Der Vater der verhungerten dreijährigen Sarah aus dem fränkischen Thalmässing muss 13 Jahre ins Gefängnis. Das Nürnberger Schwurgericht verurteilte den 30-jährigen Lastwagenfahrer Patrick R. am Donnerstag wegen Mordes und Misshandlung von Schutzbefohlenen. "Der Angeklagte unternahm nichts, um Sarah vor dem Hungertod zu retten", sagte der Vorsitzende Richter Richard Caspar. Sarah war am 10. August 2009 stark unterernährt und ausgetrocknet in einem Nürnberger Krankenhaus an Kreislaufversagen gestorben. Das Mädchen hatte zuletzt nur noch rund acht Kilogramm gewogen. Wegen des bedrohlichen Gesundheitszustands des Mädchens hatten die jungen Eltern ein paar Tage vor Sarahs Tod einen Notarzt gerufen, Klinikärzte konnten das Kind wegen der starken Unterernährung aber nicht mehr retten.
Noch einmal zeichnete Caspar am Donnerstag den Leidensweg Sarahs nach, die mit drei Jahren in einer Klinik starb: "Der Hungertod der kleinen Sarah hat wohl niemanden unberührt gelassen, auch nicht das Gericht", begann er seine Urteilsbegründung. Und man frage sich: "Was sind das für Eltern?"
Eine heile Familienwelt sieht anders aus. Caspar beschrieb ausführlich die Situation der Familie: Während ihr älterer Bruder in den Kindergarten ging und viel Zeit bei den Großeltern verbrachte, musste Sarah meist zu Hause bleiben. Die Mutter saß vor dem Fernseher oder chattete am PC. "Die Kinder liefen nebenher."
Zudem habe sie ihren Mann betrogen. Der Angeklagte arbeitete als Fernfahrer, war viel unterwegs. Und wenn er am Wochenende zu Hause war, habe er sich mit seiner Playstation beschäftigt, fasste Caspar Zeugenaussagen zusammen. "Es bestand keine emotionale Bindung zu den Kindern." Sarah sei auch nicht "geplant" gewesen, erläuterte er.
Verkotete Matratze, heruntergelassene Jalousien
Verwandten und Bekannten war 2009 aufgefallen, dass Sarah abgemagert war. Aus Angst davor, das Jugendamt könnte sich einschalten, hätten die Eltern das Kind fortan versteckt, sagte Caspar. Eine tiefere Ursachenforschung blieb dem Gericht verwehrt. Ob die schwer kranke Mutter jemals vor Gericht treten kann, ist ungewiss. Und der Angeklagte verfolgte den Prozess schweigend und zumeist reglos, das Sprechen überließ er seinem Anwalt.
Und so bleibt das Entsetzen über Sarahs Leid, das wohl vom Frühjahr 2009 an dramatisch zunahm. "Die Matratze in ihrem Zimmer war verkotet und verschmutzt. Es gab kaum Spielsachen. Sarah lag fast ausschließlich im Gitterbettchen bei heruntergelassenen Jalousien." Caspar listete auf, wo sich die restliche Familie überall amüsierte, während das Kind daheim vor sich hin vegetierte: beim Trucker-Treffen, im Freibad, auf dem Feuerwehrfest.
Das Verfahren gegen Sarahs Mutter wurde vor Prozessbeginn vorübergehend eingestellt. Die 27-Jährige ist an Krebs erkrankt und bis auf weiteres nicht verhandlungsfähig. Sie war ebenfalls wegen Mordes und Misshandlung angeklagt. "Bei ihr liegt die größere Schuld", erläuterte Caspar. Ihr Mann sei wegen Mordes durch Unterlassen verurteilt worden. Die normalerweise auf Mord stehende lebenslange Freiheitsstrafe sei deshalb abgemildert worden.