Lieber Franz Josef Wagner,
wir müssen reden. Ich weiß, dass Sie mit Ihrer Kolumne in der "Bild"-Zeitung gerne anecken. Das kann man gut finden oder nicht, ist schlussendlich aber Ihre Entscheidung. Aber jetzt haben Sie da was geschrieben, was mich wirklich und ehrlich auf dem falschen Fuß erwischt hat. Es geht um Ihren Brief an die "Eishockey-Männer", über den ich am Wochenende gestolpert bin.
Ich finde es total schön, dass Sie sich über den Sieg der deutschen Eishockey-Mannschaft gefreut haben. Das war eine tolle sportliche Leistung und hat Anerkennung verdient, keine Frage. Eine kleine Nachricht an die Eishockey-Männer zu schreiben finde ich daher absolut nicht verwerflich. Aber da hört es dann eigentlich auch schon auf.
Der Affenzahn, in dem bei Ihnen "#metoo-Vergewaltigungsmännern in Bademänteln" zu "parfümierten Arschlöchern" werden und die sich dann wiederum in "Männer, die sich für Theater, Ballett oder Malerei interessieren" verwandeln – da kann einem ja schwindelig werden. Ist die Moral dieser Geschichte, dass jeder Mann, der Parfüm trägt und kulturell interessiert ist, im Bademantel Frauen vergewaltigt? Dass ein Mann, der kein Interesse daran hat, jemanden "niederzurennen" oder zu verprügeln, kein Mann ist? Bestimmt nicht, oder? Das wäre ja schließlich ziemlich hinterwäldlerisch und kurzsichtig.
Eishockey-Männer sind für Sie "richtige Männer" und die sind 1,80 Meter groß und wiegen 90 Kilo. Und was ist mit denen, die weniger wiegen? Oder "nur" 1,75 Meter groß sind? Was sind die? Minderwertig? Das können Sie nicht meinen, Herr Wagner, bitte sagen Sie mir, dass Sie das nicht meinen.

Sie wollen den Eishockey-Spielern ein Kompliment machen, das verstehe ich. Sie wollen denen Respekt zollen, die beim sportlichen Wettkampf 110 Prozent geben. Das ist für Sie beim Eishockey mit dem bloßen Auge vielleicht leichter erkennbar als beim Ballett. Nun gut, es sei Ihnen verziehen. Aber in 120 Wörtern gleichzeitig einfach nur so #metoo einzuwerfen, weil das gerade immer gut kommt, dann nicht nur Männern, die gerne ins Theater gehen vorzuwerfen, sie wären keine echten Männer, sondern auch jedem Eishockey-Spieler zu sagen, er dürfe sich nicht für Malerei interessieren und zu guter Letzt auch noch eine Behauptung darüber aufzustellen, was alle "hübschen ledigen" Frauen auf der Welt so gut finden – ich bitte Sie, Herr Wagner, das kann doch unmöglich ihr Ernst sein. Damit beleidigen Sie nicht nur viele, viele Männer auf dieser Welt, sondern auch ihre Frauen.
Ich mag parfümierte Männer. Und Männer, die gerne in die Oper gehen. Und Männer, die 1,80 Meter groß sind und sich beruflich auf dem Eis gegenseitig über den Haufen rennen. Ich achte da auf andere Sachen, Herr Wagner. Sollten Sie vielleicht auch mal versuchen.
Herzlichst,
Ihre Jule Schulte
