Wir wissen alle, was ein Hypochonder ist. Manchen gehen die eingebildeten Krankheiten so weit, dass die "Leidenden" Hausarzt und Krankenhaus überzeugen können, sie seien wirklich schwer krank und müssten dringend behandelt werden. Wenn an ihnen sinnlos herumgeschnitten wird, sind sie glücklich. Wer krank ist, genießt Aufmerksamkeit und Mitgefühl. Er steht im Zentrum und hat immer eine Entschuldigung, wenn er Dinge nicht erledigt, die seine Aufgabe sind.
Weniger bekannt sind Hypochonder-Mütter, die die eingebildete Krankheit auf ihre Kinder projizieren. Sie leiden unter dem Münchhausen-Proxy-Syndrom. In diesem perfiden Psycho-Drama spielen sie die aufopfernde Mutter, die alles tut, um das schreckliche Los ihres Kindes zu erleichtern. Tatsächlich haben sie so uneingeschränkte Kontrolle über das Kind, überdies müssen sie sch selbst nicht wegen der Krankheit einschränken und häufig schmerzhafte Therapien über sich ergehen lassen.
Dieser Teil wird an Kinder wie Marisa G. ausgelagert.
Befreiung als Erwachsene
Ihre ganze Kindheit über überzeugte sie ihre Mutter, dass sie an einer ganzen Serie schrecklicher Krankheiten leiden würde. Den unheilvollen Einfluss konnte sie erst als erwachsene Frau abstreifen. Gegen Ende ihres Studiums wollte sich Marisa G. einer von Mamas Krankheiten stellen. Sie glaubte an einer fortschreitenden Verdrehung der Wirbelsäule zu leiden und wollte erfahren, wie lange es noch dauere, bis sie ein Stützkorsett tragen müsse und wann sie schließlich im Rollstuhl landen werde.
Außer einer leichten Erkältung fanden die Ärzte keinen Befund im Oberkörper der Frau. Da erkannte Marisa G. das perfide Spiel ihrer Mutter. Der "Guardian" druckte ihre Leidensgeschichte ab.
Münchhausen-Proxy-Syndrom der Mutter
Ihre Krankheitsgeschichten begannen, als sie zur Schule sollte. Die Mutter war der Meinung, ihr Kind sei zu krank für diese Belastung. "Ich war sechs Jahre alt und meine Eltern geschieden, da verpasste ich die Hälfte der ersten Klasse, weil sie überzeugt war, dass meine Magenschmerzen durch etwas Tödlicheres als Laktoseintoleranz verursacht wurden. Für sie war eine Erkältung eine Lungenentzündung."
Der Ärzteverschleiß der Mutter war groß, innerhalb weniger Jahre hatte sie die Ärzte in der Kleinstadt im Bundesstaat Wisconsin durch. Für die Tochter waren das entwürdigende Jahre, Mutter G. ließ ihren Nachbarn, einen Arzt, und den Babysitter die angebliche deformierte Brust der Tochter untersuchen. Beide fanden nichts. Die Mutter aber war überzeugt, dass ihre Tochter Brustkrebs habe, und schleppte sie in die Krankenhäuser. Das Kind Marisa war inzwischen schwer traumatisiert. "Ich vertraute meiner Mutter und betete, dass Gott mich heilen würde. Im Namen Jesu, bitte nimm mir meinen Brustkrebs weg, war auf einer ständigen Schleife in meinem Kopf." Beim Befund "krebsfrei" reagierte sie mit Enttäuschung, so sehr hatte der Wahn der Mutter schon auf sie abgefärbt. Der Vater war entsetzt: "Mein Vater bemerkte meine negative Reaktion und schrie: "Du willst wohl krank sein? Marisa, was ist los mit dir?"".
Marisa ist kerngesund
Später, als sie ein Teenie war, geriet die Mutter in Panik, dass ihre Tochter entführt werden könnte. Also wurden die Spaziergänge gestrichen. Kleine Auffälligkeiten beim Essverhalten führten dazu, dass Marisa G. in eine Klinik für Essstörungen eingewiesen wurde. Das beste Haus in den USA, das auch die Stars aus Hollywood behandelte. Auch diese Ärzte stellten schnell fest, dass Marisa nicht krank war. Die Chefärztin war aber die erste, die den richtigen Verdacht hegte. Nämlich, dass die Mutter unter dem Münchhausen-Proxy-Syndrom leide. Eine seltene Form des Missbrauchs, bei dem die Mutter Krankheiten bei ihrem Kind erfindet. Dennoch dauerte es Jahre, bis sich Marisa G. vollkommen von dem verhängnisvollen Bann lösen konnte.
Nachdem die Mutter ihre "Patientin" verloren hatte, begann sie bei sich Krankheiten zu entdecken. Und ihre Tochter Marisa stellte überrascht Folgendes fest: "Als Erwachsene war ich nie wirklich krank. Ich hatte nie ernsthafte Symptome."