Trend Spiele für 2

Die Deutschen sind leidenschaftliche Zocker. Neuerdings rollen die Würfel statt in großer Runde aber immer öfter im intimen Kreis.

Er will doch nur spielen! Wenn Bernward Thole von der Arbeit nach Hause kommt, gibt es für ihn keine bessere Entspannung. Die Vorbereitungen für ein Spiel zu zweit sind rasch erledigt: Während seine Frau den Tisch frei räumt, kramt Thole eine seiner unzähligen bunten Schachteln hervor. Darin ist alles enthalten, was die beiden in den nächsten 20 Minuten brauchen: Spielbrett, Steine und Würfel.

Bernward Thole, 69, ist Leiter des Deutschen Spiele- Archivs in Marburg und leidenschaftlicher Spieler. Von den 35 000 Gesellschaftsspielen an seinem Arbeitsplatz hat er mehr als 1000 schon selbst ausprobiert. Meist muss seine Frau als Partnerin herhalten, denn "als nahe- stehende Person ist sie auch am schnellsten zur Hand", sagt er. Dabei könnte Thole - rein theoretisch - unter etwa 15 Millionen Mitspielern wählen. So viele Deutsche, schätzen die Spiele-Verlage, treffen sich regelmäßig und kämpfen um Edelsteine, Ölvorräte und die Weltherrschaft. Doch weil die Freunde oft weit weg leben und nicht jeder spielfreudige Kinder hat, greifen immer mehr Bundesbürger zu den "Zweierspielen" im Regal. In trauter Atmosphäre lässt sich dabei nicht nur um Sieg und Niederlage, sondern auch um den nächsten Abwasch zocken.

Die Zeiten, in denen man die Massen mit Mühle, Dame oder Schach in Ekstase versetzen konnte, sind allerdings längst passé. Auch in den Regalen für die Zweierspiele türmen sich mittlerweile bunte Schachteln mit vielversprechenden Namen: "Kahuna" beamt die Kontrahenten auf ein Inselatoll, das sie mit Hilfe von Karten und Holzstäbchen unter ihre Herrschaft bringen müssen. Bei "Caesar & Cleopatra" gewinnt der, der am besten bestechliche Beamte schmiert, und das Kartenspiel der "Siedler" deckt das gesellschaftliche Leben der Cataner auf. Zum Sieg gereicht der Besitz von Universitäten und Bibliotheken, die man seiner Stadt anschließt. Beim "Rosenkönig" geht es um nichts weniger als die Krone Englands, die die Spieler mit Hilfe von Macht- und Heldenkarten zu erobern versuchen. Am aufwendigsten ist "Ta Yü" gestaltet: Aus edlen Spielsteinen wird ein Kanalsystem gebaut, das China entwässern soll.

"Heute brauchen Sie auch bei den Zweierspielen ein ausgeklügeltes Szenario und eine attraktive Verpackung, um mit einer Idee zu landen", sagt der Spieleerfinder Reiner Knizia. Mit seinem "Einfach genial", bei dem man bunte Spielsteine geschickt platzieren muss, und dem Expeditionswettspiel "Lost Cities" hat er den Zeitgeist getroffen: Einfache Regeln animieren auch Spielneulinge zum direkten Einstieg. "Lost Cities" wurde mitt- lerweile in zehn Sprachen übersetzt und zählt zu den "Spouse"-Games. "Die Regeln sind so leicht, dass Experten das auch ihrem Lebenspartner schmackhaft machen können", sagt Knizia. Er hat seine Spiele an die Veränderungen der Gesellschaft angepasst: zweisame DINKs und ältere Ehepaare ohne Familienanschluss. "Da muss es ohne große Erklärungen gleich losgehen." Wie bei "Summertime" und "Anasazi", den beiden Neuerscheinungen des Herbstes: Bei "Summertime" zocken die Spieler um Punkte am Palmenstrand, bei "Anasazi" kämpfen sie als Expeditionsteilnehmer um die Schätze der Siedler im Mittleren Westen Amerikas.

Nirgendwo auf der Welt wird so oft das Spielbrett ausgepackt wie in Deutschland. Auf der Spielemesse in Essen treffen sich Jahr für Jahr mehr als 150 000 Fans. Sie hocken auf dem Boden und zocken in der kleinsten Nische, weil der Platz knapp wird. In den englischsprachigen Ländern hat sich schon der Begriff der "German Games" etabliert - als Synonym für das anspruchsvolle Gesellschaftsspiel. "Wenn die Deutschen ein Spiel kaufen, dann muss alles perfekt sein: Regeln, Optik und die Spielfiguren", sagt Niek Neuwahl, der Erfinder von "Ta Yü".

Das erfolgreichste Zweierspiel der letzten zehn Jahre ist mit 1,5 Millionen verkauften Exemplaren der Kartenspielableger der "Siedler von Catan". "Weil man nur durch Interaktion gewinnen kann, spricht das Spiel vor allem Frauen an", sagt "Siedler"-Erfinder Klaus Teuber.

Auch Bernward Thole packt den Inselkampf um Wald, Lehm, Getreide, Erz und Schafe immer wieder gern aus - unter anderem deshalb, weil nicht nur der Sieger eine reiche Ernte einfährt. "Selbst wenn ich gegen meine Frau verliere, bin ich jedes Mal stolz darauf, was ich wieder alles erbaut habe."

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Stéphanie Souron

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