Verfügung stehen. Das Problem bei dieser Offensive ist vor allen Dingen sie verschiebt sich nach hinten. Es ist August genannt worden, August ist ja auch vier Wochen. Also es gibt einen 1. August und es gibt einen letzten August. Und je länger die Ukraine dort nicht in die Puschen kommt, umso länger haben die Russen Zeit, im Donbass ihre Position zu verfestigen. Und wenn die erst einmal in günstigen Positionen sind oder bestimmte Ziele erreicht haben, wird es ihnen ja sehr viel leichter fallen, ihre Truppen dort heauszuziehen und in den anderen Raum wiederum zu bringen. Das sind ja auch alles keine großen Entfernungen und diese Kriege sind nicht so schnell. Das wird auch auf Seiten der Ukraine nicht so sein, dass man auf einmal: Am Montag fängt das an und Mittwoch ist die Schlacht entschieden. Das geht alles sehr langsam. Also wäre ich persönlich skeptisch, ist aber total wichtig.
Hendrik Holdmann (stern) Die ukrainische Armee will Russland Schwarzmeerflotte versenken, war zu hören. Einige Kriegsschiffe sollen schon zurückgezogen worden sein, von russischer Seite aus. Kann die Ukraine überhaupt die Flotte von Land aus versenken? Kriegsschiffe hat sie ja nicht mehr.
Gernot Kramper (stern) Erst mal ist ihnen das ja gelungen mit der Moskwa, indem sie mit Drohnen einen Scheinangriff geflogen haben. Und haben sie dann zwei Raketen abgefeuert, eigener Produktion. Wenn das dann stimmt, dass es Neptunraketen waren. Die Ukraine bekommt Anti-Schiffs-Raketen aus dem Westen und hat sie aus Großbritannien bekommen. Da kann man ja darüber streiten, welche Reichweite die haben. Also weil das ist ja nicht so ein großes Meer, aber es ist nun auch kein Badesee. Jetzt muss man auch sagen, auch das ist natürlich eine Sache. Da haben wir ja auch unsere Finger im Spiel. Oder wir natürlich nicht die Deutschen, sondern die Amerikaner mit Sicherheit, weil man ja die Zieldaten braucht. Es reicht ja nicht die Rakete irgendwie abzuschießen, also jetzt irgendwo hinzubringen und die hat eine Reichweite und die zielte irgendwie auf irgendein Meer. Sondern man braucht schon detaillierte Zieldaten, um das Ziel zu erreichen und um die Abwehr dieser Schiffe zu durchbrechen – so war es ja bei der Moskwa – ist es sogar wichtig gewesen, genau zu wissen, wie die gerade im Wasser liegt, also welche Richtung das Schiff hatte, damit man den Radarschatten der Aufbauten ausnutzen konnte. Das heißt: Diese Daten wird Kiew so nicht alleine generieren können. Wie auch? Sondern die kommen von amerikanischen Aufklärungsflugzeugen. Also auch wenn das wahrscheinlich dann offiziell abgestritten würde. Aber im Prinzip ja, ist das möglich. Kiew alleine kann das aber ganz sicher nicht, weil sie dazu inzwischen nicht mehr die Raketen haben. Sie müssten die Raketen bekommen, sie müssten die Ausbildung bekommen und sie müssten die Zieldaten bekommen. Sie müssten praktisch nur einen LKW Fahrer haben und irgendjemand, der da auf den roten Knopf drückt. Die Frage ist jetzt bloß: natürlich will der Westen das? Das ist ja ein sehr gefährliches Spiel mit den Geheimdienstdaten, weil man muss ja auch sagen, dem Westen, insbesondere den Amerikanern, gebricht es an Feinden auf diesem Globus nicht. Dieses Spiel kann man ja auch umgekehrt machen und weitreichende Anti-Schiffs-Raketen an irgendwelche Rebellen liefern und dann noch Zieldaten versuchen, hinterher zu geben. Und das ist ja etwas, was die Amerikaner nun sicherlich am Horn von Afrika beispielsweise nicht unbedingt gerne hätten. Also muss man da sehen, wo man bleibt und das andere ist ja auch für die Ukraine: es gibt ja auch immer das Ziel, dass man dann Putins Lieblingsspielzeug, diese Krim-Brücke zerstört oder was weiß ich. Diesen Flughafen auf der Krim. Das ist auch so ein Prestigeobjekt. Könnte man auch zerstören und angreifen, wenn man weitreichende Raketen hat. Bloß das wird ja ohne Frage eine weitere Eskalation der Gewaltanwendung durch Russland nach sich ziehen. Und die würde ja in der Ukraine stattfinden. Es wird ja immer so getan, als würde Russland nur die nukleare Option nach oben haben. Und das ist meiner Meinung nach nicht richtig, sondern man kann, wie man immer in der Geschichte seit dem Zweiten Weltkrieg gesehen haben. Man kann ganze Städte auch konventionell ausradieren, mitsamt allen Einwohnern. Und insofern muss man sich fragen, ob das jetzt ein schlauer Move ist, einen PR-Erfolg zu haben, um diese Brücke zu wegsprengen und dann eventuell alle Kraftwerke in der Ukraine zu verlieren im Gegenzug.
