Münchhausen-Proxy-Syndrom Sie schien ihr Leben lang todkrank zu sein - dabei war es nur der Wahn ihrer Mutter

Eine Frau liegt auf einem Sofa und fässt sich mit einer Hand an den Kopf. Ein Mann sitzt ihr mit Zettel und Stift gegenüber
Hypochondrie äußert sich durch körperliche Beschwerden, die das Vorliegen einer Krankheit nahe legen, ohne dass jedoch eine hinreichende Ursache für die Beschwerden festgestellt werden kann. Quelle: UKE


Typische Verhaltensweisen von Hypochondern:
Körperliches Schonverhalten.
Nicht verordnungsgemäße Einnahme von Medikamenten.
„Doctor shopping“: Erhöhte Inanspruchnahme medizinischer Dienste.


Ein Durchschnittsbürger verursacht 3.000 Euro Krankheitskosten jährlich.
Ein ausgeprägter Hypochonder mehr als 10.000 Euro. 


Als Risikofaktoren für Hypochondrie gelten ein ängstlicher Charakter oder Erfahrungen mit Krankheiten in der Familie.


Auch die Erziehung spielt eine Rolle. Wenn überfürsorgliche Eltern Krankheiten ihrer Kinder dramatisieren, legen sie oft die Basis für eine spätere Hypochondrie.


Faktoren wie Stress oder eine Krise befördern Hypochondrie. 


Hypochonder-Eltern entwickeln eine Besessenheit, wenn es um das Thema Krankheit geht.


Grundsätzlich sind Frauen öfter betroffen als Männer. 


Bis zu 50 Prozent der Hypochonder leiden zusätzlich an einer Depression.  


Erfolgreich behandeln lässt sich Hypochondrie mit Verhaltenstherapie. 
Marisa G.s Kindheit war die Hölle. Sie litt unter furchtbaren Krankheiten und fürchtete, an Brustkrebs zu sterben. Ihre Mutter besuchte Ärzte und Krankenhäuser, um das Kind zu retten. Nur: Alle Krankheiten hatte sich die Mutter ausgedacht.

Wir wissen alle, was ein Hypochonder ist. Manchen gehen die eingebildeten Krankheiten so weit, dass die "Leidenden" Hausarzt und Krankenhaus überzeugen können, sie seien wirklich schwer krank und müssten dringend behandelt werden. Wenn an ihnen sinnlos herumgeschnitten wird, sind sie glücklich. Wer krank ist, genießt Aufmerksamkeit und Mitgefühl. Er steht im Zentrum und hat immer eine Entschuldigung, wenn er Dinge nicht erledigt, die seine Aufgabe sind.

Weniger bekannt sind Hypochonder-Mütter, die die eingebildete Krankheit auf ihre Kinder projizieren. Sie leiden unter dem Münchhausen-Proxy-Syndrom. In diesem perfiden Psycho-Drama spielen sie die aufopfernde Mutter, die alles tut, um das schreckliche Los ihres Kindes zu erleichtern. Tatsächlich haben sie so uneingeschränkte Kontrolle über das Kind, überdies müssen sie sch selbst nicht wegen der Krankheit einschränken und häufig schmerzhafte Therapien über sich ergehen lassen.

Dieser Teil wird an Kinder wie Marisa G. ausgelagert.

Befreiung als Erwachsene

Ihre ganze Kindheit über überzeugte sie ihre Mutter, dass sie an einer ganzen Serie schrecklicher Krankheiten leiden würde. Den unheilvollen Einfluss konnte sie erst als erwachsene Frau abstreifen. Gegen Ende ihres Studiums wollte sich Marisa G. einer von Mamas Krankheiten stellen. Sie glaubte an einer fortschreitenden Verdrehung der Wirbelsäule zu leiden und wollte erfahren, wie lange es noch dauere, bis sie ein Stützkorsett tragen müsse und wann sie schließlich im Rollstuhl landen werde.

Außer einer leichten Erkältung fanden die Ärzte keinen Befund im Oberkörper der Frau. Da erkannte Marisa G. das perfide Spiel ihrer Mutter. Der "Guardian" druckte ihre Leidensgeschichte ab.

Münchhausen-Proxy-Syndrom der Mutter

Ihre Krankheitsgeschichten begannen, als sie zur Schule sollte. Die Mutter war der Meinung, ihr Kind sei zu krank für diese Belastung. "Ich war sechs Jahre alt und meine Eltern geschieden, da verpasste ich die Hälfte der ersten Klasse, weil sie überzeugt war, dass meine Magenschmerzen durch etwas Tödlicheres als Laktoseintoleranz verursacht wurden. Für sie war eine Erkältung eine Lungenentzündung."

Der Ärzteverschleiß der Mutter war groß, innerhalb weniger Jahre hatte sie die Ärzte in der Kleinstadt im Bundesstaat Wisconsin durch. Für die Tochter waren das entwürdigende Jahre, Mutter G. ließ ihren Nachbarn, einen Arzt, und den Babysitter die angebliche deformierte Brust der Tochter untersuchen. Beide fanden nichts. Die Mutter aber war überzeugt, dass ihre Tochter Brustkrebs habe, und schleppte sie in die Krankenhäuser. Das Kind Marisa war inzwischen schwer traumatisiert. "Ich vertraute meiner Mutter und betete, dass Gott mich heilen würde. Im Namen Jesu, bitte nimm mir meinen Brustkrebs weg, war auf einer ständigen Schleife in meinem Kopf." Beim Befund "krebsfrei" reagierte sie mit Enttäuschung, so sehr hatte der Wahn der Mutter schon auf sie abgefärbt. Der Vater war entsetzt: "Mein Vater bemerkte meine negative Reaktion und schrie: "Du willst wohl krank sein? Marisa, was ist los mit dir?"".

Marisa ist kerngesund

Später, als sie ein Teenie war, geriet die Mutter in Panik, dass ihre Tochter entführt werden könnte. Also wurden die Spaziergänge gestrichen. Kleine Auffälligkeiten beim Essverhalten führten dazu, dass Marisa G. in eine Klinik für Essstörungen eingewiesen wurde. Das beste Haus in den USA, das auch die Stars aus Hollywood behandelte. Auch diese Ärzte stellten schnell fest, dass Marisa nicht krank war. Die Chefärztin war aber die erste, die den richtigen Verdacht hegte. Nämlich, dass die Mutter unter dem Münchhausen-Proxy-Syndrom leide. Eine seltene Form des Missbrauchs, bei dem die Mutter Krankheiten bei ihrem Kind erfindet. Dennoch dauerte es Jahre, bis sich Marisa G. vollkommen von dem verhängnisvollen Bann lösen konnte.

Nachdem die Mutter ihre "Patientin" verloren hatte, begann sie bei sich Krankheiten zu entdecken. Und ihre Tochter Marisa stellte überrascht Folgendes fest: "Als Erwachsene war ich nie wirklich krank. Ich hatte nie ernsthafte Symptome."

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