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An einer Schule in der österreichischen Großstadt Graz wurden am Dienstag mindestens elf Menschen durch Schüsse getötet. Gegen 10 Uhr gingen mehrere Notrufe bei der Polizei ein, die innerhalb von Minuten vor Ort war. Die Behörden sprechen von einem Amoklauf.
Bei einer folgenden Pressekonferenz bestätigen die Behörden sieben weibliche und drei männliche Tote. Unter ihnen soll auch ein Lehrer sein. Der elfte Tote ist der mutmaßliche Schütze. Zudem ist von mehreren Schwerverletzten die Rede, unter ihnen Lehrkräfte und Schüler. Die genaue Anzahl der Verletzten werde derzeit noch ermittelt. Zur Mittagszeit erklärten die Beamten die Lage für gesichert: "Es wird von keiner weiteren Gefahr ausgegangen", hieß es auf der Plattform X.
Ermittlungen zum Motiv des Schützen laufen
Die Tat soll sich am Bundesoberstufenrealgymnasium in der Dreierschützengasse im Nordwesten der Hauptstadt der Steiermark ereignet haben. Nach Schüssen gingen bei der Polizei mehrere Notrufe ein. Der Einsatz begann um 10 Uhr, die Polizei rückte mit 300 Einsatzkräften an. Auch die Antiterroreinheit Cobra war im Einsatz.
Die Polizei sperrte den Bereich um die Schule ab und forderte die Bevölkerung auf, das Areal zu meiden. Das Schulgebäude wurde evakuiert. Die Gegend wurde abgeriegelt und der Verkehr umgeleitet. Schüler und Eltern werden laut Polizei durch ein Kriseninterventionsteam betreut.
Polizei bittet um Hinweise
Mehr als 160 Rettungskräfte waren im Einsatz, sagte ein Sprecher des örtlichen Roten Kreuzes der Nachrichtenagentur DPA. 65 Fahrzeuge sowie mehrere Rettungshubschrauber waren vor Ort. Ein spezieller Alarmplan des Landes für die Versorgung zahlreicher Verletzte sei ebenso aktiviert worden.
Das Bundesinnenministerium bat darum, keine Fotos oder Videos in sozialen Medien zu teilen, "das schützt laufende Ermittlungen, die Opfer und unsere Einsatzkräfte." Hinweise sollten unter dieser Adresse hochgeladen werden: https://upload.bmi.gv.at.
Vater hat mit Sohn in der Schule telefoniert
Ein Vater hat über die Tat gesprochen. Sein Sohn sei in der Schule gewesen und habe angerufen, berichtete er in einem Video des Senders "Puls24". Der Amokläufer in Graz habe in einem Klassenzimmer auf Schülerinnen und Schüler geschossen. Sein Sohn habe berichtet, dass er sich auf den Boden geworfen und tot gestellt habe.
"Ich habe mit eigenen Augen gesehen: drei Kollegen sind getötet worden in der Schule", berichtete der Vater dem Sender, was sein Sohn am Telefon erzählt habe. Er sei unverletzt geblieben.
Sein zweiter Sohn sei erst nicht zu erreichen gewesen, berichtete der Vater, dem mehrfach die Stimme brach. Er habe große Sorge gehabt. Der Sohn habe sich dann aber aus der Halle gemeldet, in die alle überlebenden und nicht verletzten Schülerinnen und Schüler gebracht worden waren.
Der mutmaßliche Täter kommt aus dem Raum Graz
Zum Täter ist, Stand jetzt, nur wenig bekannt. Die Polizei geht derzeit von einem Einzeltäter aus, der selbst die Schule besucht, aber nicht abgeschlossen haben soll. Der 21-jährige Österreicher aus dem Bezirk Graz soll sich nach den Schüssen in einer Toilette selbst getötet haben. Er verwendete zwei Schusswaffen, eine Lang- und eine Kurzwaffe, die er legal erlangt haben soll, heißt es von Seiten der Behörden. Bisher war er nicht polizeilich aufgefallen.
Entsetzen über Gewalttat an Schule – Bilder zeigen den Ort des Geschehens