Hendrik Holdmann (stern) Russland soll Gefängnisinsassen mit dem Versprechen der Freiheit rekrutieren. Ist das eine normale Taktik oder gehen Putin die Soldaten aus?
Gernot Kramper (stern) Na ja, Putin gehen ja immer die Soldaten aus. Das ist ja von Anfang an eines der Krux dieser Kriege gewesen, weil diese beiden Armeen, sowohl die Ukraine wie auch die Russen, die sind einerseits sehr stark ausgerüstet, haben sehr viel Material, aber es fehlt ihnen eben an Kämpfern. Und aus innenpolitischen Gründen will Putin nicht eine Mobilmachung machen und einfach Reservisten einziehen. Die Ukraine hingegen hat natürlich eine sehr rigide Wehrpflicht eingeführt und setzt die auch durch. Und wir sollen jetzt ja nicht glauben, dass alle Leute nur freiwillig zu den Fahnen eilen. Da sind ja manche auch nicht so begeistert. Das will Putin aus innenpolitischen Gründen nicht. Diese Karte könnte er natürlich jederzeit ziehen. Also versuchen sie, Leute her zu bekommen und das eine, was sie machen, ist das, dass sie praktisch bei uns heißen die dann gerne Söldner arbeiten, dass sie praktisch sagen: Hallo, du bist eigentlich Soldat, du meldest dich doch jetzt freiwillig und dann kriegst du nicht irgendwie nur 150 $ umgerechnet als Wehrpflichtiger. Wir zahlen richtig viel Geld. Und es gibt zumindest Hinweise darauf, dass die Russen für Soldaten 4.000 $ im Monat bezahlen, wenn die sich sechs Monate verpflichten. Und solange die Kohle da ist, hoffen sie, auf diese Weise Soldaten zu bekommen, weil das sind Summen, die man in Russland als normaler Mensch oder als Arbeiter oder so einfach nicht verdienen kann. Das ist absolut jenseits. Und das andere ist das, dass Sie mit allen Tricks natürlich versuchen, Freiwillige zu finden. Und jetzt muss man sagen, die Idee, dass man Leute, die irgendwas wollen, aus dem Gefängnis raus wollen, einen Pass wollen oder dieses oder jenes, dass man die ködert, um in den Krieg zu ziehen, das ist nicht gerade neu. Also mein Vater wäre beispielsweise auch nach Amerika ausgewandert in den 50er Jahren, und den hätten sie auch gerne genommen. Bloß er hätte dann vorher eine Runde in Korea drehen müssen und das hat ihn dann doch davon abgeschreckt. Insofern hat das natürlich ein Ruch – gerade mit Gefängnissen. Aber eigentlich ist das ganz typisch, ob das jetzt Freiwillige sind oder ob das so ein Dreh ist, dass da eine Amnestie verkündet wird. Und auf einmal sind sie alle Freiwillige. Das ist nicht einzig für Russland und hat natürlich soeinen unmoralischen Hau. Ich würde es jetzt nicht als Verzweiflungstat sehen. Es ist eine Methode in Anführungsstrichen, Freiwillige zu generieren. Die wollen tatsächlich nicht so freiwillig sind, ohne eine Mobilmachung zu machen, ohne Reservisten mit Kraft des Gesetzes anzuziehen.
