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Vorhersagen auf dem Prüfstand Den Sternen zum Trotz

Ginge es nach ihnen, wäre der Papst schon zehn Mal gestorben: Hellseher und Astronomen tappten auch 2004 im Dunkeln. Die Vorhersagen und was wieder nicht wahr wurde.

Auch die Sterne können Bundeskanzler Gerhard Schröder nicht aufhalten. Obwohl die Himmelszeichen für ihn nach Vorhersage des TV-Astrologen Winfried Noé auf Rücktritt aus gesundheitlichen Gründen standen, ist Schröder weiterhin an der Macht. Mit diesem Fehlurteil steht Noé nach Ansicht der "Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften" (GWUP) im südhessischen Roßdorf keineswegs alleine. Nach Prüfung von rund 190 Prognosen kommt sie zu dem Schluss, dass die Hellseher auch 2004 weitgehend im Dunkeln tappten.

Keine rosigen Zeiten für Schröder sahen auch die Astrologen Rosalinde Haller und Richard Müntefering voraus. Patricia Bahrani, die für den GWUP-Mathematiker Michael Kunkel für ihre Fehlprognosen bekannt ist, wähnte bereits eine schwarz-grüne Regierung unter Führung von Angela Merkel am Ruder. Doch auch Sterndeuter sind lernfähig. So hat Noé inzwischen offensichtlich neue Himmels-Informationen erhalten, und bescheinigt Schröder eine aufsteigende Tendenz.

Selbst bei 50:50-Chance daneben

Auch bei der internationalen Politik konnten die Wahrsager kaum punkten. So setzten selbst bei der 50 zu 50 Entscheidung der amerikanischen Wahl einige aufs falsche Pferd. Der Rumäne Rado Moisoiu sah sogar den Tod des Präsidenten George W. Bush am 19. August voraus. Ähnlich makabere Vorhersagen waren ebenfalls falsch, etwas die von Anton Tewes, der für den 11. Juni einen Anschlag auf New York errechnete, oder die von Victor Hopchenk, der Los Angeles von Asteroidengestein zermalmt sah. Bahrani, die zum wiederholten Male einen Terroranschlag für Berlin mit anschließendem Börsencrash vorhersagte, konnte damit auch 2004 keinen Hellseh-Erfolg verbuchen.

Promis verweigern sich den Sternen

Die Schönen und Reichen dieser Welt verweigerten sich ebenfalls ihrem Sternen-Schicksal. So ließen Astrologen fälschlicher Weise für Boris Becker die Hochzeitsglocken läuten und erklärten die Bindung von Prinz Charles mit Camilla für beendet. Antonia Langsdorf prophezeite Daniel Küblböck eine glänzende Karriere und musste mit ansehen, wie er mit seinem Film "Daniel und der Zauberer" in der Versenkung verschwand. Nicht viel besser erging es Kurt Allgeier, der Anke Engelke im siebten TV-Himmel schweben sah. Ihre Pleite mit der Late-Night-Show hatte er nicht auf der Rechnung. Daneben lag auch wieder Patricia Bahrani: Michael Jackson werde sich im April nach einer Verurteilung wegen Kindesmissbrauchs der drohenden Haft durch Selbstmord entziehen, kündete sie mehrfach und fügte als äußerst makabres Detail hinzu, dass dies "erst im zweiten Versuch gelingen" werde.

Die Überprüfung der Vorhersagen war für Kunkel nicht immer einfach. "Mehr als die Hälfte der Texte waren reines Blabla, aus dem beim besten Willen keine Prognose zu ermitteln war." Als Beispiel zitiert er Rosalinde Haller, die für 2004 eine spürbare "anreihige Schwingung im Süden Australiens" weissagte. Mit Neugierde verfolgt der Kritiker dagegen die Ausführungen des Nostradamus-Jüngers Manfred Dimde. Dieser kündigte für 2004 die Ankunft "einer Regierungschefin als Drahtzieherin künftigen Unheils" an. "Ich bin gespannt, ob er in einem seiner nächsten Werke das Geheimnis ihres Namens lüften wird."

Meister im Umdeuten

Wahre Meisterschaft zeigten die selbst ernannten Zukunftsdeuter nur in einer Disziplin, erklärt Kunkel: nämlich in der nachträglichen Umdeutung vager Allgemeinplätze in Treffer. So hatte etwa die Vertreterin der "ägyptischen Original-Astrologie", Edeltraud Lukas Möller, zwar einen "astrologischen" Bush-Sieg prognostiziert; der Prognosetext ließ allerdings offen, ob mit diesem "Sieg" Bushs Wiederwahl oder nur die obligatorischen anerkennenden Worte seines Nachfolgers für ihn gemeint sind - ein Treffer war damit garantiert. Anscheinend hinterlässt die alljährliche GWUP-Analyse der Vorhersagen immer mehr Spuren bei den angeblichen "Medien". "Es überwiegen Allgemeinplätze und Binsenweisheiten, und manche Formulierungen sind vollends unverständlich", hat Kunkel festgestellt. Was etwa Rosalinde Haller aus Wien damit meinte, dass 2004 eine "anreihige Schwingung im Süden Australiens spürbar" sei, erklärte sie erst gar nicht.

Ingo Senft-Werner

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