Mode Stylevorlage

In Sachen Mode ist stern-Redakteur Bernd Teichmann keine große Leuchte. Und Klamotten kaufen hasst er sowieso. Klarer Fall für eine Personal Shopperin.

Zuerst eine gute Nachricht: Ich bin kein hoffnungsloser Fall. Es stand zeitweilig kritisch um mein modisches Selbstwertgefühl, doch ich wurde gerettet. Wie Sie sehen, zähle ich zur großen Mehrheit deutscher Männer, die sich in Sachen Outfit in der unverdächtigen Sicherheitszone bewegen. Warum sollte ich mich auch einem fragwürdigen Stil-Terrorismus aussetzen? Weiß ich doch mittlerweile auch ohne "GQ"-Abonnement, dass es sich bei Missoni keineswegs um eine Bandnudelsorte handelt.

Es hat sich ebenfalls bis zu mir herumgesprochen, dass braune Nadelstreifen und mortadellafarbene Sandalen keine ideale Symbiose bilden. Genauso wie Tennissocken in Troddelslippern. Und hochgekrempelte Sakko-Ärmel? Bin ich ein Schlagersänger? Die Interessengemeinschaft der Boutiquen-Groupies muss auf meine Mitgliedschaft verzichten. Mein Kleidergeld lasse ich lieber - meist unter geschmacklicher Aufsicht meiner Freundin - bei den üblichen Verdächtigen wie Zara, H & M oder Anson's, gelegentlich verirre ich mich auch zu einem etwas exklusiveren Herrenausstatter. Aber: Das Ganze muss schnell und schmerzfrei über die Bühne gehen. Shopping-Exzesse rangieren in den Charts meiner Vorlieben direkt hinter Wurzelbehandlung und Magenspiegelung.

Mein von pathologischer Unsicherheit und Fantasielosigkeit geprägtes Fashion-Credo lautet deshalb: Ohne großen Aufwand möglichst nicht beknackt aussehen. Heißt: Ich bin völlig normal - und deshalb definitiv verbesserungswürdig. Womit Petra von Loessl ins Spiel kommt, die seit etwa zehn Minuten das Durcheinander in meinem Kleiderschrank inspiziert. Die Hamburgerin arbeitet seit vier Jahren als freiberufliche Geschmackspolizistin, auf Neudeutsch: Personal Shopperin. Eine Berufssparte, die in den USA und England seit Jahren etabliert und nun auch in der Dienstleistungs-Sahara Deutschland langsam im Kommen ist.

Ihr Job besteht schlicht darin, mit Kleidern Leute zu machen. Wobei diese Kleider nicht zwangsläufig neu gekauft werden müssen. Erste Amtshandlung bei Neukunden ist das Durchforsten der vorhandenen Garderobe - und manchmal auch die letzte: Nach dem Begutachten, Aufräumen und Aussortieren stellt sich oft heraus, dass die Besitztümer bei richtiger Kombination völlig ausreichen.

So rentiert sich auch ihr Stunden-Honorar: Die 70 Euro sind im Gegensatz zu teuren Klamotten-Fehltritten die schlauere Investition. Zumal die studierte Designerin und ehemalige Moderedakteurin die aussortierten Stücke auf Wunsch auch zum Second-Hand-Laden trägt.

Wer sich in der entsprechenden Gehaltsklasse bewegt, kann von ihr natürlich auch das volle Gedeck in Anspruch nehmen. Das beginnt bei Prominenten, die für die Bambi-Verleihung die adäquate Robe suchen, setzt sich fort bei der Organisation schwer aufzutreibender, gerade besonders hipper Einzelstücke und endet bei Hardcore-Shopping-Touren durch Hamburg, Berlin oder München, wo die Enddreißigerin von schillernden High-Class-Boutiquen bis zu schrägen Jungdesigner-Butzen alles kennt, was anziehend ist. Auf Wunsch schnürt von Loessl auch ein Komplett-paket mit Flug, Übernachtung und sogar Limousinen-Service, das sie im März erstmals auch für New York anbietet.

Dennoch wehrt sich die Beraterin gegen das Luxus-Image ihrer Dienstleistung. "Viele denken, wenn sie mit mir telefonieren, dass ich da am anderen Ende der Leitung im kleinen Schwarzen sitze, um dann für 10000 Euro eine Komplett-Metamorphose durchzuführen."

Ihre Aufgabe sei vielmehr, bei der Stilfindung zu helfen oder das vorhandene Potenzial zu unterstreichen. Und da Geschmack bekanntermaßen keine Frage des Einkommens oder der Herkunft ist, findet sich in ihrer Kundenkartei mit Polaroids und Körpermaß-Steckbriefen die Vorstandsvorsitzenden-Gattin mit Prada-Faible ebenso wie die Sparkassenangestellte, die was Hübsches für den Feuerwehrball sucht. Oder eben der stern-Redakteur, der sich ein Quäntchen mehr Selbstbewusstsein überstreifen will.

