Die Pressemitteilung des Landgerichts Ulm bestand nur aus wenigen Sätzen - doch die hatten es in sich. Nach einem zähen Verhandlungstag im Prozess um den Vierfachmord von Eislingen teilte das Gericht mit, dass sich der Angeklagte Frederik Begenat zu der Tat geäußert habe. Weiter heißt es: "Unter anderem erklärte er, auf Bitten von A.H. die 31 Schüsse auf dessen Familienmitglieder abgegeben zu haben." Der 19-Jährige will also alleine die Schüsse auf die vierköpfige Familie Häussler abgegeben haben. Dabei sind Vater, Mutter und die beiden Schwestern seines Freundes Andreas Häussler getötet worden.
Frederiks Geständnis ist eine faustdicke Überraschung, die einem der spektakulärsten Mordprozesse der vergangenen Jahre eine neue Wendung gibt. Bislang ging die Staatsanwaltschaft Ulm davon aus, dass sowohl Andreas als auch Frederik in der Nacht zu Karfreitag auf die vier Häusslers geschossen haben. Nach Darstellung der Anklage sollen die beiden 19-Jährigen zunächst die Schwestern Ann-Christin, 24 und Annemarie, 22, getötet haben. Neun beziehungsweise zehn Schüsse hätten sie mit Kleinkaliberpistolen der Marken "Hämmerli" und "Ruger" abgefeuert. Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft schoss Andreas mit der "Hämmerli", Frederik mit der "Ruger". Auch bei der anschließenden Ermordung der Eltern hätten mit ziemlicher Sicherheit beide Angeklagten geschossen, so die Staatsanwälte. Das Motiv sei Habgier gewesen. Andreas Häussler wollte an das Geld der Mutter - 256.000 Euro liegen auf einem Schweizer Konto, Frederik sollte beteiligt werden, nimmt die Staatsanwaltschaft an.
"Wir waren das zusammen", sagte Frederik zunächst aus
Bei einer Vernehmung kurz nach der Tat hatte Frederik den Mord zugegeben und ausgesagt: "Wir waren das zusammen." Dieser Satz erscheint jetzt in einem neuen Licht. Klar scheint nach wie vor zu sein, dass die beiden Freunde den Vierfachmord zusammen geplant hatten, ihre Opfer zusammen in eine Falle gelockt und auch gemeinsam versucht haben, die Spuren zu verwischen. Doch hat wirklich nur Frederik geschossen? Und falls ja, warum?
Frederiks Anwalt äußerte sich nach dem Geständnis nur kurz. Sein Mandant habe ein "neutrales Verhältnis" zu den Eltern und Schwestern Häussler gehabt und sie nicht gehasst, so Klaus Schulz. Auch habe Frederik nichts von dem Konto gewusst. Mit einem Motiv "tut er sich ganz arg schwer". Eines sei aber sicher, meint der Anwalt: Frederik befand sich in einem Abhängigkeitsverhältnis zu Andreas.
Wurde er zum Mörder, um seinen Freund nicht zu verlieren?
Hat Frederik vier Menschen also nur deswegen erschossen, weil er seinen besten Freud nicht verlieren wollte? Wurde er zum Mörder, weil er für Andreas alles getan hätte? Nach allem was man bisher über die beiden Angeklagten weiß, scheint das zumindest eine von vielen möglichen Erklärungen zu sein. Denn Frederik war bis vor wenigen Jahren ein schüchterner Junge, der kaum Freunde hatte. Seine Eltern sagten im stern: "Frederik hat uns erzählt, dass er in der Schule ein Außenseiter war." Das änderte sich wohl erst, als er Andreas traf. Fortan hatte Frederik eine feste Bezugsperson, jemanden, dem er folgen konnte. "Andreas war sicher der Dominante. Wenn er anrief, dann sprang Frederik", so die Eltern.
War Frederik also nur eine Marionette des willensstarken Andreas? Gegen diese Interpretation wehrt sich dessen Anwalt vehement: "Ich sehe kein Abhängigkeitsverhältnis von Frederik zu Andreas", sagte Hans Steffan stern.de. Vielmehr seien beide bei dem Mord aufeinander angewiesen gewesen. "Keiner der beiden war in der Lage, die Tat alleine auszuführen. Auch nicht Andreas. Er brauchte Frederik."
Motiv vor allem in "dramatischen Verhältnissen"`zu suchen
Aber der Jurist räumt ein, dass die Idee zu dem Mord von seinem Mandanten stamme und Frederik daran kein eigenes Interesse gehabt habe. Das Motiv sei vor allem in den "dramatischen Verhältnissen" bei den Häusslers zu suchen. Andreas Vater Hansjürgen soll ein dominanter und autoritärer Mensch gewesen sein. Vor allem gegen den Vater hätten sich deshalb auch Andreas Aggressionen gerichtet.
Nach dem überraschenden Geständnis von Frederik kündigte Anwalt Steffan an, dass sein Mandant die Tat ähnlich schildern wird. "Das ist schon wichtig, denn bisher wird nur Andreas als kaltblütiger Mörder dargestellt." Eines ist den Verteidigern der beiden Angeklagten aber auch klar: An einer möglichen Strafe wird sich auch durch Frederiks Aussage vermutlich nichts ändern. "Selbst wenn nur einer geschossen hat, haben sie beide die Tat zusammen begangen", sagte Michael Bischofberger, Sprecher der Ulmer Staatsanwaltschaft, stern.de. "Die rechtliche Bewertung bleibt gleich, es war ein gemeinschaftlich begangener Mord."
Freund des Opfers empört über neue Aussage
Arno Mild hat durch diese Tat seine Freundin verloren. Der Industriekaufmann war vier Jahre mit Annemarie Häussler zusammen. Im Radio hat er von Frederiks Geständnis gehört. Ziemlich überrascht sei er gewesen, sagte der 24-Jährige zu stern.de. "Ich verstehe einfach nicht, wie man so etwas für seinen Freund machen kann." Zwar habe er in den vergangenen Jahren mitbekommen, wie sehr Frederik unter dem Einfluss von Andreas stand. "Eine Entschuldigung ist das aber nicht. Schließlich hat er aus freiem Willen gehandelt, und er hätte es auch lassen können."