Hendrik Holdmann (stern) Wie wird sich der Krieg deiner Meinung nach in den nächsten Wochen entwickeln? Was erwartest du?
Gernot Kramper (stern) Die Russen werden weiter versuchen mit der Donbass-Operation fortzuführen. Es sei denn, sie kommen da überhaupt nicht weiter. Dass es im Moment leichte Stockungen gibt, das hat auch etwas mit Umgruppierungen zu tun und ähnlichen Dingen. Das würde ich jetzt nicht überbewerten. Es ist aber natürlich sehr viel besser, als wenn sie einfach durchmarschiert werden. Das muss man ja auch mal klar sagen. Aber jetzt zu glauben, die können nicht mehr, das kann ich persönlich noch nicht erkennen. Ich würde glauben, dass die Russen den Druck erhöhen. Und wenn das sehr schlecht läuft, bringen sie die Position zum Einsturz. Da das alles sehr langsam geht, wird es nicht passieren, dass die ganzen Städte von den Russen erobert sind, aber dass die Position von Kiew so erschüttert ist, dass sie nicht mehr zu halten ist auf Dauer, dass das absehbar ist, das kann in den nächsten Wochen durchaus passieren. Die große Frage ist das: Werden die Amerikaner stärker weitreichende Raketenwerfer liefern? Da wird man sehen, ob das tatsächlich einen großen Einfluss auf den Krieg hat. Umgekehrt muss man natürlich sagen: Vielleicht finden die Russen auch ein Rezept dagegen und zerstören diese Systeme in größerem Maßstab. Das ist ja im Krieg auch nicht gesetzt. Man sieht an vielen Dingen, dass die die Russen, die Russen, die jetzt kämpfen, sind nicht die Russen, die vor Kiew gestanden haben, also wenn man darauf achtet: es gibt ja kaum noch Videos von größeren Drohnenangriffen aus der Ukraine. Klar, diese kleinen Drohnen, diese zivilen Drohnen, die man als Fotograf oder in der Landwirtschaft benutzt, die sind ununterbrochen im Einsatz. Die nur so eine kleine Reichweite haben. Aber diese großen Kampfdrohnen der großen Zeit ist vorbei, weil die elektronisch gestört werden und unterdrückt werden und weil sie auch schwer bedroht sind und die Russen eine bessere Luftverteidigung haben. Das heißt, man kann nicht unbedingt davon ausgehen, dass das, was letzte Woche funktioniert hat, auch in drei Wochen noch funktioniert. Da muss man sehen, was da passiert. Aber das halte ich für einen ganz entscheidenden Faktor. Und das andere wurde von mehreren Wochen gesprochen hast. Ja, die Cherson-Offensive muss kommen. Das Spannendste wird sein, gelingt es der Kiew, eine wirklich schwere Offensive in diesem Raum zusammenzubringen und wird die Erfolge haben. Dass Cherson da innerhalb weniger Tage befreit wird, das ist ja unrealistisch. Das ist ja so ähnlich wie bei den Russen, dass man immer sagt, ja, das sind nur ein paar Kilometer. Aber wenn die Ukraine selber dort in die Bewegung kommt und diese russische Eroberung, die von den Russen eroberte Stadt, wirklich bedroht und droht, sie zu umfassen, das ist der spannendste Moment, den wir von jetzt bis Ende August erwarten dürfen. Und dagegen ist die Frage, ob der Bachmut fällt oder doch noch zweitrangig.
