Ich möchte gar nicht angeben, aber trotzdem erlaube ich mir mal zu behaupten, dass ich etwas Ahnung von Fußball habe. Schon lange beschäftige ich mich sehr intensiv damit, und seit ein paar Jahren bekomme ich sogar Geld dafür. Fußball ist eine schöne Nebensache, aber manchmal auch eine sehr ernste Angelegenheit.
Ich habe auch kein Problem mit Menschen, die sich nicht für Fußball interessieren. Das ist vollkommen in Ordnung. Um es mal so zu sagen: Ich habe auch Fußballlaien unter meinen Freunden. Aber mit denen Fußballspiele schauen? Den Fehler mache ich nie wieder.
Tinder statt Tore
Es ist ja nicht so, dass ich es nicht versucht hätte. Doch verschiedene Erlebnisse haben dazu geführt, dass ich keine Lust mehr darauf habe, mit Menschen Fußball zu schauen, die davon einfach keine Ahnung haben. Das EM-Viertelfinale 2016 gegen Italien schaute ich (unter anderem) mit drei Freundinnen, die die 120 Minuten plus Elfmeterschießen in erster Linie dazu nutzten, das Aussehen der Spieler zu bewerten.
Zum folgenden Halbfinale hatte ich einige meiner besten Freunde eingeladen – eine tolle Runde, in der aber nicht das bittere Ausscheiden der deutschen Mannschaft im Vordergrund stand, sondern die ganze Zeit lang nur private Dinge ausgetauscht wurden. Sorry, dafür ist eine Fußballübertragung nicht der richtige Rahmen.
Beim Champions-League-Halbfinale zwischen dem FC Bayern und Real Madrid, einem der wichtigsten Spiele des Jahres, verpassten die beiden Freunde, mit denen ich das Spiel in meinem WG-Zimmer verfolgte, das erste Tor, weil sie mit Tinder beschäftigt waren. Was sie auch nicht weiter störte.
Ich will nicht über Augenbrauen reden!
Und dann das WM-Viertelfinale Russland – Kroatien. Das schaute ich auf einer Geburtstagsfeier, umgeben von Menschen, die meine Kollegin "Ramona" genannt hat: solche, die nur zur Weltmeisterschaft mal Fußball anmachen. Wenn überhaupt. Jemand fragte, ob denn beim Elfmeterschießen jeder Treffer als ein Tor gezählt wurde. Ja, was denn sonst. Oder wie lange denn jetzt die Verlängerung ginge. Aber das ist in Ordnung: Es muss nicht jeder wissen, was Abseits ist. Ich wäre bei einer Diskussion über Autos wahrscheinlich ebenso aufgeschmissen.
Gar nicht ging aber, dass dann jemand während des Elfmeterschießens plötzlich über die Augenbrauen des kroatischen Trainers reden wollte. Über die Augenbrauen des Trainers! Während des Elfmeterschießens!
Fußball ist keine Modenschau
Ich verlange gar nicht, dass beim Fußballschauen nur über die Besetzung der Halbräume geredet wird, es muss auch nicht jedes Spiel ein Taktikporno sein. Aber wenn man ein Fußballspiel anschaut, dann sollte man sich auch damit beschäftigen.
Schließlich geht es immer noch um Tore und Punkte. Ein Fußballspiel ist keine Modenschau. Kein Schönheitswettbewerb auf der Tribüne. Keine Plattform für blöde Witze. Dann schaue ich lieber allein.
Ein wenig hoffe ich, dass keiner meiner Freunde (vor allem keiner der oben erwähnten) diesen Text liest. Falls doch jemand von euch so weit kommt: Ihr Lieben, es tut mir Leid, es ist wirklich nicht persönlich gemeint. Ich treffe mich gerne mit euch ganz in Ruhe, ohne dass wir gemeinsam auf einen Bildschirm gucken. Das mit dem Fußballgucken lassen wir aber mal lieber sein. Wahrscheinlich ist es für uns alle besser so.
