Die Regisseurin, berüchtigt für ihren Nazi-Propagandafilm 'Triumph des Willens' und berühmt für ihre Dokumentation über die Olympischen Spiele 1936, widmete sich später erfolgreich der FotografieSTERN: Ihre Stimme klingt belegt
RIEFENSTAHL: Ich liege mit einer schlimmen Bronchitis im Bett. Darüber hinaus hatte ich im Mai eine schwere Rücken-operation. Aber wann immer möglich, arbeite ich an meinem neuen Film.
STERN: Um was geht es da?
RIEFENSTAHL: Ich habe Riffe in der ganzen Welt gefilmt. Die sind schon sehr zerstört. Ich möchte festhalten, welche wunderbaren Dinge die Schöpfung geschaffen hat.
STERN: Wann haben Sie zum letzten Mal gedreht?
RIEFENSTAHL: Vor einem Jahr in Papua. Da saß ich 33 Stunden im Flugzeug - in meinem Alter.
STERN: Filmen Sie selbst?
RIEFENSTAHL: Ich mache das mit meinem Partner Horst Kettner. Ich suche die Motive, er ist der Kameramann. Wir haben vor 25 Jahren mit dem Tauchen angefangen. Inzwischen habe ich über 2000 Tauchgänge.
STERN: Es gab gerade mehrere Ausstellungen über Ihr Werk.
RIEFENSTAHL: In Spanien lief jetzt eine Fotoausstellung, nächstes Jahr geht's auf der ganzen Welt weiter. Das finde ich sehr schön. Ich hatte lange genug schwere Zeiten, fast ein halbes Jahrhundert. Aber ich habe sie überstanden.
STERN: Was sagt das Publikum?
RIEFENSTAHL: Ich habe so viel Post, dass ich drei Sekretärinnen beschäftigen muss. Die meisten Briefe bekomme ich von jungen Leuten.
STERN: Was schreiben die?
RIEFENSTAHL: Wunderschöne Briefe. Manche schicken Gedichte oder Geschenke. Da werde ich sehr verwöhnt. Das gibt mir auch Kraft.
STERN: Daran scheint's Ihnen nicht zu fehlen.
RIEFENSTAHL: Ich lebe nur für die Arbeit und verliere keine Zeit an überflüssige Dinge. Das hält mich jung. Immerhin bin ich 97 und arbeite wie früher, nur ein bisschen langsamer.
STERN: Gibt's neue Projekte?
RIEFENSTAHL: Meine Memoiren sollten in den USA verfilmt werden. Jodie Foster wollte mich unbedingt spielen. Aber es scheiterte an einem Satz im Vertrag. Um zu verhindern, dass man Lügen in den Film einbaut, wollte ich meine Persönlichkeitsrechte schützen. Doch das ging nach amerikanischem Recht nicht. So musste ich schweren Herzens verzichten. Jetzt macht eine deutsche Produktionsfirma den Film.
STERN: Was schauen Sie sich eigentlich im Fernsehen an?
RIEFENSTAHL: Ich sag mal, was ich nicht gern sehe: Alles, wo viel geschossen und gemordet wird, wo schlechter Sex gezeigt wird. Ich mag Dokumentar- und Naturfilme und gute Krimis.
STERN: Die Band Rammstein zeigt in einem Video Ausschnitte aus Ihren Filmen
RIEFENSTAHL: Mir hat das gefallen. Dass die jungen Leute so scharf kritisiert wurden, hat mir leid getan.
STERN: Haben Sie 'Krieg der Sterne' gesehen?
RIEFENSTAHL: Auf Video. Man hatte mir erzählt, dass sich George Lucas in der Schlussszene von meinem Film 'Triumph des Willens' inspirieren ließ. Das ist auch eindeutig so.
STERN: Hat Sie das gefreut?
RIEFENSTAHL: Wenn ein so großer Regisseur das macht, ist das schon ein Kompliment. Ich weiß, dass Lucas und Spielberg und wie sie alle heißen mich sehr schätzen. Ich stoße in Amerika nicht auf diese Vorurteile wie zum Teil in Deutschland.
STERN: Warum tun Sie sich hier so viel schwerer?
RIEFENSTAHL: Das ist verständlich. Nach dem Schrecklichen, was in Deutschland geschehen ist, muss ich das ertragen.
STERN: Damit scheinen Sie recht gut umgehen zu können.
RIEFENSTAHL: Trotz allem bin ich Optimist, sonst würde ich schon lange nicht mehr leben. Das Leben besteht immer aus bösen und guten Seiten. Soll man sich deshalb umbringen? Nein. Man muss damit leben.