Wie ist es, jahrzehntelang unschuldig hinter Gittern zu sitzen? Und dann nach so langer Zeit in eine Welt entlassen zu werden, die einem mittlerweile fremd geworden ist? Sidney Holmes hat exakt das erlebt. Der 57-jährige US-Amerikaner war 1989 zu einer 400-jährigen Haftstrafe verurteilt worden, weil er einen bewaffneten Raubüberfall begangen haben sollte. Erst im März wurde er freigelassen – nach 34 Jahren.
Nach mehr als drei Jahrzehnten muss er nun erst wieder lernen, ein Leben in Freiheit zu führen. Vieles hat sich verändert, vor allem die technischen Möglichkeiten, zu denen Holmes im Gefängnis keinen Zugang hatte. "Die Technologie überwältigt mich. Ich habe großartige familiäre Unterstützung, aber es wird sicher dauern, bis ich mich an mein neues Leben gewöhnt habe. Dafür habe ich kürzlich das erste Mal Youtube geschaut", erzählte er der "Neuen Zürcher Zeitung".
Keine direkten Beweise oder Zeugenaussagen
Während seiner langen Zeit im Gefängnis hat sich Holmes viel mit Kulinarik und Kochen beschäftigt, in diesem Bereich möchte er in Freiheit eine Anstellung finden. Sein großer Traum: einen Food-Truck zu besitzen. "Aber mir fehlen 34 Jahre Arbeitserfahrung im Lebenslauf, und ich gelte hier draussen als Ex-Insasse", weiß er. "Einen Job zu bekommen, dürfte nicht einfach werden."
Holmes war 22 Jahre alt, als er verurteilt wurde. Ihm wurde vorgeworfen, zwei unbekannten Männern bei einem Raubüberfall als Fahrer geholfen zu haben. Dafür gab es aber weder direkte Beweise noch Zeugen: Holmes wurde verhaftet, weil ihn der Bruder eines Opfers Wochen nach der Tat erkannt haben wollte. Ein Opfer des Überfalls erkannte ihn hingegen nicht sofort, als ihm Fotos vorgelegt wurden. Trotz dieser fragwürdigen Beweislage sprach das Gericht in Florida ein drastisches Urteil: 400 Jahre Haft, Holmes hätte sein ganzes Leben im Gefängnis verbringen müssen.
"Nach dem Urteil war ich verzweifelt. Wütend. Zerstört. Ich war 22 Jahre alt und dachte, ich würde nie mehr aus dem Knast kommen", erinnert sich der US-Amerikaner. Erst in den vergangenen Jahren wurde der Fall neu aufgerollt. Die Staatsanwaltschaft kam dabei zu einer eindeutigen Einschätzung: Hätte sich der Fall heute ereignet, hätten die Indizien noch nicht einmal ausgereicht, um überhaupt Anklage zu erheben. Ein Gericht hob das Urteil im März auf.
Quellen: "Neue Zürcher Zeitung" / Universität Michigan / Staatsanwaltschaft

Sehen Sie im Video: Humberto „Beto" Duran aus Kalifornien saß fast 30 Jahre lang vermutlich unschuldig wegen Mordes im Knast. Dank der Organisation „Loyola Project for the Innocent" kam der 48-jährige jetzt frei und kann sein Glück kaum fassen.