"Bild"-Kolumnist Franz Josef Wagner im Alter von 82 Jahren gestorben

Der Journalist und Kolumnist Franz Josef Wagner
Der Journalist und Kolumnist Franz Josef Wagner ist gestorben
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Franz Josef Wagner galt vielen als Prototyp des Kolumnisten schlechthin. Rund 25 Jahre war er Autor der täglichen Kolumne "Post von Wagner" in der "Bild". Nun ist er gestorben.

Der langjährige "Bild"-Kolumnist Franz Josef Wagner ist tot. Er starb im Alter von 82 Jahren, wie der Springer-Verlag mitteilte. Mit "Post von Wagner" in Deutschlands größter Boulevardzeitung zählte der Journalist und Publizist über viele Jahrzehnte zu den bekanntesten deutschen Kolumnisten. Man kann vielleicht sogar sagen: Er war der Kolumnist schlechthin.

"Herzlichst, Ihr Franz Josef Wagner"

Die knappe, knackige Kolumne, in der er sich seit 2001 als markiger Typ präsentierte, sah vom Aufbau her immer gleich aus. Auf Seite zwei der "Bild" begann sie mit der Anrede "Liebe(r)…". Die Adressaten – von Prinzessin Kate, Straftätern, National-Elf, Papst, Eisbär-Baby, Hurrikan bis Bundeskanzler – bekamen mal mehr, mal weniger ihr Fett weg. Es war ein Brief, den nicht jeder bekommen wollte.

Die Kolumne schloss stets so: "Herzlichst, Ihr Franz Josef Wagner". Die Kolumnen hatten immer wieder eine besondere Mischung: So enthielten sie zum Beispiel etwas Liebliches, etwas Beeindruckendes, etwas Verrücktes, etwas Bitterböses.

Spitzname "Gossen-Goethe"

Wagner lobte. Wagner lästerte. Sein Werk erreichte mancherorts Kultstatus: Der Journalist und stern-Kolumnist Micky Beisenherz zum Beispiel las in seinem Podcast ("Apokalypse & Filterkaffee") als Rauswurf-Gag immer wieder die Kolumnen mit ziemlich schräger Stimme vor. Während die einen von einer Journalisten-Legende sprachen, zog Wagner auch viel Kritik und Häme – zum Beispiel gab es den Spitznamen "Gossen-Goethe" – auf sich. Ihm wurde unterstellt, gnadenlos zu sein. Ein Scharfmacher zu sein. Ausgrenzend zu sein. Ein eigenartiges Frauenbild zu haben.

Dem "Zeit Magazin" sagte Wagner anlässlich seines 80. Geburtstags im Jahre 2023: "Von meinen vielen Kolumnen gab es sicher die eine oder andere, die ich so lieber nicht geschrieben hätte. Aber keine einzige, von der ich sage: Gott, war ich da total von Sinnen."

Als Kriegsreporter Wasserski-Fahren in Vietnam

Ende 2023 plauderte Wagner mal stundenlang sehr viel rauchend und sehr viel trinkend in seiner Wohnung in Berlin-Charlottenburg mit "Bild"-Kollege Paul Ronzheimer, das kann man in einem Podcast nachhören. In dem Gespräch erzählte der Kolumnist zum Beispiel, dass er mal ein Dreivierteljahr als Kriegsreporter in Vietnam gewesen und dort auch Dinge habe machen können wie Wasserski-Fahren in Saigon.

"Der Kommunismus war für mich natürlich der Feind. Ich kam mir vor als Reporter des Guten. Gescheit waren meine Berichte nicht. Aber sie waren, glaube ich, voller Mitgefühl", sagte Wagner mit rollendem "R". 

Kolumne an das "Bild"-Sekretariat durchtelefoniert

Seine "Bild"-Kolumne, das erfährt man auch im Podcast, telefonierte Wagner stets an das "Bild"-Sekretariat durch – also selbst noch zu Zeiten, in denen es Social Media, Smartphone und ChatGPT gab. Ein Stück alte Welt.

Geboren wurde Wagner als Lehrerkind am 7. August 1943 im heutigen Tschechien. Seine Mutter flüchtete mit ihm und seinem Bruder. Der Vater war im Krieg. Wagner wuchs in Regensburg auf. Nach Gelegenheitsjobs in Genf und Paris, wo er zufällig mal nach eigenen Angaben den Philosophen Jean-Paul Sartre traf, absolvierte er als junger Mann ein Volontariat bei der "Nürnberger Zeitung".

"Kneipenfreund" Andreas Baader

Später arbeitete er als Reporter in München für "Bild". "Ich habe mich oft gelangweilt in Redaktionen. Ich war nie ein Typ, der in Redaktionen saß", sagte Wagner in dem Podcast. Gegenüber der "Bild"-Redaktion sei eine Kneipe gewesen, wo man auch Billard spielen konnte. Dort sei er Andreas Baader ("Kneipenfreund") begegnet, dem späteren RAF-Terroristen. 

Was Wagners Leben auch durchzieht, war die Faszination für das Schriftstellertum. Er war nach eigenen Angaben Ghostwriter für Bücher von Franz Beckenbauer, Udo Jürgens und Boris Becker. Er veröffentlichte auch Romane.

"Bunte", "Super!", "Superillu"

Wagner hatte in seinem Berufsleben viele Top-Positionen. Beim Burda-Verlag war er in den 1990ern Chefredakteur der Illustrierten "Bunte". Er entwickelte auch die deutsche Ausgabe der Modezeitschrift "Elle" und die Burda-Zeitschrift "Superillu" mit. Kurzzeitig leitete er für Burda auch das bald wieder eingestampfte Ost-Boulevardblatt "Super!".

Doch er steckte auch Niederlagen ein. Es gab eine Klage von Hollywood-Schauspieler Tom Cruise wegen falscher Aussagen – für Wagner bedeutete das einen Karriereknick.

Kritik nach Kommentar "Franzi van Speck"

Ende der 1990er wurde der 1,90 Meter große Kettenraucher bei Springer Chefredakteur der "B.Z." und "B.Z. am Sonntag" in Berlin. Wagner hatte immer wieder in seinem Berufsleben mit Beschwerden über seinen Führungsstil zu kämpfen. Kritik brachte ihm ein Kommentar über die Schwimmerin Franziska van Almsick rund um die Olympischen Spiele ("Franzi van Speck – als Molch holt man kein Gold") ein, der als ehrverletzend empfunden wurde. Der "B.Z."-Chefposten war weg. Danach machte der Springer-Verlag ihn zum Kolumnisten.

Was war das Geheimnis von Franz Josef Wagner? Über seine Arbeit als Journalist sprach und schrieb er hier und da. In seinem 2010 veröffentlichten Lebensbericht "Brief an Deutschland" gab der Kolumnist Tipps, zum Beispiel diesen: "Was ich als junger Reporter lernte: Nach Interviews nie im Hausflur mit dem Fotografen reden, weil der Interviewte hören könnte, was für ein Idiot er ist."

Hinweis: Dieser Artikel wurde aktualisiert und um weitere Informationen ergänzt.

DPA
Anna Ringle / rw

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