Haussklavin-Prozess Der Wunsch nach Geborgenheit

Auf der Suche nach familiärer Nähe wird eine junge Frau neun Monate eingesperrt und gequält. Nun ist das Urteil gegen ihre Peiniger gesprochen. Doch Genugtuung oder Hass sind dem Opfer nicht anzumerken.

Die junge Frau erlebte ein monatelanges Martyrium, dennoch bricht sie in Tränen aus, als die Angeklagte im "Haussklavin"-Prozess zur ihr sagt: "Du weißt genau, dass ich Dich immer gern gehabt habe". Nach dem Urteil gegen ihre Peiniger - ein arbeitsloses Ehepaar aus Haßmersheim - verlässt die 21-Jährige wortlos das Landgericht Mosbach. Acht Jahre und zehn Monate Haft wegen Geiselnahme in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung lautet das Urteil für den 51-jährigen Angeklagten. Seine 46 Jahre alte Frau erhält eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten wegen Geiselnahme. Beide hatten ein Teilgeständnis abgelegt.

Der alkoholkranke und drogenabhängige Mann gab zu, die heute 21-Jährige gegen ihren Willen festgehalten und misshandelt zu haben, wenn er betrunken war. Seine Frau und seinen Sohn nahm er in Schutz, sie hätten unter seinem Einfluss gestanden. Die Ermittlungen gegen den 15-jährigen Sohn der Familie waren eingestellt worden, da gegen ihn laut Staatsanwaltschaft kein ausreichender Verdacht bestehe. Er bedauere sein Verhalten sehr, ließ der Angeklagte über seinen Anwalt erklären. "Ich möchte mich entschuldigen".

Sehnsucht nach familiärer Bindung

Auf der Suche nach Geborgenheit und einer Wohnung war die junge Frau - eine Internetbekanntschaft des Sohnes - im März 2010 zu der fremden Familie gezogen. Anfänglich schien alles gut zu gehen. Sie habe das Paar mit "Mama" und "Papa" angesprochen, sagte der Anwalt des 51-Jährigen. Die Tat sei nicht von Anfang an geplant gewesen. "Es war eine schleichende Entwicklung", sagte Verteidiger Rainer Heckmann. Ab September wurde die junge Frau gegen ihren Willen festgehalten, so die Staatsanwaltschaft. Sie wurde misshandelt, überwacht und durfte das Haus nicht allein verlassen. Erst im Juni gelang ihr die Flucht.

Ein Gutachten bescheinigt der jungen Frau ein "intensives Bedürfnis nach familiärer Einbindung". Es bestehe ein Zusammenhang zwischen der Fähigkeit, Gewalt zu ertragen und der in Kindheit und Jugend erlebten Gewalt, zitierte das Gericht aus dem schriftlichen Gutachten. Die heute 21-Jährige soll von ihrem Stiefvater misshandelt worden sein und wuchs zeitweise im Heim auf.

Und die mitangeklagte Ehefrau? Das Gericht ging von einer Mittäterschaft der 46-Jährigen aus, die in ihrer Kindheit misshandelt wurde und die Schule nicht beenden durfte. Ohne sie wäre der Mann nicht in der Lage gewesen, die Geiselnahme so lange aufrecht zu halten. Sie habe die junge Frau nicht geschlagen, "aber ohne sie wäre das alles nicht möglich gewesen", sagte der Vorsitzende Richter Alexander Ganter.

Bereits die zweite Verurteilung

Die ebenfalls drogenabhängige Frau gab zu, dass sie nicht gewagt habe, sich gegen ihren gewalttätigen Mann zu stellen. "Es tut mir unendlich leid, dass ich nicht die Courage hatte, ihr zu helfen", erklärte sie über ihre Anwältin. Immer wieder brach die 46-Jährige während des zweiten Verhandlungstages in Tränen aus. Eine Bewährungsstrafe, wie von der Verteidigung für die Frau gefordert, kam für das Gericht nicht infrage. Denn die Frau war gemeinsam mit ihrem Mann bereits 2002 wegen der Misshandlung einer Verwandten vom Landgericht Heidelberg verurteilt worden.

Beide hatten demnach die damals minderjährige Schwester der Frau mehrfach schwer mit einer Eisenstange und einer Kette verletzt. Der Mann bekam damals viereinhalb Jahre Haft, die Frau eine zweijährige Bewährungsstrafe.

Die Anwältin der 46-Jährigen sieht in ihr vor allem ein Opfer. "Neben mir sitzt ein Mensch, der behandelt wurde wie ein Tier", sagte Anwältin Anke Stiefel-Bechdolf. Die Frau habe wegen ihrer Kindheit und der Gewalt ihres Mannes keinen eigenen Willen mehr gehabt. "Sie hätte zur Polizei gehen können, aber dazu war sie nicht in der Lage".

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Friederike Marx, dpa

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