In Moskau findet zurzeit die Eiskunstlauf-WM statt. Sie haben einmal gesagt, heute seien die Paare sportlich gut, hätten aber keinen Stil.
Stimmt. Viele komplizierte Elemente und Sprünge. Aber nichts Originelles.
Über Ihren Stil schwärmten damals die Fachleute: "Eine Revolution!"
Ach, wir haben nur mit dem romantischen Eiskunstlaufen Schluss gemacht und mehr auf Geschwindigkeit und Power gesetzt.
Was machen Sie heute?
Ich bin Vorsitzende des Zentralrats "Sportliches Russland" und sitze gerade im Büro. Wir kümmern uns vor allem um Heimkinder, die durch Sport eine Lebensperspektive bekommen sollen. Außerdem will ich ein Sportzentrum bauen. Mit Eisbahn, Schwimmbad, Fitness.
Zur Person
Irina Rodnina, geboren 1949, war seit frühester Jugend Eiskunstläuferin. Ihren ersten internationalen Titel holte sie 1969 bei der EM in Garmisch - zusammen mit Alexej Ulanow. Ab 1972 war ihr Partner Alexander Saizew, den sie drei Jahre später heiratete. 1980 beendete sie ihre aktive Karriere, arbeitete als Trainerin, ab 1990 in den USA. Dort heiratete sie zum zweiten Mal, einen Geschäftsmann, von dem sie ebenfalls wieder geschieden ist. Sie hat zwei Kinder und lebt heute in Moskau.
In den Zeitungen konnte man lesen, es hätte Probleme mit Korruption gegeben.
Die gibt es überall. In Russland redet man nur mehr darüber.
Als Trainerin arbeiten Sie also nicht mehr?
Als ich 2000 aus Amerika zurückgekommen bin, habe ich damit aufgehört.
Hat es Ihnen drüben nicht mehr gefallen?
Nach zehn Jahren USA habe ich verstanden, dass da auch nicht alles so fröhlich ist, wie die es darzustellen versuchen. Mir gefällt nicht, dass sich Amerika heute genauso als Weltpolizist aufführt, wie es die Sowjetunion einst getan hat. Die Sowjetunion ist gefallen, nachdem sie versucht hat, eigenes politisches Credo zu exportieren. Das Gleiche macht jetzt Amerika.
Sie galten als Ikone der UdSSR. Sie haben auf Parteitagen geredet - und sind dann zum Klassenfeind gewechselt.
Ich musste sehr schmerzhafte Erfahrungen machen, als meine Athletenzeit zu Ende war. Ich habe zwar als Trainerin in der Sowjetunion gearbeitet, wurde aber überall hinausgeworfen. Die Leute haben gesagt: "Du warst zehn Jahre ganz oben auf dem Podest, jetzt musst du mit uns Dreck fressen." Aber ich hatte Appetit auf anderes.
Wie geht es eigentlich Ihrem letzten Partner und Ex-Mann Alexander Saizew? Vor Jahren kursierten Gerüchte, er sei dick geworden und habe angefangen zu trinken.
Er war auch lange Trainer in den USA. Heute geht es ihm gut, soweit ich weiß. Er lebt wieder in Moskau, ist Rentner und genießt es.
Die West-Medien schrieben zu Ihrer aktiven Zeit: "Irina Rodnina ist die erste sowjetische Emanze." Ihre Partner seien für Sie nur ein Instrument zum sportlichen Erfolg.
Ja, ja, das ist es, wovor Männer Angst haben - ein Instrument zu sein. Aber ohne dieses Instrument hätte ich nichts erreichen können. Übrigens, ich bin nicht emanzipiert, sondern unabhängig.
Wenn Sie an Ihre Wettkämpfe zurückdenken, welches war der bewegendste Moment?
Ich habe fünf, sechs Stunden am Tag trainiert und nur daran gedacht, meine Titel zu verteidigen. Da blieb keine Zeit für Emotionen. Für mich war der bewegendste Moment, als ich meine Karriere beendete.
Sie haben zwei Kinder. Gab es jemals den Wunsch, die könnten in Ihre Fußstapfen treten?
Nie! Man kann seinen Kindern ein Business vermachen, aber keinen sportlichen Erfolg. Meine Tochter studiert in Amerika Journalistik und mein Sohn Keramik an der Stroganow-Universität in Moskau.
Ziehen Sie die Schlittschuhe noch an?
Nein, die Zeit ist vorbei. Ich trage das als Erinnerung in meinem Herzen. Zum Vergnügen Schlittschuh laufen, das ist nichts für mich.