Gernot Kramper (stern) Das ist der spannendste Moment, den wir von jetzt bis Ende August erwarten dürfen. Und dagegen ist die Frage, ob der Bachmut fällt oder so, doch noch zweitrangig. Aber normalerweise wäre das ja viel klüger, eine Offensive nicht in allen Details anzukündigen und damit der Gegner schon mal zwei, drei Monate Zeit hat, sich wirklich darauf einzustellen. Das ist ja ein sehr gefährliches Spiel mit den Geheimdienstdaten, weil man muss ja auch sagen, der Westen, insbesondere den Amerikanern, gebricht es an Feinden auf diesem Globus nicht. Dieses Spiel kann man ja auch umgekehrt machen.
Hendrik Holdmann (stern) Russlands Außenminister Lawrow hat verkündet, dass man über den Donbass hinaus jetzt auch noch weitere Ziele ins Visier nimmt. Was könnten diese nächsten Ziele sein?
Gernot Kramper (stern) Also zuerst muss man mal sagen, dass das natürlich nichts Neues ist. Die Bescheidung auf dem Donbass ist ja geschehen, nachdem diese Großoffensive um Kiew und Charkow gescheitert sind, man sich auf den Donbass konzentriert hat. Und das war immer klar, dass das ein erster Schritt für Russland ist. Wenn Sie da Erfolg haben, werden Sie versuchen, weitere Gebiete in der Ukraine zu erobern. Genau genommen den kompletten Süden, die Oblasten, von den sie schon Teile haben um Cherson herum und auf Dauer sicherlich auch Odessa als Hauptkriegsziel. Die Äußerung von Lawrow bedeutet jetzt aber ein bisschen etwas Anderes. Das bedeutet, dass die Gebiete, aus denen die Mehrfachfaketenwerfer der USA heraus operieren, verstärkt von den Russen unter Feuer genommen werden. Das heißt, diese Raketenwerfer haben ja eine relativ hohe Reichweite, vielleicht kriegen sie sogar noch Munition mit noch größerer Reichweite. Das heißt, die müssen sich im unmittelbaren Frontgebiet untergestellt, versteckt oder irgendwie verborgen werden, sondern die sind ein ganzes Stück weit weg von der Frontlinie. Und man muss erwarten, das sind primäre Ziele für die Russen und die werden massiv angegriffen. Oder die Russen werden versuchen herauszubekommen, wo diese Raketenwerfer sind, wo sie abends und nachts abgestellt werden. Und das wird nach der Natur der Sache auch zu zivilen Opfern führen, weil diese Raketenwerfer werden ja nicht in der Kaserne, wo dann obendrauf steht: Oh hier geheimes Lager oder so untergestellt, sondern die werden in irgendeinem Lager für Landmaschinen, was man so findet, versteckt. Und weil die sich ununterbrochen bewegen müssen und ununterbrochen versteckt werden müssen, kann ich mir nicht vorstellen, dass das nur in rein militärischen Installationen stattfindet.
Hendrik Holdmann (stern) Die Ukraine hat Gegenoffensiven angekündigt, unter anderem auf die wichtige Stadt Cherson. Welche Taktik steckt dahinter?
