Mordfall Metzler "Ich war meine eigene Marionette"

Noch zu Beginn des Prozesses hatte der wegen heimtückischen Mordes angeklagte Rechtsreferendar erklärt, er habe den Tod Jakob von Metzlers nicht gewollt. Nun hat er sein Geständnis nachgebessert: Er habe den Tod sehr wohl einkalkuliert.

"Ich habe mich selber immer als lieben Menschen gesehen." Mit stockender Stimme versuchte Magnus Gäfgen, angeklagt des heimtückischen Mordes aus Habgier und zur Verdeckung einer Straftat sowie des erpresserischen Menschenraubs, der Freiheitsberaubung und des Diebstahls, zu erklären, was er nach eigenen Worten selbst nicht versteht. Die Entführung und Ermordung des kleinen Jakob von Metzler hat nach seiner Darstellung ein Teil seiner Person ausgeführt, den er selbst verdrängt und gegen den er sich gewehrt hat. Innerlich sei er zerrissen gewesen.

Noch zu Beginn des Prozesses hatte der 28-jährige Rechtsreferendar erklärt, er habe geplant, den elfjährigen Bruder einer Bekannten zu entführen und mit Alkohol zu betäuben, so dass er sich nicht an das Geschehen und damit auch nicht an den Täter erinnern könne. Den Tod Jakobs habe er nicht gewollt, auch wenn ihm diese Möglichkeit bewusst gewesen sei. Diese Darstellung war dem Gericht aber wenig glaubwürdig erschienen.

"Das Unaussprechliche aussprechen"

Am Dienstag nun kündigte Gäfgens Verteidiger Hans Ulrich Endres eine ergänzende Aussage seines Mandanten an. Die "Dynamik eines Prozesses" bewirke, dass ein Angeklagter Erkenntnisse gewinne, "die schon vorher in ihm schlummerten und die er unterdrückte", erklärte Endres. Da könne es passieren, dass man "eine Grenze in der Beurteilung der eigenen Person" überschreite und auf "Widerwärtigkeiten" stoße, die man "mit der eigenen Person nicht in Verbindung bringt". So entstehe die Erkenntnis, dass man "das Unaussprechliche aussprechen muss".

Und dann trug Gäfgen seine neue Sicht der Dinge vor. Im Kern erklärte er, dass ihm während seiner Planung klar geworden sei, dass das Entführungsopfer wohl sterben werde. Sobald Jakob als Opfer festgestanden habe, habe er aber das tödliche Ende verdrängt, da er so etwas nicht mit seiner eigenen Person habe in Verbindung bringen können. "Ich habe mich gegen das, was ich nicht mit mir in Einklang bringen konnte, gewehrt und gesperrt", sagte Gäfgen, der nach eigenen Worten die Planung des Verbrechens nach seiner Examensklausur und juristischen Hausarbeit im April vergangenen Jahres startete.

Antworten im Konjunktiv

Solange das geplante Geschehen noch weit entfernt gewesen sei, habe er ruhig, kalt und sachlich darüber nachdenken können: "Als das Opfer noch kein Gesicht hatte, habe ich den Tod des Opfers einkalkuliert." Das Geschehen habe eine "schreckliche Zwangsläufigkeit" entwickelt, die er verdrängt habe, sobald das Opfer festgestanden habe. Er habe sich geweigert, zu Ende zu denken, sondern habe Schritt für Schritt gehandelt. "Es ging alles automatisch, ich kam da nicht mehr raus." Seine Planung sei aber nur bis zu dem Moment gegangen, in dem er Jakob in seiner Wohnung gefesselt habe. "Danach hatte ich überhaupt keine Planung." Im Prinzip sei er seine eigene Marionette gewesen.

Wirklich festlegen wollte sich Gäfgen aber nach wie vor nicht. "Als Sie Jakob in Ihre Wohnung gelockt hatten, war Ihnen da klar, dass Sie ihn töten würden?", fragte Staatsanwalt Justus Koch. "Ich wollte es nicht, aber mir war wahrscheinlich klar, dass es passieren würde", lautete Gäfgens Antwort. "Wahrscheinlich", "könnte", "müsste" - trotz des Nachhakens von Richter, Staatsanwälten und Vertretern der Nebenklage war aus ihm nicht viel mehr als Konjunktivisches herauszubekommen.

Genauere Nachfragen geblockt

Genauere Nachfragen blockte Endres stets mit dem Verweis ab, dass genau das schon einmal gesagt worden sei. Bis Endres schließlich selbst auf die Frage, ob Gäfgen den Tod Jakobs gewollt habe, ungeduldig herausplatzte: "Er hat ihn gewollt, und er hat ihn in Kauf genommen" - eine so deutliche Aussage hatte Gäfgen bis dahin vermieden. Ob Endres seinem Mandanten damit einen Gefallen getan hat, wird sich bei der Urteilsverkündung zeigen, die sich auf den 29. Juli verschoben hat. Denn die Experten, die am Dienstag ein psychologisches Gutachten Gäfgens vorlegen wollten, mussten sich nach dessen neuer Aussage noch einmal mit ihm unterhalten.

Mirjam Mohr

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