Seit nunmehr 29 Tagen wird in Den Haag der vielleicht längste Gottesdienst in der Geschichte der evangelischen Kirche abgehalten. Doch was erstmal nach einer sehr fanatischen Gemeinde klingt, entpuppt sich als rührender Akt der Nächstenliebe: Die Bethel-Kapelle versucht, die Abschiebung einer armenischen Flüchtlingsfamilie hinauszuzögern. Seit 29 Tagen non-stop Bibelverse, Kirchenlieder, Gebete, Lesungen – sogar eine Rede von Amal Clooney wird vorgetragen.
"Als wir angefangen haben, wussten wir, dass wir für diesen Gottesdienst einen langen Atem brauchen werden, dass wir hier Wochen oder sogar Monate sitzen könnten", sagt Theo Hettema, Mitorganisator der Aktion und Vorsitzender des allgemeinen Kirchenrates der Protestantischen Kirche von Den Haag gegenüber dem niederländischen Online-Magazin "Trouw.nl". Die Hilfsbereitschaft ist groß: Aus dem ganzen Land reisen Helfer an, die dafür sorgen, dass der Gottesdienst rund um die Uhr stattfinden kann. Priester wechseln sich mit den Andachten ab.
Mit Dauer-Gottesdienst keine Abschiebung
Familie Tamrazyan kam vor neun Jahren aus Armenien in die Niederlande, da der Vater als aktives Mitglied der Oppositionspartei in seiner Heimat mit dem Tode bedroht wurde. Ein Gericht gewährte der Familie Asyl, dass die Regierung ihnen jedoch wieder aberkannte. Im Oktober sollte die Familie nun abgeschoben werden – doch sie suchten Kirchenasyl in der Kapelle in Den Haag, in der sie seitdem leben müssen.
Aber warum das alles eigentlich? In den Niederlanden ist es Polizisten verboten, einen Gottesdienst zu stören. Und wenn die Familie das Gotteshaus nicht verlässt, können sie nicht abgeschoben werden. Also muss es immer weitergehen mit dem Beten im Akkord. Ausgang ungewiss.