Gernot Kramper (stern) Das ist schwierig. Das muss man mit zwei Sachen teilen. Das eine ist ein politischer Moment, und das andere ist ein militärischer Moment. Der politische Moment ist das, dass die Ukraine braucht dringend Erfolge am Boden. Also der Rückzug oder das Zurückdrängen der Russen vor Kiew und Charkow war so ein Erfolg. Bloß im Falle von Charkow stehen die ja schon wieder vor den Vorstädten, das ist ja ein guter Teil des russischen Rückzugs oder des ukrainischen Vormarsches, ist ja bereits wieder verpufft. Also man braucht aus politischen Gründen unbedingt einen Erfolg für die eigenen Truppen, für die eigene Bevölkerung, aber auch für den Westen. Weil die Ukraine wird von uns unterstützt. Wenn sie eine Chance auf Sieg hat. Oder sagen wir mal so: In dem Moment, wo es aussah, als würden die Russen große Schwierigkeiten haben vor Kiew oder Charkow, da kam die Diskussion mit den schweren Waffen auf. Sehr viele Staaten im Westen sind so Hasenfüße. Die wollen sich gerne auf der Gewinnerseite sehen, aber die scheuen das Risiko, wenn sie auf der Verliererstraße sind. Dafür braucht man unbedingt diesen Erfolg. Dafür wird diese Offensive ja auch nonstop beschworen. Also eine Offensive ist ja so eine ganz gute Sache, sag ich mal, aber normalerweise wäre das ja viel klüger, eine Offensive nicht in allen Details anzukündigen und damit der Gegner schon mal zwei, drei Monate Zeit hat, sich wirklich drauf einzustellen. Dieses Reden über diese Offensive hat nur politische Dimensionen. Jetzt kommen wir zum militärischen Teil. Der Punkt ist das, dass die Ukrainer sich vor Cherson an die Stadt herangearbeitet haben, da auch mehrere von diesen Dörflein oder Städtchen erobert haben und sie versuchen, eine Ausgangsposition für einen Angriff auf die Stadt zu erobern. Die haben dort den Vorteil, dass die Russen den Großteil ihres Materials und vor allen Dingen ihrer Männer im Donbass konzentriert haben. Das heißt: Sie sind nicht in der Lage, eine durchgehende Frontlinie, vor allem nicht so tief gestaffelt mit mehreren Linien und Bunkern und alles auch besetzt aufzubauen, sondern das sind einzelne Feuerpunkte. Und dann gibt es zwischendurch auch mal wieder gar nichts. Das ist bei diesem Krieg nicht zu vermeiden, weil die Frontlinie insgesamt ist relativ lang. Also das sind ja nicht nur die Kilometer in der Luftlinie, sondern das sind ja auch Kringel. Das ist also relativ lang. Und dafür reichen die Truppen einfach nicht aus, um da praktisch so einen Verhau wie im Ersten Weltkrieg aufzubauen. Das reicht eben nicht. Und da sehen die Ukrainer offenbar eine Chance. Ihre Strategie wird sein, das ist ehrlich gesagt auch schon angekündigt und man kann das sehen, zu versuchen, die Versorgungslinien der Russen zu behindern, indem sie Brücken zerschießen, indem sie Eisenbahnlinien zerschießen und sie dort in eine prekärere Situation zu bringen. Jetzt ist es aber so, dass diese Offensive ja in der Tat noch gar nicht stattgefunden hat. Also so, das sind ja alles nur Geplänkel und Vorstöße. Offensive würde ja bedeuten, dass man große mobile Kräfte, sehr viel Feuerkraft hat, um an diese Stadt heranzukommen. Und diese Stadt verläuft ja an einem riesigen Fluss. Das ist wirklich ein richtig großer Fluss, der muss ja auch irgendwie überquert werden und überschlagen werden. Und insgesamt ist das nicht unbedingt zu erkennen, dass das ein leichtes Unterfangen wird. Das Attraktive daran ist, dass die wieder Befreiung von Cherson wäre eben ein Riesen PR-Vorteil. Aber wenn der Ukraine oder Kiew es gelingen würde, diese Stadt und diese Region einzunehmen, hätten sie die Möglichkeit, unmittelbar Richtung Krim zu drücken, wenn sie so stark sind. Und das würde wiederum die gesamte russische Position in der Ukraine – dann nicht zum Zusammenbrechen bringen – aber da müssen die Russen massiv umdenken, weil das dürfte nicht passieren, dass die Ukrainer das Kiew ja praktisch an dieser Stelle bis zum Meer wieder durchstoßen. Bloß damit das möglich ist, müsste man eine richtige Armee haben mit Panzerverbänden, allen drum und dran. Und jetzt kann man sich überlegen, gibt es die und wir wissen da nichts von? Oder auch die Russen zeigen keine Bilder davon? Oder existiert dieses in Anführungsstrichen Millionenheer und ein bisschen in der Phantasie und in der Propaganda? Das kann man im Moment nicht abschätzen, da will ich auch keinem das abnehmen. Das muss man so ein bisschen selber. Ich wäre persönlich skeptisch, dass da wirklich diese Mengen an Truppen mit modernem Gerät und ausgerüstet und ausgebildet zur Verfügung stehen. Das Problem bei dieser Offensive ist vor allen Dingen sie verschiebt sich nach hinten. Es ist August genannt worden, August ist ja auch vier Wochen. Also es gibt einen 1. August und es gibt einen letzten August. Und je länger die Ukraine dort nicht in die Puschen kommt, umso länger haben die Russen Zeit, im Donbass ihre Position zu verfestigen. Und wenn die erst einmal in günstigen Positionen sind oder bestimmte Ziele erreicht haben, wird es ihnen ja sehr viel leichter fallen, ihre Truppen dort heauszuziehen und in den anderen Raum wiederum zu bringen. Das sind ja auch alles keine großen Entfernungen und diese Kriege sind nicht so schnell. Das wird auch auf Seiten der Ukraine nicht so sein, dass man auf einmal: Am Montag fängt das an und Mittwoch ist die Schlacht entschieden. Das geht alles sehr langsam. Also wäre ich persönlich skeptisch, ist aber total wichtig.
