Vor dem Mordprozess im Fall der vergewaltigten Inderin hat ein Anwalt der Polizei vorgeworfen, die Beschuldigten gefoltert zu haben. Sie seien mit Eisenstangen schwer misshandelt worden, um Geständnisse zu erzwingen, sagte Anwalt Manohar Lal Sharma am Mittwoch. Sharma vertritt nach eigenen Angaben drei der fünf volljährigen Beschuldigten, darunter den Busfahrer, dessen Bruder und einen Tagelöhner.
Der eigentliche Mordprozess soll vor einem Schnellgericht geführt werden. Den fünf volljährigen Beschuldigten, die im berüchtigten Tihar-Gefängnis in der Hauptstadt Neu Delhi sitzen, droht die Todesstrafe. Beim sechsten Verdächtigen wird noch geprüft, ob er wie angegeben noch minderjährig ist. Um das Strafmaß abzumildern, haben zwei volljährige Beschuldigte laut Medienberichten angeboten, als Belastungszeugen gegen ihre Mitangeklagten auszusagen. Ob diese beiden Angeklagten beim Prozess einen Rechtsbeistand haben werden, wurde noch nicht bekannt.
Verteidiger Sharma sagte, seine drei Mandanten würden in dem Prozess auf nicht schuldig plädieren - und das, obwohl laut Information der Staatsanwaltschaft am Tatort DNA-Spuren nachgewiesen wurden, die beweisen, dass alle Beschuldigten an der Tat beteiligt waren. "Wir hören nur, was die Polizei sagt. Das sind manipulierte Beweise. Es beruht alles auf Hörensagen und Vermutungen", sagte Sharma. "Wer auch immer dieses furchtbare Verbrechen begangen hat, muss bestraft werden", sagte der Anwalt am Mittwoch. "Aber meine Mandanten sind nicht dafür verantwortlich."
Anwalt fordert faires Gerichtsverfahren
Den Äußerungen des Verteidigers zufolge, hat die indische Polizei zu unlauteren Methoden gegriffen, um die Ermittlungen voranzubringen. "Ich komme gerade aus dem Tihar-Gefängnis, nachdem ich einen der Beschuldigten getroffen habe", sagte Sharma. "Er ist während des Verhörs brutal gefoltert worden. (...) Viel von dem, was die Polizei sagt, ist frei erfunden." Die Polizei sei unter Druck gewesen, den Fall schnell zu lösen. Mehr als eine Woche lang seien die Männer verhört und dabei mit Eisenstangen misshandelt worden. Sharma forderte ein faires Gerichtsverfahren für die Beschuldigten.
Unter Anwälten in Neu Delhi war ein Streit darüber entbrannt, ob man die Beschuldigten angesichts der Grausamkeit der Tat überhaupt verteidigen dürfe. Die Anwaltskammer am Gerichtsstandort hatte mitgeteilt, ihre Mitglieder würden das Mandat verweigern. Bei einer Anhörung am Montag hatten sich zwei Anwälte jedoch bereiterklärt, die Beschuldigten zu vertreten, und damit einen Tumult unter ihren Kollegen ausgelöst. Bei einem der beiden Juristen handelte es sich um Sharma.
Sturm der Entrüstung in ganz Indien
Das mittlerweile verstorbene Opfer war Mitte Dezember in einem privaten Kleinbus in der Hauptstadt Neu-Delhi von mehreren Männern vergewaltigt, mit einer Eisenstange traktiert und aus dem fahrenden Fahrzeug geworfen worden. Polizeiangaben zufolge versuchte der Fahrer des Busses anschließend, die 23-Jährige zu überfahren. Sie konnte demnach jedoch von ihrem Freund, der den Angriff überlebte, zur Seite gezogen werden. Die Frau kämpfte zwei Wochen um ihr Leben bevor sie ihren Verletzungen in einer Klinik in Singapur erlag.
Der Fall löste in ganz Indien einen Sturm der Entrüstung aus. Tausende Menschen gingen in zahlreichen Städten auf die Straße. Ihr Zorn richtete sich auch gegen die Regierung und die Polizei, denen sie vorwerfen, zu wenig zum Schutz von Frauen zu unternehmen. In Indien wird im Schnitt alle 20 Minuten eine Vergewaltigung gemeldet. Nur wenige werden strafrechtlich verfolgt