Der Amokschütze hat einen Abschiedsbrief hinterlassen. Die Polizei habe ein in analoger und digitaler Form vorliegendes Dokument sichergestellt, sagte der Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit, Franz Ruf, im ORF-Fernsehen. Das Schreiben gebe aber keinen Hinweis auf das Motiv des Schützen, so Ruf.
In der Wohnung des Amokschützen hat die Polizei nach eigenen Angaben außer dem Abschiedsbrief auch eine "nicht funktionsfähige Rohrbombe" gefunden. Das teilte die österreichische Polizei am Mittwochmorgen im Onlinedienst X. mit.
Allerdings gewinnt auch in den Augen von Experten die These, dass jahrelanges Mobbing zu Rachegelüsten geführt hat, an Plausibilität. Grundsätzlich sei an Schulen zu beobachten, dass eine steigende Zahl an jungen Menschen sich nicht mehr ausreichend wahrgenommen fühle, was zu latenter oder offener Gewalt führen könne, sagt der Leiter des Schulärztlichen Dienstes der Steiermark, Josef Zollneritsch.
Drei Tage Staatstrauer
Bürgermeisterin Kahr kam persönlich zum Tatort und sprach von einer "furchtbaren Tragödie". Die betroffenen Schülerinnen und Schüler bekämen "schulfrei" diese Woche. "Die Jugendlichen sind zusammen, das ist wichtig, dass sie jetzt nicht allein sind", sagte die Grazer Bürgermeisterin dem "Standard".
Auch Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) war am Vormittag auf dem Weg zum Tatort. Bundeskanzler Christian Stocker (ÖVP) sagte alle Termine des Tages ab und informierte sich am Nachmittag vor Ort über die Lage. Auch er bezeichnete die Bluttat in Graz als "nationale Tragödie" und sprach den Angehörigen der Getöteten sein Beileid aus.
Die Trauer im Land und in Graz, der mit 300.000 Einwohnern zweitgrößten Stadt Österreichs, ist groß. Am Abend kamen Hunderte Menschen zu einem Trauergottesdienst in die Stadt, im Zentrum bildeten zahlreiche Kerzen in Erinnerung an die Toten ein Lichtermeer. In Österreich gilt nun eine dreitägige Staatstrauer, am Mittwoch um zehn Uhr folgt eine bundesweite Trauerminute. Die Flaggen an Präsidentschaftskanzlei und Bundeskanzleramt sowie an anderen offiziellen Gebäuden würden auf halbmast gesetzt.

Schlimmster Amoklauf der Geschichte Österreichs
Bei der Schule handelt es sich um ein sogenanntes Bundesoberstufenrealgymnasium. An solchen Schulen sind Schülerinnen und Schüler in der Regel 14 Jahre und älter. Die Schule zeigt auf ihrer Webseite 17 Schulklassen und ein Foto von rund 40 Lehrkräften.

Die Tragödie dürfte als bisher schlimmster Amoklauf in die Geschichte des Nachbarlandes eingehen. Im Mai 1997 erschoss ein 16-Jähriger in der niederösterreichischen Gemeinde Zöbern eine Lehrerin und verletzte eine zweite schwer. 2018 wurde ein 18-Jähriger nach einem geplanten Amoklauf wegen versuchten Mordes zu sechs Jahren Haft verurteilt. Er hatte vor einer Schule in Mistelbach nördlich von Wien einen 19-Jährigen mit einer Schrotflinte angeschossen und schwer verletzt.
Debatte über Waffengesetze ist zu erwarten
Derweil bahnt sich eine Diskussion über die Waffengesetze in Österreich an, die längst nicht so scharf sind wie in Deutschland. Bestimmte Gewehre kann praktisch jeder 18-Jährige kaufen. Für eine Faustfeuerwaffe, wie sie der Amokschütze einsetzte, ist eine Waffenbesitzkarte nötig. Die wurde dem jungen Mann nach einem psychologischen Test auch ausgestellt.
Deshalb stellen sich umso mehr Fragen, ob die Hürden für den Erwerb, den Besitz oder das Führen von Waffen hoch genug sind. Auch eine Diskussion um die generelle Gewährleistung der Sicherheit an Schulen ist zu erwarten.
Rat und Hilfe
Sie haben suizidale Gedanken? Hilfe bietet die Telefonseelsorge. Sie ist anonym, kostenlos und rund um die Uhr unter (0800) 1110111 und (0800) 1110222 erreichbar. Auch eine Beratung über E-Mail oder Chat ist möglich. Eine Liste mit bundesweiten Hilfsstellen findet sich auf der Seite der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention.
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Quellen: Polizei Steiermark, ORF, "Standard", "Kronen-Zeitung", Nachrichtenagentur APA, Nachrichtenagentur DPA