Monsieur Louboutin, Sie entwerfen aufregende Schuhe für Frauen. Ihre eigenen hingegen sehen gar nicht extravagant aus.
Ich trage meistens klassische Herrenschuhe – die dunkelbraunen Loafer, die ich jetzt anhabe, sind irgendetwas Englisches.
Würden Sie nicht auch gerne Ihre eigenen Schuhkreationen tragen?
Manchmal entwerfe ich mir Samtpantoffeln. Die trage ich zu Anzügen. Oder Desert- Boots aus Kuhfell, mit weißer Kreppsohle. Einen Tick habe ich jedoch: Nach dem ersten Kratzer landen meine Schuhe in der Schublade.
Das ist eine gute Ausrede, um zu rechtfertigen, dass man nie genug Schuhe besitzen kann. Kennen Sie noch eine Entschuldigung für all die Frauen, die ihren Männern erklären müssen, warum sie ohne das neueste Paar Louboutins nicht leben können?
Ich denke nicht, dass eine Frau dafür eine Entschuldigung braucht. Sie muss nur meine High Heels an- und alles andere ausziehen. Ihre Silhouette wird ihn verführen: Ihre Beine sind länger, ihr Po kommt zur Geltung, die Brüste stechen hervor – wer fragt da noch nach dem Preis?
Woher kommt Ihre Leidenschaft für Frauen und Schuhe?
Reiner Zufall: Ich bin im 12. Arrondissement in Paris aufgewachsen. Dort gibt es ein fantastisches Museum; damals hieß es "Museum für afrikanische Kunst". An der Tür hing ein großes Schild, auf dem ein Schuh mit einem hohen, schmalen Absatz gezeichnet war. Dieser Schuh war durchgestrichen. Die Zeichnung war aus den 50er Jahren, als Frauen noch Pfennigabsätze trugen. In den 70ern, als ich groß wurde, trug keiner mehr solche Schuhe, ich wusste gar nicht, was diese Zeichnung bedeutet. Aber sie faszinierte mich. Statt im Park zu spielen, zeichnete ich diesen Schuh ab. Da war ich zehn. Mit 17 verliebte ich mich auch noch in die Showgirls am Pigalle. Ich wollte unbedingt Schuhe für sie entwerfen.
Ist es Ihnen gelungen?
Nein, aber ich durfte ihre Schuhe polieren, manchmal auch einen Absatz austauschen. Anfangs dachte ich immer: Mein Gott, diese Showgirls essen so viel Fleisch. Sie schickten mich täglich zum Metzger, um kiloweise hauchdünn geschnittene Filets zu kaufen – so fein wie Carpaccio. Bis ich begriff, dass sie die Filetscheiben in ihre Schuhe legten, um ihre Füße zu schützen. Heute, mit fast 45, habe ich es endlich geschafft – ich entwerfe Schuhe für meine geliebten Showgirls des "Le Crazy Horse".
Dita van Teese, eine Star- Tänzerin dieses Varietés, gehört zu Ihren besten Kundinnen. Es gibt kein Foto von ihr, auf dem ihre Schuhsohlen nicht rot aufblitzen. Die rot lackierte Sohle – wie sind Sie darauf gekommen?
Das war 1992. Ich saß in meinem Atelier und verglich ein fertiggestelltes Modell mit meiner Zeichnung. Obwohl Prototyp und Entwurf verblüffend ähnlich waren, fehlte dem Schuh etwas. Die Zeichnung schien kraftvoller zu sein. Meine Assistentin, eine Perserin, saß ein paar Meter weiter und lackierte sich die Fingernägel rot. Ich schnappte mir ihren Nagellack und bestrich damit die Sohle des Schuhs. Peng, perfekt. So war das.
Zählen Sie in Society-Magazinen nach, wie viele Prominente Ihre Schuhe tragen?
Natürlich. Das ist doch lustig zu sehen. Das Modell "Very Privé", das auch Gwyneth Paltrow und Angelina Jolie besitzen, kostet 600 Euro ... Ab 600 Euro. Und es ist ausverkauft. Aus Krokodilleder kann der „Very Privé“ bis zu 3000 Euro kosten. Ist auch ausverkauft.
Ihre Schuhe mit bis zu 15 Zentimeter hohen Absätzen sind nicht nur schwindelerregend hoch, sondern auch schwindelerregend teuer
Schauen Sie: Sie tragen die Kleidung, richtig? Aber der Schuh trägt Sie. Schuhe formen die Körpersprache – das ist doch sehr wertvoll, nicht? Wer geizen will, kann geizen. Aber bei Schuhen zu sparen ist ein Fehler. Die Aufmerksamkeit, die ein Schuh erzielt, ist unbezahlbar. Ich erzähle jetzt mal eine Anekdote: Also, ich stehe in meiner Boutique, und eine Frau kommt rein. Sie war nicht besonders hübsch, aber auch nicht hässlich – recht gewöhnlich, würde ich sagen. Diese Frau zog den "Very Privé" an und sah darin fantastisch aus. Sie sagte zu ihrer Freundin: "Die sind wirklich gut. Und viel billiger als ein Facelift." Sie hat absolut recht. Ich meine, warum lassen sich Frauen das Gesicht liften? Sie wollen begehrenswert sein. Meine Schuhe erzielen dasselbe.
Gibt es Kundinnen, die einen ganz eigenen Louboutin wollen, eine Art Haute-Couture- Version?
Wir machen Special Orders, ja. Für wen, verrate ich nicht. Ich nenne niemals Namen, aus einem Grund: Schuhe sind eine Sucht. Und als Doktor dieser Süchtigen muss ich sehr vorsichtig sein mit meinen Patientinnen. Ich werde diese Sucht natürlich nicht heilen, ich bin eher ein Doktor, der seine Süchtigen unterstützt.
In New York lassen sich Frauen angeblich Botox in die Fußsohlen spritzen, um länger in High Heels laufen zu können.
Gott ja, ich habe davon gehört. Es macht mir Angst. Unter der Fußsohle ist das Nervenzentrum jedes Menschen. Der Gleichgewichtssinn, all diese Dinge fügen sich da zusammen. Ich will niemanden belehren, aber es ist gefährlich, sich Botox in die Füße zu spritzen. Diese Frauen sollten sich lieber beim Metzger ein paar Scheiben Carpaccio kaufen.