Hendrik Holdmann (stern) Die ukrainische Armee will Russland Schwarzmeerflotte versenken, war zu hören. Einige Kriegsschiffe sollen schon zurückgezogen worden sein, von russischer Seite aus. Kann die Ukraine überhaupt die Flotte von Land aus versenken? Kriegsschiffe hat sie ja nicht mehr.
Gernot Kramper (stern) Erst mal ist ihnen das ja gelungen mit der Moskwa, indem sie mit Drohnen einen Scheinangriff geflogen haben. Und haben sie dann zwei Raketen abgefeuert, eigener Produktion. Wenn das dann stimmt, dass es Neptunraketen waren. Die Ukraine bekommt Anti-Schiffs-Raketen aus dem Westen und hat sie aus Großbritannien bekommen. Da kann man ja darüber streiten, welche Reichweite die haben. Also weil das ist ja nicht so ein großes Meer, aber es ist nun auch kein Badesee. Jetzt muss man auch sagen, auch das ist natürlich eine Sache. Da haben wir ja auch unsere Finger im Spiel. Oder wir natürlich nicht die Deutschen, sondern die Amerikaner mit Sicherheit, weil man ja die Zieldaten braucht. Es reicht ja nicht die Rakete irgendwie abzuschießen, also jetzt irgendwo hinzubringen und die hat eine Reichweite und die zielte irgendwie auf irgendein Meer. Sondern man braucht schon detaillierte Zieldaten, um das Ziel zu erreichen und um die Abwehr dieser Schiffe zu durchbrechen – so war es ja bei der Moskwa – ist es sogar wichtig gewesen, genau zu wissen, wie die gerade im Wasser liegt, also welche Richtung das Schiff hatte, damit man den Radarschatten der Aufbauten ausnutzen konnte. Das heißt: Diese Daten wird Kiew so nicht alleine generieren können. Wie auch? Sondern die kommen von amerikanischen Aufklärungsflugzeugen. Also auch wenn das wahrscheinlich dann offiziell abgestritten würde. Aber im Prinzip ja, ist das möglich. Kiew alleine kann das aber ganz sicher nicht, weil sie dazu inzwischen nicht mehr die Raketen haben. Sie müssten die Raketen bekommen, sie müssten die Ausbildung bekommen und sie müssten die Zieldaten bekommen. Sie müssten praktisch nur einen LKW Fahrer haben und irgendjemand, der da auf den roten Knopf drückt. Die Frage ist jetzt bloß: natürlich will der Westen das? Das ist ja ein sehr gefährliches Spiel mit den Geheimdienstdaten, weil man muss ja auch sagen, dem Westen, insbesondere den Amerikanern, gebricht es an Feinden auf diesem Globus nicht. Dieses Spiel kann man ja auch umgekehrt machen und weitreichende Anti-Schiffs-Raketen an irgendwelche Rebellen liefern und dann noch Zieldaten versuchen, hinterher zu geben. Und das ist ja etwas, was die Amerikaner nun sicherlich am Horn von Afrika beispielsweise nicht unbedingt gerne hätten. Also muss man da sehen, wo man bleibt und das andere ist ja auch für die Ukraine: es gibt ja auch immer das Ziel, dass man dann Putins Lieblingsspielzeug, diese Krim-Brücke zerstört oder was weiß ich. Diesen Flughafen auf der Krim. Das ist auch so ein Prestigeobjekt. Könnte man auch zerstören und angreifen, wenn man weitreichende Raketen hat. Bloß das wird ja ohne Frage eine weitere Eskalation der Gewaltanwendung durch Russland nach sich ziehen. Und die würde ja in der Ukraine stattfinden. Es wird ja immer so getan, als würde Russland nur die nukleare Option nach oben haben. Und das ist meiner Meinung nach nicht richtig, sondern man kann, wie man immer in der Geschichte seit dem Zweiten Weltkrieg gesehen haben. Man kann ganze Städte auch konventionell ausradieren, mitsamt allen Einwohnern. Und insofern muss man sich fragen, ob das jetzt ein schlauer Move ist, einen PR-Erfolg zu haben, um diese Brücke zu wegsprengen und dann eventuell alle Kraftwerke in der Ukraine zu verlieren im Gegenzug.
