Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat Medienberichten zufolge den Bürgermeister der Hafenstadt Odessa, Hennadij Truchanow, ausgebürgert. "Ebenso wurde das Vorhandensein einer russischen Staatsbürgerschaft bei mehreren Personen bestätigt, entsprechende Entscheidungen zu ihnen wurden vorbereitet. Das Dekret wurde unterzeichnet", teilte Selenskyj bei Telegram nach einer Sitzung mit Geheimdienstchef Wassyl Maljuk mit, ohne Namen zu nennen. Truchanow könnte sogar eine Abschiebung drohen.
Im staatlichen einheitlichen Nachrichtenprogramm wurde daraufhin auf Basis von Quellen im Präsidentenbüro bestätigt, dass dies Truchanow betrifft. Truchanow selbst wies den Vorwurf bereits mehrfach zurück. "Ich habe nie einen russischen Pass besessen", sagte er dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen nach Bekanntwerden des Entzugs der ukrainischen Staatsbürgerschaft. Truchanow will dagegen klagen und verwies dabei auf eine geheimdienstliche Überprüfung seiner Person im Jahr 2022.
Mit dem Verlust der Staatsangehörigkeit ist das gewählte Stadtoberhaupt auch praktisch seines Amtes enthoben. Selenskyj leitete gemäß einer Antwort auf eine Petition parallel dazu die Schaffung einer Militärverwaltung für die strategisch wichtige Hafenstadt ein. Truchanow, der Russland immer wieder wegen der vielen Angriffe auf Odessa verurteilte, ist seit 2014 Bürgermeister der Millionenstadt. Bereits während des damaligen Wahlkampfes wurde der Verdacht einer russischen Staatsbürgerschaft laut.
Autoritäre Tendenzen bei Wolodymyr Selenskyj?
Aufgrund des geltenden Kriegsrechts fallen die eigentlich Ende Oktober fälligen Kommunalwahlen aus. Die Vollmachten aller kommunalen Vertreter wurden durch einen Parlamentsbeschluss bis Ende des Krieges bestätigt.
Selenskyj werden bereits seit längerem unter anderem vom Bürgermeister der Hauptstadt Kiew, Vitali Klitschko, autoritäre Tendenzen vorgeworfen. Zwischen Klitschko und dem von Selenskyj eingesetzten Militärverwalter Tymur Tkatschenko ist es in den vergangenen Tagen zu öffentlich ausgetragenen Auseinandersetzungen gekommen.
Der bereits zu sowjetischen Zeiten gegen Dissidenten praktizierte Entzug der Staatsbürgerschaft ist unter Selenskyj und seinem Vorgänger Petro Poroschenko wieder üblich geworden. Im Juli hatte Selenskyj den Vorsteher der ehemals mit Moskau verbundenen ukrainisch-orthodoxen Kirche, Onufrij, ausgebürgert. Die Ukraine wehrt sich seit mehr als dreieinhalb Jahren gegen die russische Invasion.