Bizarrer Trend Affen, Truthähne und Ponys - wie Menschen ihre Tiere ins Flugzeug bekommen

Bizarrer Trend: Affen, Truthähne und Ponys - wie Menschen ihre Tiere ins Flugzeug bekommen
In den USA gibt es einen wachsenden Markt für "emotional support animals". Denn wer bei seinem Vermieter oder einer Airline nachweisen kann, dass er sein Haustier aus psychologischen Gründen benötigt, zahlt oft weniger. 

Pat McIver, Sicherheitsangestellter an einem Gericht in Bay City im US-Bundesstaat Michigan, staunte nicht schlecht, als er die Handtasche einer Frau durchleuchtete, die vor Gericht einige Angaben machen musste. Linda Stevenson hatte versucht, ihr Totenkopfäffchen mit ins Gerichtsgebäude zu nehmen, berichtet die britische Zeitung Mirror. Das Äffchen, das auf den Namen Apollo hört, ist mehr als ein Haustier, sagt zumindest seine Besitzerin: Linda Stevenson erklärte dem verdutzten McIver, sie habe das Tier als "emotional support animal" (ESA) registrieren lassen. Diese Tiere sind vergleichbar mit einem Assistenzhund für Menschen mit Behinderung und sollen dafür sorgen, dass es ihren Besitzern gut geht.

In den USA ist rund um die Registrierung dieser Tiere ein eigener Markt entstanden. Denn: Bei vielen Fluggesellschaften zahlt man für Vierbeiner eine Beförderungsgebühr. So verlangt die Lufthansa für die Mitnahme eines maximal 8 Kilogramm schweren Tieres in der Kabine für einen innereuropäischen Flug 70 US Dollar (50€), bei Langstreckenflügen sind es 100 Dollar (70€). Bei American Airlines werden schon für einen Flug innerhalb der Vereinigten Staaten 200 Dollar (178 €) fällig, wenn man sein Tier mit in die Kabine nehmen will. Der Transport von Assistenztieren ist dagegen kostenlos. Das führte zu kuriosen Szenen in der Kabine: Doggen, Schimpansen, Truthäne und Miniponys gelten plötzlich als Assistenztiere und lösen Chaos an Bord aus. Wie die Süddeutsche Zeitung berichtet, bekam etwa der Truthan eine Windel und durfte anschließend erste Klasse reisen. 

Offizielle Stellen zur Registrierung von ESA gibt es nicht

Sein Tier als ESA registrieren zu lassen, kann sich jedoch nicht nur für Leute lohnen, bei denen eine Flugreise ansteht. Denn ein ESA kann auch in der eigenen Wohnung gehalten werden, wenn Tiere eigentlich verboten sind, oder der Vermieter deshalb die Miete erhöhen möchte.  Damit werben jedenfalls die Websites, auf denen man sich Zertifikate ausstellen lassen kann, die das Lieblingshaustier zum ESA erklären. Und davon gibt es inzwischen einige: Eine entsprechende Google-Suche zeigt alleine auf der ersten Seite sieben verschiedene Unternehmen, die anbieten, das Haustier als emotional support animal registrieren zu lassen. Eine offizielle Stelle dafür gibt es nicht, schreibt auch der Guardian, dessen Redakteurin im Selbstversuch mehrere Angebote getestet hat. Der Handel mit den Zertifikaten findet auf dem freien Markt statt. Deshalb sind die Anbieter auch vollkommen frei in der preislichen Gestaltung. Bei "Service Dog Certifications" kann man sein Tier für 39 US-Dollar (ca. 35€) registrieren lassen und bekommt dafür eine Art Ausweis, auf dem auf Wunsch das Foto des Hundes abgebildet ist. Eine zusätzliche Urkunde kostet 30 Dollar (ca. 27€) extra. Das Zertifikat ersetzt allerdings nicht das Schreiben eines "ESA Doctors" und sollte nur in Verbindung damit verwendet werden. Das schreibt Service Dog Certifications auf seiner Website, gleich neben dem Hinweis, dass man nichts mit irgendeiner staatlichen Institution zu tun habe.

Und auch die ESA Doctors klingen nur auf den ersten Blick professionell. Wer genau hinter dem Angebot steckt, ist unklar, ein Impressum gibt es nicht. Dafür große Versprechen."ESA Doctors kann Ihnen helfen, Ihr Tier zur emotionalen Unterstützung gegen Diskriminierung, Mieterhöhungen, Reisegebühren für Haustiere und Mietkautionen zu schützen" heißt es auf der Website. Der Weg dorthin klingt wirklich einfach: Zuerst füllt man einen Onlinefragebogen aus, der anschließend von einem Team aus"mental health professionals" ausgewertet wird. Wenn diese entscheiden, dass man die Voraussetzungen zur Haltung eines Tieres zur emotionalen Unterstützung erfüllt, bekommt man innerhalb von zwei bis fünf Tagen einen entsprechenden Brief zugeschickt. Falls nicht, erhält man sein Geld zurück. Denn ja, auch hier wird mit dem kleinen Begleiter kräftig Kasse gemacht: Das billigste Angebot, ein ein Jahr lang gültiges Reisezertifikat für das Tier, kostet 149 US-Dollar (132 €). Das teuerste Paket – eine Bestätigung für den Vermieter, das Reisezertifikat und Rabatt bei einer Erneuerung der Zertifikate – kostet 189 Dollar (168€).

Airlines erkennen Zertifikate an

Entstehen konnte dieser Markt durch einen fehlenden rechtlichen Rahmen."Es gibt keine Standards, mit denen man messen kann, ob jemand ein Tier zur emotionalen Unterstützung benötigt, wie etwa bei Assistenztieren", sagt Cassandra Boness, Doktorandin der klinischen Psychologie an Universität Missouri auf deren Website. Und so, wie am Flughafen niemand auf die Idee käme, den Halter eines Blindenhundes dazu zu zwingen, zu beweisen, dass er seinen Assistenzhund benötigt, wird auch niemand ein entsprechendes Zertifikat hinterfragen.

Linda Stevenson hat Apollo zumindest gut erzogen. Als sie ihm sagte, er solle wieder zurück in ihre Tasche gehen, habe er genau das getan, berichtet Pat McIver. Apollos Besitzerin findet ihn "großartig" und sagt, sie würde ihn überall mit hinnehmen. Dank des Zertifikats wohl auch in den Passagierraum des Flugzeugs. 

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