Verhungerte Dreijährige Der Vater verweigert die Aussage

Hätte das verhungerte Mädchen in Franken gerettet werden können, wenn das Jugendamt wachsamer gewesen wäre? Die Behörde ist unter Druck geraten, gegen sie ermittelt wird aber nicht. Der Vater des Kindes sitzt hingegen in Haft - und schweigt.

Nach dem Tod eines drei Jahre alten Mädchens im fränkischen Thalmässing ist das zuständige Jugendamt in Roth erheblich unter Druck geraten. Leiter Manfred Korth wies allerdings am Mittwoch Vorwürfe einer Kinderhilfsorganisation und von Anwohnern zurück, die Behörde habe die Betreuung der vierköpfigen Familie zu früh beendet. Der in Untersuchungshaft sitzende Vater des Mädchens hat bisher jede Aussage zu dem Fall verweigert. Er hatte versucht, nach außen hin den Eindruck einer intakten Familie zu vermitteln.

Auf einer Internetseite berichtet der Mann von seinen "hübschen Kindern, auf die ich sehr stolz bin". Zu seinen Hobbys zähle neben Lastwagen und Modellbau auch die Familie. Dazu stellte der 29-jährige Lkw-Fahrer Fotos von sich und seiner Tochter. Auf einem Bild sitzt sie auf dem Schoß ihres Vaters und trägt ein rosafarbenes Sweatshirt mit einem Herzen.

Das Mädchen aus dem mittelfränkischen Thalmässing war in einer Nürnberger Klinik an Unterernährung gestorben. Die Eltern hatten wegen des bedrohlichen Gesundheitszustands des Kindes den Notarzt gerufen. Schon seit Jahren wurde die Familie vom Jugendamt betreut, das jedoch zuvor keine Anzeichen für eine Gefährdung der Kinder erkannt hatte.

Kind erhielt länger nichts zu essen

Der Vater verweigere bisher jede Aussage, sagte ein Sprecher der Nürnberger Justizpressestelle. Gegen den Mann und seine 26-jährige Frau war Haftbefehl wegen Totschlags durch Unterlassen ergangen. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass das Kind über längere Zeit wenig oder gar nichts zu essen bekam. Darauf wiesen die Ergebnisse der Obduktion hin.

Die Mutter des Mädchens liegt nach einer Operation auf der Intensivstation in Nürnberg. Die Erkrankung der Frau steht in keinem Zusammenhang mit dem Tod des Mädchens. Das Paar hat noch einen vier Jahre alten Sohn. Er ist nach Angaben der Behörden wohlauf und wird derzeit von den Großeltern versorgt.

Keine Ermittlungen gegen Jugendamt

Trotz aller Kritik am Rother Jugendamt sieht die Staatsanwaltschaft bisher keinen Anlass gegen die Behörde zu ermitteln. "Es gibt keinen Hinweis auf ein Mitverschulden der Behörde", heißt es von Seiten der Ankäger. Die Familie sei nach ihrem Umzug vom knapp 40 Kilometer entfernten Schwabach nach Thalmässing im Januar 2005 bis zum April 2007 sozialpädagogisch betreut worden. Zweimal die Woche habe ein Mitarbeiter einer beauftragten Sozialorganisation bei der Familie nach dem Rechten gesehen. "Das war allerdings rein vorbeugend", betonte Jugendamtsleiter Korth. Bei einem unangemeldeten Besuch eines Betreuers im November 2008 habe der Mitarbeiter intakte Verhältnisse vorgefunden. "Für die Kinder hatte keine Gefahr bestanden", so Korth.

Dessen ungeachtet warf die Deutsche Kinderhilfe dem zuständigen Jugendamt vor, trotz erster Anzeichen von Vernachlässigung des dreijährigen Mädchens auf weitere Hausbesuche verzichtet zu haben. Die Organisation forderte daher neben einem Kinderschutzgesetz auch bundesweit einheitliche Qualitätsstandards für Jugendämter und freie Träger. Offenbar sperrten sich Kommunen aus Angst vor zusätzlichen Kosten gegen solche Standards, betonte das Kinderhilfswerk in einer Mitteilung. Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU) kündigte als Reaktion auf den Fall ein Kinderschutzgesetz gleich zu Beginn der nächsten Legislaturperiode angekündigt. "Der Kinderschutz kann nicht warten. Das Gesetz muss umgehend nach der Wahl wieder eingebracht werden", sagte die CDU-Politikerin.

AP · DPA · Reuters
DPA/AP/Reuters

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