Kein hoffnungsloser Fall also: "Auf einer Skala von 1 bis 10 bist du eine gute 4, wobei eine 1 das Beste ist", verrät meine Gutachterin nach Beendigung der Schrank-Musterung. Und legt gleich ein outfitorientiertes Psychogramm nach: "Du bist, wie die meisten Männer, sehr eingefahren. Wenn dir etwas gefällt, bleibst du auch dabei." Eine Anspielung auf mein Dutzend Rollis, meine zehn Jeans, sechs Cordhosen und fünf Paar Camper-Schuhe. "Ich nehme mal an, dass du alle halbe Jahr einen Großeinkauf veranstaltest, um deinen Bedarf zu decken."

Ähm, stimmt. "Außerdem bist du ein bisschen mutlos und wenig experimentierfreudig", analysiert sie weiter und meint damit mein Faible für die Töne Dunkelblau, Schwarz, Braun und Grau. Aber dann kommt's! "Du bist einer der wenigen Typen, die modischer sein können. Wir gehen morgen los und schauen mal."

Hausaufgabe bis dahin:

Aussortieren und ordnen! "Hemden und Hosen nach Art und Farben hängen, Pullover nach Rollis, Rund- und V-Ausschnitt legen. T-Shirts auf einen Stapel. Die Sachen, die du ohnehin so gut wie nie anziehst, erst mal in einem Karton im Keller verstauen. Von der pludrigen Peter-Maffay-Jeansjacke solltest du dich trennen. Ebenso von den Karotten-Stil-Hosen, das trägt heute kaum noch jemand. Und eine Leiste für die Gürtel und Krawatten an der Tür-Innenseite wäre auch nicht verkehrt."

War nicht so schlimm wie erwartet, denke ich beim Neuausrichten meiner Habseligkeiten. Sollte es auch nicht sein, wie von Loessl mir am nächsten Tag auf der ersten Etappe zu einem Herrenausstatter ihres Vertrauens erklärt: "Ich will niemandem einen bestimmten Stil aufzwingen. Mein Geschmack spielt eine untergeordnete Rolle. Entscheidend ist vielmehr, was zum Typ des Kunden passt." Der grasgrüne Pulli, von dem ich zehn Minuten später beim Blick in den Spiegel fast erblinde, kann damit nicht gemeint sein.

Na ja, einen Versuch war's wert. Dafür aber das auberginefarbene Samtjackett von Junk de Luxe, in das ich danach schlüpfe. Dazu ein weißes Hemd mit Haifischkragen von Paul Smith, dunkle Jeans von Joop und schwarze Stiefeletten von Hugo Boss - sieht ja richtig gut aus! Und ist genauso kompatibel mit einigen Stücken aus meinem Fundus wie der günstige, braune Nadelstreifenanzug von Linus, der schwarz-braune Rolli von Zara und der rosa-blaue Schal von Missoni, die wir in den folgenden Stunden erwerben.

Zwei komplette Outfits, aus denen ich mit Hilfe der Restbestände meines Kleiderschrankes und meinem neu erworbenen Wissen über die Kunst des geschmack-vollen Kombinierens problemlos zehn machen kann, haben mich unter 1000 Euro gekostet - eine angenehme Überraschung.

Aber offenbar gehöre ich mit meinen Durchschnittsmaßen auch nicht zu den Styling-Problemfällen. Petra von Loessl beschreibt, auf welch dünnem Eis sie sich oft bewegt: "Wie bringe ich einer Frau bei, die 75 Kilo wiegt und am liebsten ein pinkfarbenes Kleid in 36 tragen will, dass sich dieses Problem nicht in zwei Stunden und nur durch eine Diät lösen lässt?" Da ist diplomatisches Feingefühl gefragt. "Manchmal gerate ich gehörig ins Schwitzen, wenn ich denen klarmachen muss, dass ich aus ihnen keinen neuen Menschen machen kann."

Was meine Person betrifft,

gibt's nun jedenfalls nichts mehr zu mäkeln. Nach unserem fünfstündigen Bummel-Marathon probiere ich zu Hause noch einmal das Eingekaufte an und bin begeistert: Für einen George-Clooney-Lookalike-Wettbewerb reicht's wohl nicht, aber das alles sieht schon wirklich ordentlich an mir aus. Doch, ich fühle mich ein bisschen mutiger und sicherer.

Zum Abschied erzählt mir meine Personal Shopperin noch die Geschichte eines Kunden, der es 20 Jahre lang gehasst hat, mit seiner Frau Klamotten einkaufen zu gehen. Jetzt plötzlich mache ihm das Ganze richtig Spaß. Das werde ich meiner Freundin aber nicht erzählen.

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Bernd Teichmann

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