Hendrik Holdmann (stern) Russland soll Gefängnisinsassen mit dem Versprechen der Freiheit rekrutieren. Ist das eine normale Taktik oder gehen Putin die Soldaten aus?
Gernot Kramper (stern) Na ja, Putin gehen ja immer die Soldaten aus. Das ist ja von Anfang an eines der Krux dieser Kriege gewesen, weil diese beiden Armeen, sowohl die Ukraine wie auch die Russen, die sind einerseits sehr stark ausgerüstet, haben sehr viel Material, aber es fehlt ihnen eben an Kämpfern. Und aus innenpolitischen Gründen will Putin nicht eine Mobilmachung machen und einfach Reservisten einziehen. Die Ukraine hingegen hat natürlich eine sehr rigide Wehrpflicht eingeführt und setzt die auch durch. Und wir sollen jetzt ja nicht glauben, dass alle Leute nur freiwillig zu den Fahnen eilen. Da sind ja manche auch nicht so begeistert. Das will Putin aus innenpolitischen Gründen nicht. Diese Karte könnte er natürlich jederzeit ziehen. Also versuchen sie, Leute her zu bekommen und das eine, was sie machen, ist das, dass sie praktisch bei uns heißen die dann gerne Söldner arbeiten, dass sie praktisch sagen: Hallo, du bist eigentlich Soldat, du meldest dich doch jetzt freiwillig und dann kriegst du nicht irgendwie nur 150 $ umgerechnet als Wehrpflichtiger. Wir zahlen richtig viel Geld. Und es gibt zumindest Hinweise darauf, dass die Russen für Soldaten 4.000 $ im Monat bezahlen, wenn die sich sechs Monate verpflichten. Und solange die Kohle da ist, hoffen sie, auf diese Weise Soldaten zu bekommen, weil das sind Summen, die man in Russland als normaler Mensch oder als Arbeiter oder so einfach nicht verdienen kann. Das ist absolut jenseits. Und das andere ist das, dass Sie mit allen Tricks natürlich versuchen, Freiwillige zu finden. Und jetzt muss man sagen, die Idee, dass man Leute, die irgendwas wollen, aus dem Gefängnis raus wollen, einen Pass wollen oder dieses oder jenes, dass man die ködert, um in den Krieg zu ziehen, das ist nicht gerade neu. Also mein Vater wäre beispielsweise auch nach Amerika ausgewandert in den 50er Jahren, und den hätten sie auch gerne genommen. Bloß er hätte dann vorher eine Runde in Korea drehen müssen und das hat ihn dann doch davon abgeschreckt. Insofern hat das natürlich ein Ruch – gerade mit Gefängnissen. Aber eigentlich ist das ganz typisch, ob das jetzt Freiwillige sind oder ob das so ein Dreh ist, dass da eine Amnestie verkündet wird. Und auf einmal sind sie alle Freiwillige. Das ist nicht einzig für Russland und hat natürlich soeinen unmoralischen Hau. Ich würde es jetzt nicht als Verzweiflungstat sehen. Es ist eine Methode in Anführungsstrichen, Freiwillige zu generieren. Die wollen tatsächlich nicht so freiwillig sind, ohne eine Mobilmachung zu machen, ohne Reservisten mit Kraft des Gesetzes anzuziehen.
