Auch wenn das Ergebnis der ersten Runde der Präsidentschaftswahl in Frankreich am Sonntagabend gespannt erwartet wird, ist damit noch keine Entscheidung über den nächsten Präsidenten gefallen. Seit Einführung der Direktwahl des Präsidenten vor 50 Jahren hat noch kein Kandidat in der ersten Runde die erforderliche Mehrheit von 50 Prozent der Stimmen erhalten.
Die Entscheidung fiel immer erst in der zweiten Runde, die diesmal am 6. Mai stattfindet. Und immerhin drei Mal wurde der Erstrundensieger in der Stichwahl geschlagen. Dies passierte 1974 dem Sozialisten François Mitterrand, der in der ersten Runde deutlich besser abschnitt als der Konservative Valérie Giscard d'Estaing, in der Stichwahl dann aber knapp unterlag.
1981 war es dann genau umgekehrt: Amtsinhaber Giscard d'Estaing gewann die erste Runde, aber zwei Wochen später wurde Mitterrand zum ersten sozialistischen Präsidenten der Fünften Republik bestimmt. 1995 hatte der Sozialist Lionel Jospin in der ersten Wahlrunde die Nase vorn - und wurde dann von Chirac geschlagen.
Entscheidend bei der Stichwahl ist, wie sich die Stimmen der ausgeschiedenen Kandidaten verteilen. Der aktuelle sozialistische Kandidat François Hollande kann mit der Unterstützung vieler Wähler rechnen, die im ersten Durchgang für einen anderen Bewerber des linken Lagers gestimmt haben - etwa für Jean-Luc Mélenchon, der laut Umfragen auf rund 14 Prozent kommen könnte.
Für den konservativen Staatschef Nicolas Sarkozy könnten am 6. Mai Anhänger der rechtsextremen Front National stimmen, die vor allem einen Sieg der Sozialisten verhindern wollen. Eher offen ist Meinungsforschern zufolge, wie sich die Wähler des Zentrumspolitikers François Bayrou in der Stichwahl verhalten werden.