Jeder zweite Beschäftigte hat am Arbeitsplatz schon Erfahrungen mit sexueller Belästigung gemacht. Das geht aus einer am Dienstag veröffentlichten repräsentativen Umfrage der Antidiskriminierungsstelle des Bundes hervor. Demnach ist fast jede fünfte Frau schon einmal gegen ihren Willen von Kollegen berührt worden. Auch zwölf Prozent der Männer berichteten von unerwünschter körperlicher Annäherung.
Als sexuelle Belästigung gilt laut gesetzlicher Definition "unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten" - dazu gehören laut dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) "auch unerwünschte sexuelle Handlungen und Aufforderungen zu diesen, sexuell bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie unerwünschtes Zeigen und sichtbares Anbringen von pornographischen Darstellungen".
Immerhin 13 Prozent der Männer gaben an, Sprüche wie "Setz dich auf meinen Schoß" seien keine Belästigung. Das sahen auch acht Prozent der Frauen so.
Mehr als 70 Prozent kennen keinen Ansprechpartner
Einschätzungen wie diese offenbaren die großen Wissenslücken zum Thema sexueller Missbrauch.
Aus der Umfrage geht ebenfalls hervor, dass die Rechte auf sexuelle Selbstbestimmung vielfach unbekannt sind - und mehr als 70 Prozent der Befragten auch keinen zuständigen Ansprechpartner im Betrieb kennen.
Der Umfrage zufolge gaben 49 Prozent der befragten Frauen und 56 Prozent der Männer an, sie hätten sexuelle Belästigung in einer der gesetzlich definierten Formen bereits erlebt oder beobachtet. Jedoch war nur 17 Prozent der Frauen und sogar nur sieben Prozent der Männer anscheinend klar, dass es sich bei den erlebten Handlungen überhaupt um sexuelle Belästigung handelte.
So hoch jedenfalls war laut Antidiskriminierungsstelle der Anteil derer, die bei der Umfrage vorher angaben, dergleichen schon erlebt zu haben. Zugleich gaben 92 Prozent der Befragten an, dass sie wüssten, dass sexuelle Belästigung verboten sei.
Vielen Personalabteilungen sei anscheinend nicht bewusst, dass Arbeitgeber von sich aus aktiv Hilfen anbieten müssten, kritisierte Lüders. Sexuelle Belästigung im Betrieb dürfe nicht folgenlos bleiben. Die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle, Christine Lüders, sprach von einem "unhaltbaren Zustand".