Hendrik Holdmann (stern) Wie wird sich der Krieg deiner Meinung nach in den nächsten Wochen entwickeln? Was erwartest du?
Gernot Kramper (stern) Die Russen werden weiter versuchen mit der Donbass-Operation fortzuführen. Es sei denn, sie kommen da überhaupt nicht weiter. Dass es im Moment leichte Stockungen gibt, das hat auch etwas mit Umgruppierungen zu tun und ähnlichen Dingen. Das würde ich jetzt nicht überbewerten. Es ist aber natürlich sehr viel besser, als wenn sie einfach durchmarschiert werden. Das muss man ja auch mal klar sagen. Aber jetzt zu glauben, die können nicht mehr, das kann ich persönlich noch nicht erkennen. Ich würde glauben, dass die Russen den Druck erhöhen. Und wenn das sehr schlecht läuft, bringen sie die Position zum Einsturz. Da das alles sehr langsam geht, wird es nicht passieren, dass die ganzen Städte von den Russen erobert sind, aber dass die Position von Kiew so erschüttert ist, dass sie nicht mehr zu halten ist auf Dauer, dass das absehbar ist, das kann in den nächsten Wochen durchaus passieren. Die große Frage ist das: Werden die Amerikaner stärker weitreichende Raketenwerfer liefern? Da wird man sehen, ob das tatsächlich einen großen Einfluss auf den Krieg hat. Umgekehrt muss man natürlich sagen: Vielleicht finden die Russen auch ein Rezept dagegen und zerstören diese Systeme in größerem Maßstab. Das ist ja im Krieg auch nicht gesetzt. Man sieht an vielen Dingen, dass die die Russen, die Russen, die jetzt kämpfen, sind nicht die Russen, die vor Kiew gestanden haben, also wenn man darauf achtet: es gibt ja kaum noch Videos von größeren Drohnenangriffen aus der Ukraine. Klar, diese kleinen Drohnen, diese zivilen Drohnen, die man als Fotograf oder in der Landwirtschaft benutzt, die sind ununterbrochen im Einsatz. Die nur so eine kleine Reichweite haben. Aber diese großen Kampfdrohnen der großen Zeit ist vorbei, weil die elektronisch gestört werden und unterdrückt werden und weil sie auch schwer bedroht sind und die Russen eine bessere Luftverteidigung haben. Das heißt, man kann nicht unbedingt davon ausgehen, dass das, was letzte Woche funktioniert hat, auch in drei Wochen noch funktioniert. Da muss man sehen, was da passiert. Aber das halte ich für einen ganz entscheidenden Faktor. Und das andere wurde von mehreren Wochen gesprochen hast. Ja, die Cherson-Offensive muss kommen. Das Spannendste wird sein, gelingt es der Kiew, eine wirklich schwere Offensive in diesem Raum zusammenzubringen und wird die Erfolge haben. Dass Cherson da innerhalb weniger Tage befreit wird, das ist ja unrealistisch. Das ist ja so ähnlich wie bei den Russen, dass man immer sagt, ja, das sind nur ein paar Kilometer. Aber wenn die Ukraine selber dort in die Bewegung kommt und diese russische Eroberung, die von den Russen eroberte Stadt, wirklich bedroht und droht, sie zu umfassen, das ist der spannendste Moment, den wir von jetzt bis Ende August erwarten dürfen. Und dagegen ist die Frage, ob der Bachmut fällt oder doch noch zweitrangig.