Auf der kleinen Insel Maui im US-Bundesstaat Hawaii herrscht der Ausnahmezustand. "Jeder, den ich kenne und liebe, jeder, mit dem ich verwandt bin, mit dem ich Kontakt habe, meine Kollegen, Freunde, Familie – wir alle sind obdachlos", schildert Inselbewohner Dustin Kaleiopu dem US-Sender CNN die Lage. Auch das Haus seiner Familie sei in den Flammen zerstört worden. Zu einigen seiner Angehörigen habe er noch keinen Kontakt herstellen können. So viele Menschen seien weiterhin nicht erreichbar, sagt Kaleiopu am Donnerstag.
Mindestens 55 Menschen sind nach jüngsten Angaben bislang bei den verheerenden Busch- und Waldbränden auf Maui Lokalbehörden zufolge bereits ums Leben gekommen. Am Donnerstag hatten die Behörden noch von 36 Toten gesprochen. Am stärksten betroffenen ist die Küstenstadt Lahaina im Nordwesten Mauis. Der bei Touristen beliebte historische Ort sei weitgehend zerstört. "Wir haben kein Lahaina mehr, es ist weg", berichtet Kaleiopu.
Tausende Menschen seien obdachlos und müssten beherbergt werden, sagte der Gouverneur von Hawaii, Josh Green. Die Behörden suchten "zunächst 2000 Zimmer", um den Bedarf zu decken. Green rief die Bevölkerung auf, private Unterkünfte zur Verfügung zu stellen.
Brände auf Maui: Menschen springen auf Flucht vor Feuer ins Meer
In Hawaii geborene oder lebende Prominente reagierten geschockt. "Es ist schwer, einige der Bilder zu sehen, die aus Hawaii kommen – einem Ort, der für so viele von uns etwas Besonderes ist", schrieb etwa der ehemalige US-Präsident Barack Obama (62) auf Twitter. "Michelle und ich sind in Gedanken bei allen, die einen geliebten Menschen verloren haben, oder deren Leben auf den Kopf gestellt wurde". Unter dem Post verlinkte er die Seite einer Spendenorganisation. Der "Game of Thrones"-Schauspieler Jason Momoa (44) schrieb, er sei "erschüttert und untröstlich" und rief zum Spenden auf.
Riesige Rauchschwaden hingen am Donnerstag über den sonst so paradiesisch anmutenden Palmenstränden, Einwohner und Touristen brachten sich vor den Flammen in Sicherheit. Für die beiden Bezirke Maui und Hawaii wurde der Notstand ausgerufen.
Tausende Menschen blieben vorerst ohne Strom. In der Nacht zum Donnerstag (4 Uhr Ortszeit/16.00 Uhr MESZ) waren noch immer rund 11.000 Haushalte von Stromausfällen betroffen, wie aus Daten der Webseite PowerOutage.us hervorging. Das entspricht etwa 15 Prozent der Haushalte auf der Insel. Der Stromversorger Hawaiian Electric bat die Bevölkerung um Geduld. Mitarbeiter arbeiteten an der Reparatur mehrerer Strommasten, die infolge starker Winde umgestürzt waren.
Augenzeugen beschrieben apokalyptische Szenen in Lahaina, gewöhnlich ein malerisches Touristenziel. Auf der Flucht vor schnell um sich greifenden Flammen seien Menschen ins Meer gesprungen. "Wir finden immer noch Leichen im Wasser und auf der Uferpromenade", sagte Kekoa Lansford, eine Einwohnerin von Lahaina, dem Sender CBS. "Wir haben Menschen aus dem Wasser gezogen. Wir versuchen, Menschenleben zu retten, aber (...) bekommen nicht die Hilfe, die wir brauchen", sagte sie. Nach Angaben der Küstenwache sprangen etwa 100 Menschen ins Wasser. Ein Schiff der Küstenwache konnte demnach mehr als 50 Personen aus dem Meer retten.
Weite Teile des historischen Ortes mit etwa 10.000 Einwohnern wurden zerstört, auch der Hafen und Umgebung erlitten Schaden. Mehr als 271 Gebäude seien von den Flammen erfasst und beschädigt oder zerstört worden. Gouverneur Green zufolge sind rund 1700 Gebäude und 80 Prozent der Stadt betroffen
US-Präsident Joe Biden sagte Hawaii Hilfe der Regierung zu
Naturkatastrophen im Paradies – davon bleiben die Inseln der Kette im Pazifik, die etwa 3800 Kilometer von der US-Westküste entfernt liegen, ohnehin nicht verschont. Der 50. Bundesstaat mit seinen etwa 1,4 Millionen Einwohnern wird häufiger von Hurrikans, Sturmfluten und Vulkanausbrüchen heimgesucht. Die Ursache für die jetzt wütenden Feuer war zunächst nicht bekannt. Mitverantwortlich für die rasch um sich greifenden Brände sei der Hurrikan Dora, der südlich der Inseln vorbeiziehe, so die Behörden.
US-Präsident Joe Biden sagte Hawaii Hilfe der Regierung zu. Die Nationalgarde und die Marine stünden den Einsatzteams zur Seite. Das Verkehrsministerium werde dabei helfen, Urlauber von Maui auszufliegen, hieß es in einer Mitteilung. Bis zu 10 Millionen Touristen besuchen Zahlen der US-Behörden zufolge jährlich den Archipel. "Diese Waldbrände und all die schweren Stürme, die wir immer wieder erleben, sind definitiv eine Folge der steigenden Temperaturen auf der ganzen Welt", sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats, John Kirby, am Donnerstag.
Von Reisen nach Maui wurde abgeraten. "Dies ist kein sicherer Ort", warnte die stellvertretende Gouverneurin Sylvia Luke. Per Notfall-Erklärung sollten Touristen ferngehalten werden. Der Bezirk Maui rief am Mittwoch Reisende auf, die Insel so schnell wie möglich zu verlassen. Es gebe freie Sitze auf Flügen vom Flughafen Kahului im Norden der Insel. Reisende müssten aber zuvor die Fluggesellschaften anrufen und reservieren. In West-Maui gebe es allerdings weiter keinen Strom und auch keine Mobilfunk- oder Festnetzverbindungen.
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